fleisspelz hat geschrieben:...
Merkwürdiger Weise baut die Industrie an den Bedürfnissen der Kunden vorbei. Form follows Illusion, Function follows Image ...
Uwe Steinbrecher hat geschrieben:Die Industrie gibt es so natürlich nicht.
Und es gibt schon auch ein echtes leichtes Reisemoped ab Wek.
AJP Pr7 ....
Doch, es gibt die Industrie.
Die AJP, wird von einer Manufaktur angeboten. Dahinter stecken in der Regel Enthusiasten, die irgendwas besser machen wollen und selbst vom Thema infiziert sind.
Ein schönes Beispiel für Industrie sind Motorräder, die "in das gleiche Marktsegment" passend hergestellt werden, nicht weil jemand von einer ingenieusen oder weltwandlerischen Idee getrieben ist, sondern weil es eben einen Markt gibt. Eine sackschwere hochbeinige Monster-"Enduro" bekomme ich von jedem Großserienhersteller. Ebenfalls ein übermotorisiertes um-die-200-PS-Monster und einen um-die-350-kg-Tourer mit Vollbekofferung und Mobilitätsgarantie. Und natürlich die passend lackierte Me-To-Variante für den Sohnemann oder den Familienvater mit zu wenig Kohle für die richtige.
Sobald einer der Großen eine neue Marktnische wittert, die er dann auch prompt mit einem "revolutionären Konzept" schliesst, dauert es keine drei Monate, bis man ein Abziehbild davon bei den jeweils anderen erwerben kann. Ich fürchte, dass all diese Motorräder nicht gebaut werden, weil die so toll sind, sondern weil es einen Markt dafür gibt. Der Markt wird aber überwiegend nicht von Weltreisenden, Ganztags- und Ganzjahresfahrern oder von von echten Könnern mit Agostini-Qualitäten beherrscht, sondern von schmerbäuchigen Best-Agern mit prallem Geldbeutel und großen Träumen, denen es genügt, auf eigener Achse ein wenig rumzucruisen, einen Hauch Abenteuer zu fühlen, ab und an mal auf einer Geraden den Hahn aufzureissen und sich so herrlich jung dabei zu fühlen. Abends kann man bei Bedarf noch einen nachlegen und mit einer Tüte Chips "mild Chilli" und ein paar Buddeln Bier bewaffnet den Moto-GP im Sportkanal vom Ledersofa aus kommentieren.
Für genau solche Leute baut die Industrie.
Warum?
Weil die willig bezahlen, keine dummen Fragen stellen, das nehmen, was es eben gibt und wenig Kritik üben, weil sie in die Grenzbereiche der sackschweren Eisenhaufen eh nie kommen.
Und weil sie markentreu und kritiklos den kradomobilen Einheitsbrei fressen, der ihnen vorgesetzt wird. Weil sich Frauen damit abfinden, dass es mit Ausnahme von ein paar wenig fahrdynamischen Softchopper/Cruiser-Modellen so gut wie keine Motorräder für ihre Körpergröße gibt, weil sich Männer damit abfinden, dass ihr BMW oder Harley-Davidson Glitzermonstrum eben so schwer sein muss, dass man es nur mit nem Portalkran wieder aufgehoben bekommt und weil andere sich entschuldigen, sie wären mit ihrem 200 PS Monster der R65 mit 23 Jahre alten Metzeler-Reifen nicht hinterhergekommen, weil sie den passenden Modus nicht programiert bekommen haben.
Genau deshalb wird es immer so sein, dass sich Weltreisende entweder die halbe Handvoll Manufakturmotorräder leisten können und wollen, oder auf Altbewährtes zurück greifen, weil der Sozialstatus kompatibler ist, die Ersatzteile verfügbarer, die ganzen Moppeds leichter und zudem selbst reparabel. Die Rennfahrer werden ihre kleinen Tuningschmieden semiprofessioneller Art behalten und all die Hinterhofwerkstätten und die Chopperfahrer werden ebenfalls kein "Factory-Customizing" als gleichwertig betrachten, sondern ihrem Individualismus von der Garage aus fröhnen. Schliesslich bauen die Kunst, und ein Druck hat nie den selben Stellenwert wie das Original.
Schön dabei ist, dass die Welt so ein bisschen bunter wird, und sogar Vadder pudelich irgendwie erfüllt, zufrieden und friedlich vor dem Fernseher einschlafen kann, die Buddel Bier halbleer ...