..ein Gedicht zum Staunen...

Hier geht es um AiA-taugliche Motoren, Maschinen, Fahrzeuge. Wyrdiges Zeug kwasi :D

..ein Gedicht zum Staunen...

Beitragvon Wolfgang » Do 06 Nov, 2008 14:20

Ich bin durch Zufall auf ein Gedicht von Tucholsky von vor 70 Jahren gestoßen, das mich doch sehr erstaunt hat. Man sieht, die Menschheit lernt nix.


Gruß
Wolfgang



Poesie zur Finanzkrise



Wenn die Börsenkurse fallen,

regt sich Kummer fast bei allen,

aber manche blühen auf:

Ihr Rezept heißt Leerverkauf.



Keck verhökern diese Knaben

Dinge, die sie gar nicht haben,

treten selbst den Absturz los,

den sie brauchen - echt famos!



Leichter noch bei solchen Taten

tun sie sich mit Derivaten:

Wenn Papier den Wert frisiert,

wird die Wirkung potenziert.



Wenn in Folge Banken krachen,

haben Sparer nichts zu lachen,

und die Hypothek aufs Haus

heißt, Bewohner müssen raus.



Trifft's hingegen große Banken,

kommt die ganze Welt ins Wanken -

auch die Spekulantenbrut

zittert jetzt um Hab und Gut!



Soll man das System gefährden?

Da muss eingeschritten werden:

Der Gewinn, der bleibt privat,

die Verluste kauft der Staat.



Dazu braucht der Staat Kredite,

und das bringt erneut Profite,

hat man doch in jenem Land

die Regierung in der Hand.



Für die Zechen dieser Frechen

hat der Kleine Mann zu blechen

und - das ist das Feine ja -

nicht nur in Amerika!



Und wenn Kurse wieder steigen,

fängt von vorne an der Reigen -

ist halt Umverteilung pur,

stets in eine Richtung nur.



Aber sollten sich die Massen

das mal nimmer bieten lassen,

ist der Ausweg längst bedacht:

Dann wird bisschen Krieg gemacht.



Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"
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Beitragvon Riege » Do 06 Nov, 2008 14:26

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Beitragvon Wolfgang » Do 06 Nov, 2008 14:45

AHA - danke für die Aufklärung.


..und ich hab schon Bauklötze gestaunt.



Wolfgang
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Beitragvon Roll » Sa 08 Nov, 2008 18:45

Wolfgang hat geschrieben:..und ich hab schon Bauklötze gestaunt.
Wolfgang


Bauklötze staunen darfst Du trotzdem.
Alles wiederholt sich.
Nix gab es noch nicht.
Selbst wäre Herrn Tucholsky durchaus so ein Gedicht zu so einer Thematik zuzutrauen.
Auch Erich Kästner hat ähnliche weise Worte von sich gegeben, ebenso wie diverse annähernde Zeitgenossen.

Wenn man im Amerika Ende 1800/Anfang 1900 sucht, kommt ebenfalls Ähnliches zur Sprache, bei der sozialistischen Bewegung.

Ansonsten: Treffsichere Gedichte, tagesaktuell oder zu speziellem Anlaß, gibts bei mir. Ist allerdings mit Kosten verbunden 8) .

Referenzen gerne :grin:
Ein Prophet schaut zurück. Das neue Programm. miro2

Matthäus 6,19-34

http://www.rollmannact.de/
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Beitragvon Sepp » Sa 08 Nov, 2008 20:01

Das Gedicht mag Tucholsky untergeschoben sein, aber die Geschichte wiederholt sich verblüffend. Ich war baff als ich zufällig vor drei Wochen eine Wiederholung der Dokumentation von 1966 "Der schwarze Freitag" in ARTE sah.

Das Dokumentarspiel von 1966 "Schwarzer Freitag"
Zu den schicksalsschwersten Daten der Geschichte gehört der 25. Oktober 1929, der Schwarze Freitag. Die Weltwirtschaftskrise, die Verzweiflung und Selbstmord, Arbeitslosigkeit, Massenverelendung und politische Radikalisierung im Gefolge hatte, nahm mit dem New Yorker Börsenkrach an diesem Tage ihren Anfang. Im Mittelpunkt der Handlung steht der amtierende Präsident der New Yorker Börse im Herbst 1929, Richard Whitney. Im Auftrag der Großbanken unternahm er am Vortag des Zusammenbruchs noch einmal eine Stützungsaktion, die den Gang der Ereignisse nur für wenig mehr als eine Stunde aufzuhalten vermochte. In der Hauptrolle ist Curd Jürgens als Richard Whitney zu sehen. Ihm zur Seite stehen so profilierte Darsteller wie Dieter Borsche, Hans Christian Blech und Erik Ode.

Hier eine kurzer Ausschnitt aus Youtube

http://de.youtube.com/Watch?v=vgmfenc4C8c

Wenn wer diesen Film auf DVD hat, den würde ich sehr gerne haben.

Gruß Sepp
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