Moin,
nun soll es also losgehen mit erbaulichen Berichten über das löbliche Unterfangen den Polar zu bereisen. Den ersten Teil der Strecke sind wir ja nun in mehreren Gruppen gefahren, ich kann also für diesen Teil nur für die gefürchtete Rentnergang, bestehend aus Bernd, Dietrich und mir berichten. So sei es nun:
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Ich bin der Autor aller Verse und Damast-Paspeln,
Ich fahre alle Tage und Nächte,
Ich bin hier, und das Dingeling ist mein Sofa ...
(frei nach Zappa, Sofa #2)
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Tag 1 Freitag 19.02.2016 Duisburg-TravemündeNervös schon um 06:00 aufgestanden, weil ich weiß das noch lange nicht alles fertig ist, gehe ich erst mal ins Büro und arbeite noch, Mist. So komme ich erst gegen 11:00 hier weg, das Gespann hoch und viel zu voll gepackt, obwohl ich hektisch in den letzten Minuten noch schwer aussortiere. Fertig gepackt stelle ich fest das die Kettenspannung viel zu hoch ist, klar, die Dämpfer gehen runter, also noch hastig mehr Spiel hingeschraubt. Die Zeit drängt, und so gehe ich auf die Autobahn um den Termin um 13:00 mit Bernd in Lippstadt zu halten.
Klar, schaffe ich nicht, auch weil das ungewohnt hoch bepackte Gespann schlingert wie ein betrunkener Esel - aber da gewöhne ich mich noch dran, bin halt solo Gespann gewohnt, zudem habe ich wegen der Traktion (das Dingeling zieht am Hinterrad wie die Sau bei normal zu wenig Gewicht dorten) alles Werkzeug und Ersatzteile mit bummeligen 40kg auf den Sozius geschnallt.
Nach 1 1/2 Stunden geht es endlich von der Bahn runter über Land zum Bernd, bei um die 0°C ist es aussen kalt und feucht, im A4 aber muckelig warm: Nur ein Shirt und keine lange Unterhose. Sehr schön, Rentner müssen auf ihre Betriebstemperatur achten. Endlich, wie immer zu spät, beim Bernd muss ich erst einmal die Kette nachspannen, weil in der Hetik am morgen zu locker eingestellt und sie schlägt beim schalten, und mir natürlich am heßen Auspuff den Daumen anbrennen. Riecht wie Brathähnchen und wird mir noch lange Freude bereiten.
Bernd nebst Göttergattin laben mich mit Nudelsalat und lecker Kaffee, und los geht es nach ausgiebiger Bewunderung von Bernds blitzsauber renovierter und zum Gespann gemorphter GS 100 PD - ein Wahnsinn, lecker, halt nicht günstig wenn man es wie Bernd richtig macht - aber Spaß kostet bekanntlich.
Der langstreckensüchtige Bernd mit 70L Sprit im Tank und Beiwagen scheucht mich erbarmungslos ewig lang über Landstraßen bis zum vereinbarten Treffpunkt in Soltau: Dietrich sitzt da schon länger im "Goldenen M" und liest. Die GS vom Bernd fuhr schon eine Weile ohne Hauptscheinwerfer und somit hinter mir, nur mit Tagfahrlicht welches aber auch ein Stadion ausleuchten könnte - auf dem Parkplatz ist Zeit für eine schnelle Kontrolle, es war nur eine Sicherung abgeraucht.
Es ist spät und dunkel geworden, usseliges Wetter knapp unter Null, und so radeln wir diesmal über die Dosenbahn nach Travemünde zur Fähre. Wir wollen die Truckerfähre Travemünde-Helsinki nehmen, die startet am nächsten Morgen um 03:30, und wir sind just in time zum Ladebeginn um 23:00 vor Ort - natürlich nicht ohne erst einmal eine ausgedehnte Hafenbesichtigung zu machen. Das kann ich nämlich richtig gut: Trotz Uschi (mein Navi) die falsche Abfahrt nehmen.
Das Einchecken ist problemlos, keinerlei Kontrollen, und so rollen wir alsbald in den Bauch der Fähre welche ein reines Transportverhikel ist ohne die liebgewordenen Annehmlichkeiten der Color-Line Oslo-Kiel. Würdig müssen (dürfen ?) wir auch das Verzurren selbst vornehmen, schnappen uns unsere Bordsäcke und sitzen bald beim Einschlafbier in der Truckerecke.
Die Fähre ist schon recht angeranzt, Rost überall, dreckige Teppiche in den Fluren, aber die Kabinen sind sauber und die Betten bequem. Durch den kurzfristigen Ausfall von Roman haben wir voll luxuriös zwei Kabinen: Dietrich und ich in eine, Bernd in die andere. Meine Schulter- und Nackenschmerzen von 8 Stunden Fahrt sind im Bett sofort weg, vor allem das neu erworbene Airhawk-Kissen für den zarten Poppes ist jeden Euro wert - erstmalig seit ich Mopped fahre, und das sind schon über 40 Jahre, keine Probleme am Ärschle ! Der Helm mit Heizvisier heizt, zieht ein wenig aber das bekomme ich später noch in den Griff mittels Schal und Sturmhaube.
Tag 2 Samstag 20.02.2016 Auf SeeNicht schlecht geschlafen, aber leichtes Kopfbrummen und so nehme ich mir erst mal einen Multisaft aus der Tasche und gehe raus an die Luft zum Hubschrauber-Landedeck, rekonvaleszieren und rauchen, klar.
Das üppige Frühstück, Truckergerecht, qualitativ erstaunlich hochwertig und recht nahrhaft, wird von uns ausgiebig gewürdigt , danach müssen wir erst einmal zur Erholung ein Freßnickerchen einlegen. Wir treffen uns wieder zum zweiten Frühstück das eher ein Mittagessen wird und planen ein wenig die nächsten Tage. Dann übermannt uns wieder die Müdigkeit ob der anstrengenden Seefahrt (aka Völlerei), wir sinnieren was wohl die Jugendgruppe so macht und sind auch schon wieder eingeschlafen. Ja, so eine Überfahrt ist schon hart !
Kaum wach müssen wir schon wieder ran: Zum Abendbüffet gibt es alle Spielarten von Meeresgetier, Hirsch-, Elchtier und noch mehr. Trucker sind keine Vegetarier, und wir nun mal auch nicht. Danach müssen wir, nein, nicht nickern, sondern ein Verdauungsbier einnehmen und, da in Küstennähe, werden wir über Whatsapp informiert das die jungen Wilden die erste ernstzunehmende Panne haben: Richy's Ratten-Rotax hat (erwartungsgemäß eine Panne, aber nicht so etwas) die kraftschlüssige Verbindung zwischen Nockenwellenantriebsrad und Nockenwelle geworfen. Richy, Toni und Stefan haben da wohl eine ganze Weile dran gebastelt, 4 Bohrer versenkt aber die Rotax wieder ans Rennen gebracht - das soll bis kurz vor Braunscheig halten wie sich noch zeigen wird.
Michi, Michael und Kucki sind vorgereist den Campground vorzubereiten damit die wackeren Kämpen nur noch in die Schlafsäcke fallen müssen. Erstaunlich das ob der widrigen Umstände gute Vorankommen: Die sind schon vor Röros, mal eben 400km bei -4°C, so eine Leistung erkennen wir mit einem Bier in der Hand weise nickend und lobend an. Apropos Campground: Es war eine Haltebucht an der Landstraße
Gegen 22:00 Uhr erhalten wir noch Meldung von Hannes und Kaiman, die mit Ihrem RatWing-Gespann auch seit heute morgen unterwegs sind: Die treiben sich in Sund (Schweden) rum und haben heute in 16 Stunden mal eben flockige 1.350km abgerissen - ehrfürchtig lauschen wir dieser Mitteilung derweil die Fähre mit 40 Sachen über die trübe Ostsee bei Starkwind schlaffördernd nach Norden über die Ostsee rollt.
Waltzing Mathilda !
PS: Wird fortgeführt und um Bilder ergänzt ...