Wir sitzen noch ein kleines Weilchen im Schatten einiger kleinen Bäume und beratschlagen, wie es weiter gehen soll. Am sinnvollsten fänden wir, wenn entweder der Abschlepper jemanden kennen würde, bei dem wir einen Schlauch, gegebenenfalls auch einen Reifen erwerben können, da wir nach dem Platten auf der Anreise bei Chaumont den Reifen im Verdacht haben, ein Schlauchkiller zu sein. Plan B wäre, er würde das Motorrad zu unserem Campingplatz bringen, dort würden wir uns schon irgendwie selbst helfen können. Wahrscheinlich wäre es jedenfalls, dass die "eine Stunde" eher ein Richtwert sei, und wir uns darauf einstellen sollten, länger auf den Abschlepper warten zu müssen.
Nach 55 Minuten fährt ein Pannenhilfefahrzeug vor. Whow! Wir sind begeistert.
Das Motorrad ist ruck zuck verladen, und wir fahren gemeinsam in das 24km entfernte Moustiers-Sainte-Marie zum Stützpunkt der "Renault Garage Honorat". Julian und Tina im Schandkarren, die Triumph am Pranger hinten drauf und ich mit dem Lukas hinterher. Die Solo-BMW bleibt erst Mal in La Palud. Unterwegs telefoniert Tina mehrfach mit dem ADAC.
Ich denke mir, als Hinterhergefahrener bei der Ankunft in Moustiers-Sainte-Marie:
"Prima, das ist ja super, ein Renault Autohaus mit Tankstelle und Reifendienst, hier sind wir genau richtig!"
Da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Monsieur Honorat persönlich war unser Schandkarrenpilot und hatte dem ADAC bereits während diverser Gespräche am Telefon erklärt, er könne den Platten nicht reparieren. Er könne das Gespann, wegen des morgigen Feiertages erst übermorgen in das 55 km entfernte Manosque schleppen, zu einer Garage in der der Platten repariert werden könne. Ich versteh die Welt nicht mehr.
Tina befragt erneut den ADAC
"Und wie komme ich von hier, wo das Gespann jetzt steht heute Abend zu meinem Campingplatz, und dann am Mittwoch nach Manosque?"
"Mit einem Taxi. Wir übernehmen Taxikosten bis 50 €"
"Mit 50 Euro komme ich nicht von Moustiers-Sainte-Marie nach Puyloubier, das sind 83 km, und dann von dort nach Manosque zur Abholung noch einmal weitere 56 km."
"Wir übernehmen ihre Taxikosten bis 50 €."
"OK, aber wir können die Kosten für alle Beteiligten doch erheblich senken, wenn das Motorrad und ich heute 83 km nach Puyloubier transportiert werden, statt übermorgen 55 km nach Manosque und noch zwei Taxifahrten dazu kommen."
"Abschleppkosten übernehmen wir bis 300 €, fragen Sie nach, wieviel das kosten wird."
Monsieur Honorat hat mehr interesse, Geld für Transporte zu verdienen, als einen Schlauch zu beschaffen. Ich bin mir sicher, er hätte das als
ausgewiesener Reifendienst gekonnt. Die Gewinnspanne wäre halt geringer ausgefallen. Er errechnet Gesamtkosten in Höhe von 562 € für den Transport des Motorrades nebst Tina zu unserem Campingplatz.
Der ADAC gibt die Auskunft, wenn wir die 262 € Differenz zwischen den geforderten 562 € und den bewilligten 300 € selbst begleichen würden, wären sie damit einverstanden. Tina fragt nach der Alternative.
"Dann organisieren wir die Reparatur des Motorrades, und sie fahren mit dem Taxi zu Ihrem Campingplatz."
"Und sie übernehmen 50 € der Taxikosten?"
"Genau." sagt die Hotlinerin des ADAC France
"Organisieren sie die Reparatur des Motorrades, wir organisieren uns" geben wir zur Antwort und laden Julians Gespann in Moustiers-Sainte-Marie auf dem Hof der Renault Garage Honorat ab.
Ich bringe Tina zu einem Restaurant im Ortskern, wo sie auf uns warten soll. Dann fahre ich mit Julian Richtung La Palud, um die Solo-BMW ab zu holen, die dort ja immer noch steht. Auf dem Weg kann ich es mir nicht verkneifen, an dem schönsten Aussichtspunkt zu halten, auf den ich mich den ganzen Tag schon gefreut hatte: die Stelle auf der Route de Castellane, an der man steil den Berg hinunter auf die Pont du Galetas sieht, wo der Verdon in den Lac de Sainte-Croix mündet.
Schade, dass jetzt die Sonne schon so tief steht, dass man die prächtigen Farben im Gegenlicht nicht mehr erkennen kann, aber irgendwas ist ja immer. In La Palud steigt Julian auf die Solo-BMW und wir fahren zurück nach Moustiers-Sainte-Marie, wo wir zu Abend essen. Gegen zehn steigen wir auf die Motorräder, um bei Dunkelheit nach Puyloubier zurück zu fahren. Es wird frisch, bis runter auf 13°C. Darauf bin ich Bekleidungshinsichtlich nicht vorbereitet. Ich war auf die bis zu 36°C des Tages eingestellt, und auf eine Rückkehr lange vor der Abenddämmerung. Zwischen Riez und Allemagne-en-Provence kommen wir durch ein etwa 10 Kilometer langes Waldstück in dem es durchgehend wunderbar nach Kräutern und irgendwie honigähnlich süß duftet, wie ich es noch nie erlebt habe. Die Welt ist ein Wunder.
Als wir in Puyloubier auf dem Campingplatz ankommen habe ich noch fünf Minuten Geburtstag.
Fortsetzung folgt