"Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

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"Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon fleisspelz » Do 24 Aug, 2017 13:00

Glattbach, 1. August

Tina, Julian und ich wollen heuer gemeinsam Sommerurlaub machen. Julian ist auf dem Weg von Bridgend in Wales nach Glattbach, wird bei uns schlafen, und dann geht es gemütlich los. Wir erwarten ihn gegen Nachmittag bei uns. ich habe Kalbfleisch gekauft. Julian mag Schnitzel ...

Irgendwann am Nachmittag klingelt das Telefon. Julian steht neben der Autobahn und sein Motor läuft nicht mehr. Ich lasse alles stehen und liegen, schnappe mir den reisefertig (nicht für mich selbst) vorbereiteten AiA-Logistik-Bus, den gespanntauglichen Anhänger und fahre Julian einsammeln. Bei mir zu Hause lässt es sich sicher bequemer schrauben ...

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Nach Abbau des Tanks haben wir schnell ermittelt, dass ein satter Zündfunken vorhanden ist. Die Triumph Tiger 955i von Julian hat eine K-Jetronic-artige Einspritzpumpe. Da keiner der drei Zylinder anläuft, vermuten wir schnell einen Fehler in der Kraftstoffzuführung. Benzinpumpe? Benzinfilter? CPC-Anschlüsse am Kunststofftank?
Wir bauen den Tank aus und entleeren ihn weitgehend, so daß wir die Platte für die innenliegende Pumpe und den Filter abbauen können, um die beiden Teile zu prüfen. Die CPC-Anschlüsse sind bereits durch eloxierte Aluteile ersetzt worden, also erstmal unverdächtig.

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Die Benzinpumpe reagiert normal, sobald sie an 12 Volt angeschlossen wird. Auch ein Pumptest aus dem Kanister in einen Messbecher verläuft zufriedenstellend. Als ich den Benzinfilter mit Atemluft freiblasen möchte spüre ich zuerst einen deutlichen Widerstand, dann gibt es ein "Plopp" und anschliessend kann man ihn mit immer noch starkem Widerstand durchblasen. Der Übeltäter ist entlarvt: der Spritfilter ist dicht!

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Wir klappern die üblichen Verdächtigen ab, die nach 18:00 Uhr noch in Aschaffenburg erreichbar sind, und mit etwas Glück einen solchen Filter haben könnten.

Bei Polo:
"Moin, habt ihr so einen Benzinfilter?"
"Für was issn der?"
"Für eine Triumph Tiger 955i Baujahr 2002"
"Ne, aber wir haben welche, die sind zerlegbar, also zum Wiederverwenden"
"Zeig Mal
...
...
Nee, der sitzt im Tank, da kann ich mit Deinem chromfunkelden und verglasten Teil nix anfangen"
"Ja, aber der wird gern genommen"
"Dankeschön"

Bei Detlev Louis:
"Moin, habt ihr so einen Benzinfilter?"
"Für was issn der?"
"Für eine Triumph Tiger 955i Baujahr 2002"
"Ne, aber wir haben welche, die sind zerlegbar, also zum Wiederverwenden"
"Zeig Mal
...
...
Nee, der sitzt im Tank, da kann ich mit Deinem chromfunkelden und verglasten Teil nix anfangen"
Eine junge Verkäuferin mischt sich in das Gespräch zwischen dem Detlev-Louis-Werkstattfachman und mir ein:
"Kann ich den Filter mal sehen?"
Ich zeige ihn ihr. Der Werkstattfachmann fühlt sich augenscheinlich dupiert:
"So was haben wir hier sowieso nicht, und wenn dann auf Bestellung."
"Nee, wir brauchen den jetzt. Morgen früh kann ich nach Großostheim zu Triumph fahren"
"Ja, wo denkst Du da hin? Weisst Du eigentlich, wie viele Motorräder es gibt? Wenn wir da jedes Ersatzteil für jedes Motorrad vorrätig haben sollten, dann bräuchten wir ein Lager so groß wie Aschaffenburg"
"M-Hm."

Ich will mich grade abwenden und Julian vorschlagen, dass wir eben morgen früh nach Großostheim fahren, eh nur 15 km entfernt, aber das Blatt wendet sich unverhofft:
Die junge unwissende Verkäuferin hat während unseres "Beratungsgespräches" einfach Mal "Benzinfilter" in die Suchmaske ihres Warenwirtschaftssystems eingegeben, und ermittelt, dass vier solche Knecht KL145 Filter, baugleich mit dem Mahle-Filter der Triumph, lagernd sind.
Wir schenken dem Mädel unser dankbarstes Lächeln und erwerben einen der vier Filter.

Während ich ein Abendessen zubereite, baut Julian sein Motorrad wieder zusammen. Bei der ersten zarten Berührung des Starterknöpfchens läuft das Motorrad. Unter Anderem in Folge Dessen wird der Abend ab diesem Zeitpunkt genußvoll und lustig.



Glattbach - Merlebach, 2. August

Wir frühstücken in aller Ruhe bei Kaiserwetter und bereiten uns geruhsam auf die Abfahrt vor. Da Tina und ich ursprünglich und bevor Julian beschlossen hatte, uns zu begleiten, diesen Tag nutzen wollten, um "einfach schon mal los zu fahren", weil wir annahmen, dass Tina bis zum frühen Nachmittag arbeiten müsse. Es ist also nur eine Etappe von etwa 180 km geplant, gerade so über die Grenze ins französische Departement Moselle, noch dazu mit einer Pause bei einem lieben befreundeten Ehepaar außerhalb unserer Motorradwelt.

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Wir wählen kleine entspannte Landstraßen und die Rheinfähre in Gernsheim.

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Alle drei Motorräder sind ordentlich vorbereitet und serviciert, Ersatzteile im Rahmen des Vernünftigen und ausreichend Werkzeuge sind an Bord.
Tina fährt mit ihrem Reisehuhn, einer BMW R100 RT, Baujahr 1981
Julian hat eine Triumph Tiger 955i, Baujahr 2002 mit Hedingham ETH Seitenwagen
ich selbst bin mit "Lukas" unterwegs, der in diesen Kreisen sattsam bekannten Fälschung eines Russenmotorrades, ebenfalls mit Seitenwagen

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Bis zur Fähre lief alles einwandfrei. Motorrad anlassen, abstellen, wieder anlassen, alles kein Problem. Als wir die Fähre verlassen wollen, springt Julians Motorrad nicht an. Die selben Probleme, wie Tags zuvor.
Merde ...
Wir rufen bei einigen AiA Mitgliedern an, um möglicherweise ein Werkstattplätzchen zum neuerlichen Ausbau der nunmehr hauptverdächtigen Benzinpumpe zu finden. Roger bietet seine Hilfe an, obwohl er familiäre Verpflichtungen hat, würde er eigens noch herkommen, um uns samt Tank in seine Werkstatt zu begleiten. Aynchel telefoniert rum, ob er jemanden findet, was aber in der Urlaubshochsaison nicht ganz einfach ist. Wie wir es drehen und wenden, das halb zerlegte aber voll aufgepackte Gespann von Julian müsste an der Rheinfähre gut sichtbar im öffentlichen Raum zurück bleiben, während auf der gegenüberliegenden Rheinseite eine Kirmes aufgebaut wird, die allerlei Volk anzieht. Wir haben dabei kein gutes Gefühl und lehnen das ab. Aber wie weiter?

Julian hatte das Motorrad von der Fähre hinunter und auf die steile Rampe der Westseite geschoben. Wir sassen am oberen Ende der Rampe im Schatten einiger Sonnenschirme eines kleinen Wirtshauses und diskutierten Optionen. Erst Mal abkühlen lassen und versuchen, ob sie dann vielleicht in Folge wundersamer Selbstheilung doch noch anspringt? Wir brauchten eh erstmal kalte Getränke.

Julian und ich gingen für einen neuerlichen Startversuch zu seinem Gespann, Tina blieb im Schatten bei unseren Moppeds. Die Fähre hatte grade erneut auf der westlichen Rheinseite angelegt. Ein etwa 19 jähriges Pickelgesicht läuft die Rampe hoch, geht auf unsere Motorräder zu und pflaumt Tina als einzigen Gast mit Motorradkleidung an:

"Das Motorrad da unten, das muss da weg."
"Kein Problem, die beiden Jungs sind grade auf dem Weg runter, um es weg zu holen."
"Ja, nee, aber das muss da jetzt weg!"
"Ja, deshalb gehen die ja grade hin, damit sie es wegholen können."
"Ja, nee, ich kann da nämlich mit der Fähre nicht anlegen, weil das da im Weg ist, das geht so nicht, das muss da sofort weg, sonst passiert was!"
"Das Motorrad wurde von der angelegten Fähre runter geschoben, nachdem diese maximal auf die Rampe aufgelaufen war, deshalb ist es unwahrscheinlich, dass es Sie wirklich so nachhaltig blockiert. Dennoch sind gerade zwei Männer unterwegs, es dort wegzuschaffen!"
"Das geht so nicht, das muss SOFORT da weg!"

Tina wendet sich ab, worauf der jugendliche Dampfschiffkapitän schnurstracks auf Julian zuläuft:
"SOFORT! Aber SOFORT muss das da weg! Das kann da nicht parken!"
"Excuse me?"
"Ich kann auch noch ganz anders! Das muss jetzt da weg!"
"Oh, yeah, I'm about to transport it away"
"Nee, auf der Stelle muss das da weg!"

Da unser kurzer Startversuch Minuten zuvor erfolglos blieb, hatte ich Lukas geholt und griff jetzt in das "Gespräch" ein:
"Alles OK, wir schleppen das Motorrad jetzt da weg."
"Nee, das muss da sofort weg, sonst hole ich die Polizei!"
Der Typ erinnert mich an einen kleinen, ohne Unterlass kläffenden Straßenköter. Den ertrag ich jetzt nicht auch noch, und auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil:
"Mach doch Mal den Kopf zu, ich schlepp das jetzt da weg."
"Mach doch selber zu, ich kann auch die Polizei holen!"
"Ja bitte!"
"Das darf da nämlich nicht stehen, das muss hier immer frei bleiben, damit die Fähre anlegen kann!"
"Holst Du bitte jetzt endlich die Polizei? Ich hab zu tun."
Der Picklige sondiert die Lage und kommt nach einem Ausfallschritt in meine Richtung augenscheinlich zu dem Ergebnis, dass Julian und ich, wenn wir zusammen helfen, womöglich stärker sein könnten, als er und zögert.
"Junger Mann, ich möchte Ihnen, falls sie daran Bedarf haben, gerne anbieten, unseren kleinen akademischen Diskurs manuell zu klären, ich ziehe aber für meinen Fall eine Betreuung unseres Abschleppvorganges durch die Polizei vor, weil ich das für ergebnisorientierter halte, und jetzt mach endlich den Kopf zu."
"Mach doch selber das Maul zu." sagt er und vertrollt sich auf sein stolzes Schiff.

Dann hänge ich das Gespann von Julian an mein grünes Allzweck-Seil und ziehe es die Rampe hoch.

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Ein Harleypilot aus der verchromte-Fransen-Schublade erklärt uns, das gerade Mal 12 km weiter in Mörstadt die "Triumph-Welt-Rheinhessen" beheimatet sei. Die hätten bestimmt einen Anhänger, mit dem sie uns holen könnten. Nähere Recherche ergab eine tatsächliche Entfernung von 26 km. Ein Anruf wurde von einer Dame mit hilfsbereiter und kompetenter Anmutung beantwortet. 'Wir sollten uns vom ADAC nach Mörstadt schleppen lassen, dann könne man uns sicher helfen, indem man zuerst Mal den Pumpendruck ermittle und dann weiter schaue.'

Ich frage Julian, ob er Mitglied eines Automotive Clubs sei, oder über einen Schutzbrief verfüge. Er sagt, dass er grundsätzlich einen Schutzbrief habe, es aber versäumt hätte, diesen Auslandsaufenthalt vorher anzumelden, weshalb er ihn nicht in Anspruch nehmen könne. Die Option Fremdtransport scheidet schon alleine aus diesem Grund aus. Zudem haben wir uns zum Kaffeetrinken bei dem befreundeten Ehepaar angekündigt, was wir telefonisch verschieben und wollen gerne noch bis nach Frankreich weiter, wo ich für die erste Nacht ein Hotel eine Absteige gebucht habe. (Ich war noch nie in einem F1 Hotel, und wollte das einmal erleben. Der Preis von 21 Euro für drei Personen war einfach zu verlockend ...) Alles Zusammen lässt mich daran zweifeln, dass die Option "Warten auf den Pannendienst" die Situation wesentlich verbessern würde.

Der Harley Pilot ist völlig entrüstet über den fehlenden Service bei den Triumph-Händlern. Die könnten uns ruhig da wegholen. Ich knote das Seil wieder an Julians Gespann fest, und wir ziehen es eben schnell nach Mörstadt. Knappe dreissig Minuten später sind wir in der "Triumph-Welt", wo man uns bereits erwartet.

Der Mechaniker schliesst sein Pumpendruck Messgerät an. Im gleichen Augenblick läuft das Motorrad wieder und das Messgerät zeigt zufriedenstellende Werte an. Verdammt. Die beherrschen irgendeinen Voodoo hier. Zauberei vielleicht.

Um den Anschein des Wissenden zu wahren ersetzt der Triumph Mann die beiden ORinge an den CPC Anschlüssen und erklärt, ein undichter ORing müsse die Ursache gewesen sein, das habe er schon einmal an einer nach Afrika verkauften Tiger erlebt. Wir bekommen grosszügiger Weise 10 Euro berechnet und ziehen weiter.

Wir rufen bei Arno und Christa an, dass wir unsere Selbsteinladung von Kaffee und Kuchen auf Abendessen umbuchen würden, falls unser Besuch noch genehm sei und brechen nach Meisenheim auf. Die Triumph läuft ruhig und zuverlässig. Vor dem Haus unserer Meisenheimer Freunde stellt Julian das Motorrad ab. Er probiert noch Mal, aber anspringen will sie nicht mehr ...

Julian und ich versuchen an der Triumph einen Fehler zu finden, während Tina einen Kaffee schlürft. Ich stecke aus purer Ratlosigkeit die beiden CPC Anschlüsse einfach Mal um und siehe da, das Mopped springt sofort an. Zwar ist sich Julian sicher, dass das andersrum gehört, aber seit dem hat das Motorrad nicht ein einziges Mal mehr gezuckt ...
Ob der Fehler behoben ist, oder nur schmollt muss Julian dann in Ruhe zu Hause ermitteln.

Wir essen in einem nahe gelegenen Biergarten gemeinsam mit Arno und Christa zu Abend und steigen mit der Dämmerung auf die Motorräder und fahren die letzten knapp 100 km bis Merlebach in das F1 "Hotel". Gut, dass es spät und wir alle Müde sind. Für eine Nacht geht das irgendwie, auch wenn keine Freude aufkommt. Ich werde in so einem Hotel nicht mehr schlafen, da ziehe ich den Biwaksack neben dem Motorrad vor.

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Bild stark geschönt



Merlebach - La-Celle-en-Morvan, 3. August

Wir wachen auf, verlassen fluchtartig unser Nachtquartier und suchen uns eine Boulangerie, um einen Kaffee und einen Croissant zu erwerben. Tina bekommt ihr heiss geliebtes Pain Chocolat und strahlt wie üblich beim Erhalt über das ganze Gesicht. Gut so.

Heute wollen wir über Metz und das Plateau de Langres durch die Bourgogne in den Naturpark Morvan fahren, wo ich uns einen Stellplatz auf einem idyllisch gelegenen Campingplatz an einer Mündung eines Bächleins in einen Bach reserviert habe. Wir haben eine Tagesetappe von etwa 460 km vor uns und brechen zeitig auf, da wir unsere Zelte am Abend bei Tageslicht aufbauen wollen, und uns auf der Reise Zeit lassen, um in Ruhe einzukaufen, Kaffee zu trinken und rumzutrödeln.

Bis Metz ist das Wetter unerwartet kühl und immer Mal wieder fallen ein paar Tröpflein Sprühregen. Danach klart es langsam auf. Wir fahren über Pont-à-Mousson in den Nationalpark Lothringen, durch den beeindruckenden Aquädukt von Chaumont und weiter über die weichen Hügel der Bourgogne Richtung Naturpark Movan.

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Wie meistens auf dieser Tour fahre ich voraus, dann folgt Tina und Julian macht das Schlusslicht. Irgenwo überland fehlen mir Tina und Julian im Rückspiegel. Auch nach drastischer Geschwindigkeits-Reduzierung tauchen sie nicht auf. Verdammt. Ich halte an, drehe um und finde Tina etwa einen Kilometer weiter am Straßenrand parkend. Sie sagt, Julian sei seit der letzten Kuppe nicht mehr aufgetaucht. Ich bitte Tina, kurz zu warten und fahre weiter zurück. Julian steht mit einem platten Seitenwagenrad etwas weiter und ich hole erstmal Tina zu uns. Julian fährt unterdessen langsam etwa 300 Meter zu einer "Haltebucht" gegenüber eines einsam gelegenen Bauernhauses. Ich sehe schwarz für eine Schlauch-Reparatur. Die Sonne brennt, kein Schatten weit und breit.

Wir stellen schnell fest, dass uns eine dünnwandige 33er Nuss fehlt, um die Zentralmutter des Seitenwagenrades zu lösen. Ich kann die tief in der Radnabe sitzende Mutter zwar mit meiner Knipex-Verstellzange anfassen, aber richtig ansetzen, um ausreichend Kraft aus zu üben kann man an dieser Stelle nur mit einem Steckschlüssel. Verdammt. Nach kurzer Beratung klopfen Tina und ich höflich bei dem Hofgut auf der anderen Straßenseite an, schliesslich ist nicht ausgeschlossen, dass wir einmal Glück haben. Madame ist zu Hause und bittet uns, nachdem ich mein Begehr vorgetragen habe, in die Werkstatt. Ist doch klar, dass am einzigen Haus weit und breit in the Middle-Of-Nowhere-Bourgogne ein LKW Radkreuz mit einem 33er Schlüsselende rumsteht, oder? Ich hab sowas in meiner Werkstatt jedenfalls nicht ...
Wir bitten Madame darum, dass Tina im Schatten sitzen bleiben darf. Sie bekommt Wasser und ein paar Kekse aus unserem Vorrat, und wir bauen das Rad ab.

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Julian begleitet mich auf Tinas BMW, ich binde sein Seitenwagenrad auf meinen Seitenwagen und wir fahren sieben Kilometer zurück nach Chateauvillain, einen verschlafenen 1600-Seelen-Ort, in dem es eine Werkstatt mit Reifenservice geben soll, von der niemand weiss, ob sie offen hat, es ist ja schliesslich Anfang August. Wir haben Glück, die Werkstatt hat geöffnet. Als der Schlauch das Tageslicht erblickt ist schnell klar, dass der nicht zu flicken geht.

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Eine rechte Ursache für diese finale Zerstörung finden wir nicht, ausser einem gelösten Gewebefaden von der inneren Karkasse des, vor der Reise frisch montierten, Chinareifens. Kann das die Ursache für den geplatzten Schlauch sein?

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Der hilfsbereite Werkstattbesitzer, der halt eine Autowerkstatt betreibt, findet einen einzigen gebrauchten Motorradschlauch, zwar in 17 Zoll, was vielleicht noch gegangen wäre, aber bereits mit einigen geflickten und mindestens einem ungeflickten Loch versehen. Er telefoniert mit einem Motorradladen im etwa 25 km entfernten Chaumont. Dort liegt ein 3.50 X 18 Schlauch. Nix wie hin.
Der Schlauch wird geholt, das Rad repariert, und etwa eineinhalb Stunden nach Beginn der Panne geht es weiter Richtung Morvan. Aufgrund der Tatsache, dass wir Zeit verloren haben, wählen wir etwas größere Straßen, um flotter voran zu kommen.

Gegen 18:30 Uhr treffen wir auf dem Campingplatz "Les Deux Rivières" in La-Celle-en-Morvan ein. Wir werden erwartet und finden einen großzügigen Stellplatz direkt am Bach inmitten einer Niederländischen Urlauberkolonie mit zahlreichen Kindern, für die unsere Motorräder die Attraktion des Abends sind. Ein leckeres Abendessen mit Patè en Croute, Sauccisson Sec, Tomme des Pyrenees und frischem Baguette am Bächlein wartet auf uns. Life is good ...

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La-Celle-en-Morvan - Saint-Antonin-Noble-Val, 4. August

Heute soll es, westlich an Vichy und Clermont-Ferrand durch die Auvergne gehen, dann über Aurillac und Figeac ins Noble-Val, den westlichsten Punkt der geplanten Reise. Die Tagesetappe ist knappe 500 km lang und ich weiss genau, dass ich auf der hübschen aber spartanischen Sitzbank von Lukas etwa 300 bis 350 Kilometer gut aushalte. Julian würde eh lieber Autobahn fahren.

Autschn.
Selbstgewähltes Schicksal und First-World-Problems.

Der Tag gestaltet sich ereignislos, wenngleich lang. Wir erreichen noch bei Tageslicht, dank einiger ausdauernder Pausen bei brüllheissem Wetter unser Nachtquartier, einen einsam gelegenen Bauernhof im Noble Val. Paradiesisch ruhig und von einem äusserst freundlichen, dennoch gewinnorientierten Gastgeber betrieben. Seine Lebensmittelqualitäten und -preise passen nicht in das ansonsten rundum stimmige Idyll.

Unser erster Reisetag ohne jegliche Panne und jeglichen Ausfall! Yeah! das begiessen wir Abends ausführlich!

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Fortsetzung folgt
Zuletzt geändert von fleisspelz am Do 24 Aug, 2017 15:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon Thomas Heyl » Do 24 Aug, 2017 13:04

Hi Justus!
das begiessen wir Abends ausführlich!

Jetze darfstes ja zugeben :grin: ...

Cheers, Langer
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon hiha » Do 24 Aug, 2017 13:36

He, Langer. Mach Kopp zu! Sonst hol ich den Physikdoktor (aus dem Gespannforum) raus. :weg:

Hans
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon fleisspelz » Do 24 Aug, 2017 13:54

Saint-Antonin-Noble-Val - Cal Senyor, 5. August

Heute wollen wir die letzten knapp 400 km zum ersten großen Zwischenziel in Angriff nehmen. Wir fahren über Gaillac, Lautrec und Castres nach Carcassonne, dann weiter über Limoux nach Saint-Paul-de-Fenouillet, wo ich ein Päckchen AiA Logistik vom großen Anarch aus Graz abzuliefern habe. Eine wundervolle Landschaft, ganz nach meinem Geschmack, und ich lasse mir als Highlight des Weges die Gorges de Galamus nicht entgehen. Tina hat ein wenig mit ihrer Angst vor immer wieder vorhandenem Rollsplit auf den engen Sträßchen vor den Gorges zu kämpfen, als einzige Solo-Fahrerin macht ihr Split einen größeren Knoten im Kopf als nötig. Verständlich. Erste Zeichen der Erschöpfung nach dem körperlich anstrengenden Ritt machen sich bei uns allen bemerkbar und Tina hat die geringsten Reserven.

Ich nehme mir vor, meine Tagesetappen künftig auf größere Straßen zu verlegen, oder kürzer zu gestalten.

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In Saint-Paul finden wir leider nur ein verwaistes Haus vor, darauf waren wir aber vorbereitet, da der Hausbesitzer unterwegs ist, seinem technisch havariertem Sohn zur Hilfe zu eilen. Schade eigentlich. Das Päckchen hinterlassen wir an der Haustüre und machen uns auf den Weg für die letzten knapp 150 km.

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Auf Julians Wusch wählen wir jetzt große Straßen außenrum, statt der ursprünglich von mir vorgesehenen, kleinen winkligen Gassen durch die Berge. Wir sind ja noch eine Weile da ...
Es geht also weiter nach Cases-de-Pène zum Wein kaufen, von dort nach Perpignan, wo ich auf Wunsch von Julian auf die Autobahn fahre, nur um nach etwa acht oder neun Kilometern zum Teil der Mutter aller Staus zu werden. Der Wunsch, nach gesässschonender Zeitersparnis hat uns dann eine gute Stunde gekostet. Ich weiss schon, weshalb ich Autobahnen, besonders in der touristischen Hauptsaison meide. Wir verlassen die Autobahn bei der ersten Gelegenheit und fahren über Argelès und Cerbère nach Portbou und Figueras. In Spanien ist der Sprit beinahe 20 Cent pro Liter billiger, deshalb fahren wir im katalonischen Montagut erst Mal an die letzte Tankstelle vor den eigentlichen Bergen und füllen alle Behälter kragenvoll.

An der Theke im Kassenhäuschen sitzen ein paar Leute aus der Gegend und erklären mir, es sei einfacher, ich würde zwei Ausfahrten zurück fahren, und von dort aus in die Berge. Es sollte sich herausstellen, dass diese Empfehlung unsinnig war. Die von uns gewählte Tankstelle war etwa 7 -schwierige- Kilometer von unserem Ziel entfernt. Der dann gewählte Weg war etwa drei Mal so lang und fünf Mal so schwierig. Der schlechte Tipp kam nur deshalb zu Stande, weil unser Ziel postalisch (aber nicht geographisch) zu einer weiter entfernten Gemeinde gehört.

Wir fahren noch bei Tageslicht in die Pyreneen hinein und folgen der Beschilderung nach Sales de Llierca, der Ortschaft, zu der das Grundstück unserer Freunde gehört. Die Straße wird schmal und schmäler, hat schon lange keinen Mittelstreifen mehr. Dann wird sie so eng, dass wir ohne zu rangieren an entgegenkommenden PKW nicht mehr vorbeikommen. Irgendwann hören die Hinweisschilder auf. Ich rufe Uli an, die bereits auf uns wartet. Sie beschreibt mir den Weg, ich vergesse aber leider nach - und sei es nur vermuteten - Entfernungen zu fragen.

"Ah Mist, da habt ihr die längere Strecke erwischt. Das macht aber nichts. Du fährst jetzt erstmal immer weiter Richtung L'Orri. Dann kommst du an eine merkwürdige Kreuzung mit 5 Wegen, an der ein roter Hydrant steht. Da fährst Du scharf links, also quasi 180°, und dann kommst du an einem Bauernhaus vorbei, vor dem Dein Renault Bus steht. Von da aus ist es noch ein Kilometer. Bis gleich!"

Meinen Hinweis, dass 180° quasi gradeaus ist, hört sie schon nicht mehr, so erfreut ist sie, und begierig, allen dort Anwesenden mit zu teilen, dass wir nicht mehr weit seien. Dann werden die Straßen noch schmaler und schliesslich zu ausgewaschenen Schotterwegen. Tina ist erschöpft. Das Tageslicht auch.

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Wir befinden uns zwischen Sales de Llierca und L'Orri auf einem Schotteweglein namens GIV-5236, wissen nicht, wie weit es noch ist, wie schlecht die Straße noch ist und ob wir richtig fahren. Einen Hydranten habe ich nicht finden können und ob ich hier überhaupt noch richtig bin weiss ich nicht.

Fortsetzung folgt
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon fleisspelz » Do 24 Aug, 2017 15:15

Nach zahlreichen Kilometern ausgewaschener Schotterpiste abwechselnd mit kurzen, extrem steilen Betonplatten-Kehren hält Tina an. sie ist endgültig am Ende und restlos erschöpft.

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Ich versuche Uli anzurufen, um zu ermitteln, wo wir sind. Die geht nicht an ihr Telefon. Dann versuche ich meinen alten Hamburger Freund Peter, der mit meinem Renault Bus und dem 84jährigen Vater, sowie einer Freundin von Uli unterwegs ist, weil er kein eigenes Auto hat, zu erreichen. Der Hamburger Peter hat wie eigentlich immer sein Handy aus.

Tina ist mit den Nerven am Ende und beginnt zickig zu werden. Wenn sie mal soweit ist, dann weiss ich genau, sie hat keine Reserven mehr. Ich versuche sie zu trösten, weiss aber selbst nicht genau, wo wir sind. In solchen Momenten werden aufbauende Worte schnell durchsichtig. Uli ruft zurück und bittet mich um eine Beschreibung der zurückgelegten Strecke. Sie schätzt, wir seien etwa 3 Kilometer von ihr entfernt und auf dem richtigen Weg. Im übrigen seien es bei der Kreuzung mit dem Hydranten 270° sagt sie.
"270° bedeutet rechts abbiegen."
"Naja, so scharf links halt."

Ich biete Tina an, das Motorrad abzustellen, bei Julian in den Seitenwagen zu steigen und dort mit zu fahren. Ihr Motorrad könne ich später abholen. Als sie hört, es seien nur noch etwa drei Kilometer, versucht es das tapfere Mädel doch noch Mal. Ich bin grade richtig stolz auf sie. Ich kenne einige gestandene Männer, die so weit wie sie gar nicht gekommen wären.

Nach einem guten Kilometer immer holpriger werdender Schotterpiste erreichen wir eine Art doppelter Kreuzung mit irgendwas rotem im hinteren, entfernten Teil. Ich bedeute Tina stehen zu bleiben und kurz abzuwarten.
"Was hast du vor?"
"Ich will mal schnell schauen, ob das ein Hydrant ist, da vorne."

Es ist der lang vermisste Hydrant. Tina muss jetzt einen spitzen Dreh nach links machen, etwa 30°. Mitten in der Fahrbahn ist zu allem Überfluss noch eine tiefe Entwässerungsmulde, die durchquert werden muss. Das ist der Moment, in dem Tina ihre Nerven wegwirft. Sie hat Angst, das Motorrad hinzuwerfen, schafft das Wenden nicht und beginnt hemmungslos zu schluchzen. Ich lasse mein Gespann stehen und renne zu ihr, da hat Julian die dicke BMW schon in der Hand und ich kann Tina erst Mal in den Arm nehmen und ganz fest drücken. Das Mädel tut mir grade so leid. Sie hat so sehr gekämpft, aber zwei Kilometer vor dem Ziel ging es einfach nicht mehr. Ich hätte ihr das Erfolgserlebnis, den schwierigen Weg bis zum Ziel zu schaffen, so sehr als Bestätigung gewünscht, aber vermutlich hat sie die richtige Entscheidung getroffen.

Wir stellen die BMW am Rand der Kreuzung ab, schaffen für Tina Platz im Seitenwagen bei Julian und fahren nach ein paar Trostminuten weiter.

Tina hatte völlig recht, mit ihrer Entscheidung, das Mopped stehen zu lassen. Die letzten beiden Kilometer hatten es richtig in sich. Der schmale brettharte Sitz vom Lukas versohlt mir ordentlich den Hintern und der Seitenwagenrahmen setzt an mehreren Stellen auf nacktem, schroffem Fels in der Fahrbahn auf. Meine vorderen Stoßdämpfer geben entnervt auf. Der linke spuckt sein Öl aus. Zum Glück habe ich Ersatzteile im Renault deponiert, unter Anderem ein paar passende Federbeine. Nach einem knappen Kilometer kommen wir an einer Kirche vorbei, Sant Andreu de Gitarriu.

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Ich halte an, um bei Uli nachzufragen, ob wir noch richtig sind, schliesslich hat sie eine Kirche nie erwähnt.
"Was, da seid ihr schon? Dann seid ihr ganz in der Nähe!"
Typisch Uli: einen vierzig Zentimeter hohen Hydranten erwähnt sie, eine riesige Kapelle mit eigener Namenstafel dagegen nicht. Warum auch. Schliesslich muss ich bei der nicht abbiegen ...

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Auf zu den letzten eineinhalb Kilometern. Nach dreihundert Metern sehe ich links der Straße den Bauernhof El Serradell, vor dem mein Renault parkt. Als ich daran vorbei fahre hupt Julian wild.
"There is your bus!"
"I know it Julian, we are on the right way!"
"Are you shure?"

Wiederum dreihundert Meter weiter kommt uns mein alter Freund Peter zu Fuss entgegen, der uns schon Mal vor lauter Aufregung entgegen gelaufen war. Und kurz danach laute Jubelrufe, fröhlicher Empfang und zahllose Umarmungen: wir sind da!

Wir lassen die Motorräder fallen, begrüßen bekannte und unbekannte Gesichter und sind plötzlich imitten eines Festes unter dem sternenschweren Himmel Kataloniens ...

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Nach einem Zielbier für Tina, Julian und mich (!) bauen wir unsere Zelte auf einem wunderbar dafür vorbereiteten Platz auf ...

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.. und werden dann zu einem Teil des Festes. Uli, eine Jugendfreundin von mir und ihr Lebensgefährte Peter (noch'n Peter) hatten dieses Jahr beide runde Geburtstage. Später fährt der Uli-Peter mich zu Tinas Motorrad, das ich beschwingt und freudvoll über Stock und Stein vom Hydranten nach Cal Senyor prügle. Über das "wie" habe ich beim Gatsch.Hupfa-Zuschauen ein Weniges gelernt, die Fahrfreude resultiert unter Anderem aus der Tatsache, zum ersten Mal seit Tagen auf einem bequemen Sattel zu sitzen.

Fortsetzung folgt
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon Lederclaus » Do 24 Aug, 2017 16:10

Das ist mal ein sehr gelungener Reisebericht. :popcorn:
Mehr, bitte.
Look!
Is it a Stock Broker?
Is it a Quantity Surveyor?
Is it a Church Warden?
No! It´s Bicycle Repairman!
Lederclaus
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon fleisspelz » Do 24 Aug, 2017 16:30

Cal Senyor, El Serradell und Sant Pere Pescador, 6. bis 11. August

Am morgen nach der Party bis tief in die Nacht hinein erwachen wir im Paradies.
Uli und Peter haben sich nach einer kleinen Erbschaft und der Auflösung von Ulis Harburger Hebammenpraxis einen gemeinsam gehegten Traum erfüllt und die Ruine eines seit 100 Jahren verfallenden Bauernhofes in den katalanischen Pyräneen gekauft, die sie gemeinsam wieder aufbauen wollen. Dazu gehören 28 Hektar Land, weil in diesem Naturschutzgebiet kleinere Grundstücke als 25 Hektar nicht veräussert werden dürfen, um die Zersiedlung zu verhindern. Es gelten die strengen Auflagen eines staatlichen Naturschutzgebietes und die pennible katalanische Denkmalbehörde hat einen gewichtigen Finger auf der Angelegenheit. Uli und Peter sind jetzt gerade so weit, alle Genehmigungen und Dokumente zusammen zu haben und sich eine provisorische Heimstatt errichtet, sowie ein Geländekonzept erarbeitet zu haben.

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Wir haben eine phantastische Fernsicht über das Fluviá Tal bis weit hinter Olot und die malerische Mittelalterstadt Besalú. Es ist heiss und unglaublich still. Jeden Tag kommen an der, von der Straße nicht sichtbaren, Ruine etwa zwei bis drei Autos vorbei, die man lange vorher und danach noch hört. Die lautesten Geräusche stammen von Grillen, Vögeln und manchmal vom Wind. Es ist heiss, alle suchen fortwährend den Schatten. Unsere Zelte sind dankenswerterweise den ganzen Tag beschattet, so dass wir morgens lang schlafen.

Da wir den zum Einkauf benötigten Wagen von Uli-Peter heute nacht zugeparkt haben, bittet der uns, unsere Motorräder weiter oben in der steilen Zufahrt zum Haus zu parken.
"Klar, gerne. Wie weit soll ich hochfahren?"
"Guck halt Mal, wie weit Du es schaffst."

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Ich geh mich duschen ...

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... Tina geht schaukeln.

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Später stelle ich fest, dass ich die Hängematte noch Mal höher hängen muss.

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Wir faulenzen und essen, um daraufhin zu faulenzen, oder zu essen. Abends trinken wir was, und essen was und dann faulenzen wir ...

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Ab und zu kaufen wir was ein.
In Olot ...

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... oder in Figueras ...

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... oder dann wieder in Olot.

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Wir gehen Mal duschen im El Serradell, wo sich der Hamburg Peter, Ulis und Hamburg-Peters Sohn Jakob, Ulis Vater Horst und Ulis Freundin und Hebammenkollegin Betty eingemietet haben.

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Die Hitze ist teilweise nur mit drastischen Maßnahmen zu ertragen ...

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... weshalb wir beschliessen, mal zum Abkühlen nach Sant Pere Pescador ans Meer zu fahren.

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"Wo seid ihr denn plötzlich alle? Komisch wieso ist denn hier keiner mehr?"

Am Abend waren wir in Montagut zum Essen. Das war klasse! Der Kellner trug sogar ne Fliege ...

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In Figueras konnte ich im Supermarkt einen Tintenfisch erbeuten. Den gab es dann mit einem Tomatensalat aus Tomaten, die nach Tomate schmecken Tags drauf zu essen ...

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Jeden Abend gab es dramatische Himmel zu bestaunen ...

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... und zahlreiches Getier zu beobachten. Geier im Flug, winzige Eidechsen, allerlei Fluggetier, maikäfergroße Wespen, einen Hirsch, einige schwarzfellige Wildschweine und eine ochsenfroschgroße Kröte

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In zweien der Nächte (und an den Abenden) hat es sintflutartig geregnet. Wir sind ins Bauernhaus ausgewichen, weil es kein trockenes Plätzchen mehr gab an der Ruine. Morgens, sobald die Sonne aufging, konnten wir dann wunderbare Wolkenspiele im Tal beobachten und der Wäsche beim Trocknen zusehen.

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Wir lebten wie im Paradies haben ausgespannt, gelacht, gesungen, rumphilosophiert, geblödelt, der Stille gelauscht und beschwerdefrei geschlafen. Ich hatte weder Atemnot noch Allergieprobleme und irgendwie waren alle Schmerzen verflogen. Paradiesisch eben ...


Fortsetzung folgt
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon Dreckbratze » Do 24 Aug, 2017 16:33

aber absolut! :smt023 du hast aber auch ziemlich engagierte tagesetappen geplant!
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon kahlgryndiger » Do 24 Aug, 2017 16:37

Ein Traum :smt023
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon Thomas Heyl » Do 24 Aug, 2017 17:09

:smt023 , Justus!

Bei Deinem feinen Bericht werden viele Erinnerungen an vergleichbare Erlebnisse wach - wunderbar! Und danke, auch für die schönen Fotos!

Cheers, Langer
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon fleisspelz » Do 24 Aug, 2017 17:49

An einem der Tage, an denen ich Lust hatte, etwas zu tun, richtete ich mir eine kleine Werkstatt am Cal Senyor ein, kontrollierte das Ventilspiel an beiden BMWs, füllte an der grünen etwas Öl nach, am Gespann war das nicht nötig, baute andere Federbeine in die Vorderradgabel vom Lukas und versetzte die rechte Fußraste bei Tinas BMW nach weiter unten, damit die Bremse besser bedienbar wird. Ich bearbeitete die Navihalterung vom Lukas, deren rechter federbelasteter Kontakt-Druckstift sich als ziemlich zickig erweist und schau hier und da nach dem Rechten. Ich bin mit den Motorrädern ziemlich zufrieden. Beide machen Spass.
Gedanklich lässt mich das Konzept eines wahlweisen und für schnelle Abkopplung des Seitenwagens optimierten Gespannes aber nicht mehr los. Mit dem Gepäck im Seitenwagen in den Urlaub, und dann mit der wendigen Solo vor Ort kleine Touren, ich glaube das könnte mir viel Freude machen.

Am Abend vor unserer Abreise hatte ich Tinas BMW schon Mal ins Tal gefahren und geparkt. Sie hatte wegen der katastrophalen Anfahrt einen Knoten im Kopf bezüglich der steilen Schotterpiste ins Tal, und da ich mittlerweile gerne Schotterwege fahre, auch mit so schweren Eimern wie der BMW, und Motorradfahren keine Strafe für Tina sein soll, hielt ich das für eine gute Lösung. Ich hatte mich mit Uli, die eh mit meinem Renault im Tal zum Einkaufen war, verabredet, dass sie mich am Rückweg wieder nach oben mitnimmt.

Anschliessend hatten wir unsere Zelte gerade noch knapp im Trockenen abgebaut, bevor der monsunartige Regen einsetzte, und hatten Nachts in mittlerweile leerstehenden "Gästezelten von Uli geschlafen.


Cal Senyor - Sait-Paul-De-Fenouillet - Étang de Leucate, 11. August


Morgens können wir halbwegs zeitig aufbrechen, da wir nur noch Kaffe kochen und uns verabschieden müssen. Wir wollen heute über kleine verwinkelte Pyräneen-Sträßchen nach Saint-Paul-de-Fenouillet, um den Lallemang (schon wieder ein Peter) wenigstens noch Mal zu sehen, wenn wir quasi vor seiner Haustür unterwegs sind. Danach soll es weiter Richtung Aix-en-Provence gehen, über große Routes Nationales. Autobahnen lehne ich nach der letzten Erfahrung ab. Irgendwo zwischen Perpignan und Camargue werden wir uns einen Campingplatz für die Nacht suchen, kurz bevor es dämmert.

Wir wählen eine malerische Route durch die Alta Garrotxa und dann am Pic du Cannigou entlang, über den Stausee von Carmany nach Saint-Paul. Das ist eine Strecke von etwas über 200 km auf asphaltierten kleinen Strässchen. Das klingt nach nicht viel, hat es aber in sich. Es gibt heute heftige Kreuzwinde und auf den engen, kurvigen Straßen ist man mit einem Schnitt von 30 km/h schon flott unterwegs.

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Am späten Nachmittag kommen wir in Saint-Paul-de-Fenouillet an und gehen am Marktplatz zum Abendessen. Julian möchte seine Kettenspannung korrigieren und bekommt umgehende Hilfe von einem Einheimischen.

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Der versucht zunächst die Presse von Papparazzifotos ab zu halten ...

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... entpuppt sich aber dann doch mit seinem bezaubernden Lächeln als freundlicher Geselle, ...

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... so dass wir ihn zum Abendessen einladen ...

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... das wir vorsorglich, um jedwedem Protest zuvor zu kommen heimlich bezahlen.

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Nach dem Essen fahren wir noch bis zu einem nichtssagenden Touristencampingplatz am Étang de Leucate. An der Pforte sagt man mir, es seien keine Plätze mehr frei. Aus dem Back-Office interveniert die Mutter der auskunftgebenden jungen Dame, da seien doch heute ein paar Niederländer abgereist. Ich bekomme daraufhin für einen etwas erhöhten Preis die letzte freie Parzelle des Platzes für die Nacht, wo wir rechtzeitig zur Dämmerung unsere Zelte aufgebaut haben und ein Zielbier in der unverschämt teuren Campingplatzbar trinken. Auf den Toiletten gibt es kein Klopapier, das muss man selbst dabei haben, woraufhin ich Tina mit einer Packung Tempos und ein paar Feuchttüchern aus meinem Tankrucksack ausstatte. Dann gehen wir an zirka 20 bis 30 "letzten freien Plätzen" zurück zu unseren Zelten und schlafen ruhig und friedlich. Naja friedlich. An Ruhe ist mit Route Nationale, daneben führender Autobahn und Eisenbahntrasse sowie einem immer wieder aufflammenden Ehedrama im benachbarten Wohnwagen nicht zu denken. Wir sind von der Stille am Cal Senyor verwöhnt, aber auch entspannt genug, das mit einem Lächeln zu ertragen und mit einer Randbemerkung beim Frühstück abzutun.

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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon Dreckbratze » Do 24 Aug, 2017 17:57

vielleicht solltest du einen schwenker in deine zukunftsplanung einbeziehen?
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon fleisspelz » Do 24 Aug, 2017 17:58

Nö. Schwenker habe ich mal ausprobiert, das mag ich garnicht ...
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon Dreckbratze » Do 24 Aug, 2017 18:04

ich dachte nur wegen dem schnellen an- und abbau des sw. ausserdem hat man sich dann am urlaubsort nicht schon die reifen eckig gefahren. :wink:
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Re: "Tour des Pannes 2017" oder "Die gelben Engel sind fort"

Beitragvon lallemang » Do 24 Aug, 2017 18:22

Irgendwie find ich mich ohne Brille schöner. :roll:
Liegt aber wohl dran, da§ ich dann nixs mehr seh' :omg:
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