Freitag, 26. Jänner 2007.
10 Uhr morgens. Nachdem ich Tante Herta mit dem Nötigsten zum Glücklichsein beladen und mein Cheffchen davon überzeugt habe, daß ich mich heute NICHT in den Zug nach Sigmaringen setzen werde, nur weil dort das Krankenhaus steht (das steht am Montag auch noch...), knattere ich los in Richtung Norden, die alte B70 durch das Lavanttal hoch bis Preitenegg, von dort aus weiter auf die 78 nach Obdach. Das Wetter hält sich vornehm zurück, es fallen vereinzelte Flocken, und ich bin guter Dinge. Die Stimmung bessert sich noch weiter, als ich bei Zeltweg der Himmel aufreißt und strahlender Sonnenschein mein Weggefährte wird.
Die Kilometer verschwinden in meinen Rädern, und ich bin guter Dinge, als ich vor einem ADEG-Markt halte, um Fressalien zu kaufen. Leider verzieht sich meine gute Laune gleich schnell wie die Sonne: während ich im Markt bin, hat mein Zündfunke den Streik angetreten. Nach kurzer Suche und etwas Stromkonzentrat aus der blaugelben Dose (Handelsname WD40) geht die Fahrt munter weiter. In Mödersbrugg erwische ich die falsche Abzweigung und eiere erst mal 40 km durch die schneebedeckte Pampa. Mitten in ebenjener bemerke ich zu meinem Erstaunen, daß offenbar meine Vorderradachse gewaltig an Länge zugelegt hat: aus dem linken Tauchrohr stehen fast 8 cm Achse 'raus! Große Schei..., das darf so ned. Also Achsklemmung gelock... nee ist schon locker. Aua... Na jutt, ein Schlag mit dem Beilchen und die Achse ist wieder an Ort und Stelle. Achsmutter ist latürnich keine mit dabei, aber wenigstens etwas Kernmantelschnur, um die Achse im Tauchrohr festzubinden...
Daß sich keine 5 km später mein Tacho zuckenderweise ins Nirvana begibt tangiert mich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr...
Die weitere Anreise ins Lager gestaltet sich erfreulich ereignislos. Mit einem frischen Immler hintendrin und 5500 rpm schraube ich die Emme die Mautstraße hoch. Zweiter Gang geht nur selten, aber immerhin. Gemeinsam mit Jörg aus Graz stelle ich oben angekommen mein Zelt auf und werfe dann erst mal den Russenkocher an, um mir Ravioli warm zu machen. Daß die ausnahmsweise mal gut geschmeckt haben, hatte den Umstand zugrunde, daß die Ravioli in Wahrheit Gulasch waren...
Langsam trudeln auch die anderen bekannten Kollegen ein, so daß sich bald mal ein nettes Ründchen sammelt. Robert aus Korneuburg hat wahrhaftig die Solo-SR den Berg hochgewuchtet. Ohne Schneekette! Noch schneit es in Maßen, aber bald, Kollegen, wirds was geben... nachdem wir den Weg zur Hütte erklommen hatten, um erst mal ein wenig Motivation zu uns zu nehmen (ausreichend Flüssigkeit ist ja wichtig bei dem Wetter), begebe ich mich recht zeitig zur Ruhe - Lagerfeuerromantik will sich mit Schnee im Kragen irgendwie nicht einstellen.
In meinem Dreipersonentunnel, den ich mit vier (!) Spax im Boden verankert hab (2 vorn, 2 hinten - Optimismus ist alles) schreite ich zur Abendtoilette und verschlampe dabei gleich mal eine Kontaktlinse, die leider für alle Zeiten verschollen bleiben wird. Angefressen auf mich und meine Patschertheit schlafe ich ein, werde jedoch gleich bald mal wieder geweckt - Sturmböen fahren ins Zelt und pushen Adrenalin durch meine Blutbahnen - ich fürchte, mein Zelt wird jeden Moment das Fliegen lernen (in der Tat gab es in dieser Nacht diesbezüglich Verluste, allerdings nicht meins...)
Nach 6 Stunden pfeif ich auf fliegende Zelte und verlorene Kontaktlinsen und penne endlich ein. Lichtblick: der US-Armeeschlafsack war seine 35 Mäuse mehr als wert, ich friere keine Sekunde.
Samstag
Als ich gegen 9 Uhr erwache, haben sich die hartgesottenen Ausfahrtsteilnehmer schon lange auf die Wintersocken gemacht. Da ich ohnehin wegen mangelnder Achsmutter keine übertriebenen Teilnahmeambitionen hegte, verbringe ich den größten Teil des Vormittags in der Hütte. Stefan von der SR-IG Rhein Neckar überläßt mir eine neue Achsmutter, ein netter NVA-Emmentreiber borgt mir seine 22er Nuß mit Knarre. Hurra, die Achse ist bemuttert.
Zwischenzeitlich bauen wir noch meine Staudacher-Kette auf Roberts SR-Hinterrad, und nach ein wenig "bloody Blizzard"-watching verkrümeln wir uns gegen 4 wieder in die Hütte. Offenbar geschehen dort sehr seltsame Dinge mit uns, denn schon nach wenigen Stunden sind manche von uns in ihren Bewegungen und Ausdrücken recht eingeschränkt. Ich glaube, eins von den Hefeweizen war nicht gut...
Als ich gegen 11 Uhr Abends wieder runter auf den Zeltplatz spaziere, kommen grade die ersten Leute von der Ausfahrt zurück. Meine Herren... Respekt, aber insgeheim freu ich mich, daß ich nicht mitgefahren bin. Ich verkrümle mich in meine Villa und schnarche bis Sonntag Morgen 0900 durch. OK, mehr oder weniger.
Sonntag
Ich erwache gegen 9 Uhr morgens und beschließe, den Geschmack nach altem Getriebeöl in meinem Mund erst mal durch ausgiebiges Beißerchenschrubben und Käffchentrinken in der Hütte zu bekämpfen. Das Öffnen meines Zelteingangs sorgt für ein ordentliches Aha-Erlebnis: es gibt zwischen Oberkante Schneedecke und Oberkante Zelteingang einen 10 cm breiten Guckschlitz, der Rest ist Schnee. Langsam fängt das Zeug an, mir auf die Nerven zu gehen... ich buddle mir also meinen Weg ins Freie und treffe auf Robert, der sich auch grade ausgegraben hat. Offensichtlich hatten wir nächtens leichte Schneefälle...
Nach Frühstückskaffee und Ausgraben sowie Packen der Ausrüstung breche ich gegen 11 Uhr auf in Richtung Heimat. Das Gespann zieht gut, ich drifte schön die Mautstraße 'runter und blättere munter fröhlich los in Richtung Mödersbrugg.
Verdammter Mist, seit wann hab ich denn vorne Breitreifen montiert??? Jawoll. Plattfuß. Ventil abgerissen. In meinem jugendlichen Leichtsinn hab ich natürlich weder Pickzeug noch Reservereifen noch Reserveschlauch noch Montiereisen noch Achsmutterschlüssel dabei... Ein Anruf bei Motorang sichert mir sogleich Hilfe zu, aber "frühestens in 3 Stunden". Also mache ich mich plattfüßig mit Schleichfahrt auf den Weg zum nächstgelegenen Gasthaus. In St. Johann am Tauern werde ich fündig, parke die Zonenfeile auf dem Gasthausparkplatz und betrete ebenjenes in der Hoffnung auf was zu Essen.
Fehlanzeige. Köchin ausgefallen.
Na geil.
Aber moment... der Wirt ist offenbar selber Motorradfahrer und bietet mir den neuen Schlauch aus seiner 350er Jawa an - ein Angebot, das ich unmöglich ablehnen kann, genauso wie das Benutzen seiner Werkstatt und tatkräftiges persönliches Handanlegen. 'rausoperiert sind die beiden Pellen in nullkommanix, und tatsächlich - der Jawaschlauch ist dicht! Hurra! Also rein damit in die Emmenfelge.
Nun ja... schön geplant, aber... da der Wirt leider keine Montiereisen hat und wir mit Schraubenzieher und Brecheisen operieren, hat die neue Jawasocke innerhalb eines Montagevorgangs 3 brandneue Löcher verabreicht bekommen. Also wieder 'raus aus dem Rad, Pickzeug... und das Pickzeug reicht nur für 2 Löcher... ich bin am Verzweifeln... als plötzlich, gegen 18 Uhr, der vertraute Donner Sibiriens an mein Ohr dringt. Da kommen sie - das Rettungskommando, die Trümmertaskforce: Andreas und Uwe habens geschafft. Innerhalb weniger Minuten sind die weiteren Schritte klar, und eine Tasse Kaffee später ist das Rad geflickt, des Wirtes Hände geschüttelt, Namen und Adressen ausgetauscht, und wir sind wieder auf der Straße! An dieser Stelle ein dickes fettes Danke and den Wirten
Franz Selan!
Das Heizvisier funktioniert überraschend gut und wärmt auch noch meine Brille ausreichend, so daß ich bei meiner ersten kontaktlinsenlosen Nachtfahrt den totalen Durchblich habe. Plötzlich geht 1 km vor Möderbrugg meine Karre aus. Sprit alle. Später an der Tanke werde ich feststellen, daß der Benzinhahn in der Reservestellung tropft wie blöd. Aber wie gesagt, erst später... bis dorthin schiebt mich Uwe mit der Knepta vor sich her wie ein Matchboxauto...
In Möderbrugg wird vollgetankt und noch mal eben etwas Schoko eingeworfen, dann führt uns Motorang bis Judenburg. Ich verlasse den Trupp bei Obdach und blättere den Obdacher Sattel, die alte 78 und die alte 70 zurück nach St. Andrä im Lavanttal.
Nach 8 Stunden und schwach 120 Kilometern bin ich gegen 21 Uhr wieder zu Hause. Jetzt aber erst mal Frühstück!