Je älter ich werde, desto knapper wird mir die Zeit.
Alters- und unfallbedingt nehmen die ganz alltäglichen Dinge zunehmend mehr Zeit in Anspruch. Mal nebenbei einen Korb Wäsche wegbügeln oder beim Kochen mit der Freundin quatschen geht mit meiner lädierten Hand nicht mehr. Ich muss mich ständig voll konzentrieren, weil meine rechte Hand nicht mehr weiß, was die linke tut. Wenn mich beim Zwiebeln schneiden Jemand anspricht, fließt Blut. Wenn ich beim Bügeln nicht voll konzentriert hinschaue, bügel ich mir selbst über die Pfote. Und das geht ja den ganzen Tag im Beruf auch so. Ich habe große Mühe, einen Satz fehlerfrei zu tippen. Ich habe mal mitgezählt und bis zum letzten Punkt 11 Mal korrigieren müssen- und ich arbeite den ganzen Tag an der Tastatur!
Das stresst enorm und ich krieche abends auf dem Zahnfleisch nach Hause. Dazu kommt, dass ich kaum Kraft in der Hand habe und sehr wenig Gefühl.
In Kobarid ist mir die Niete vom Riemen aus dem Tankrucksack gerissen. Früher hätte ich das mit Auspacken des Tankrucksacks und Werkzeug aus- und einpacken in einer Viertelstunde erledigt. Ich habe über eine Stunde rumgemurkst und bekam die blöde Niete nicht raus. Ich habe versucht, sie mit dem Messer durchzusäbeln, mit dem Schraubenzieher durchzumeißel und habe mir dabei feste mit dem Schraubenschlüssel auf die Hand gehauen. Tut jetzt noch weh. Als ein tschechischer Motorradfahrer vorbeikam und freundlich grüsste, habe ich ihm den Riemen und meine Kneifzange in die Hand gedrückt und er hat die Niete in einer Sekunde durchgekniffen.
Und genau da liegt für mich die Lösung: Lernen, Dinge abzugeben
Vielleicht könnte ich den XT-Vergaser selbst renovieren, aber es würde mich mangels Kenntnissen und Handgeschick Wochen kosten. Vielleicht würde ich etwas kaputtreparieren, was dann auch noch richtig Geld kostet. Helmut kann das und ich bin froh, dass er es für mich macht. DANKE.
Früher wäre ich lieber gestorben, als mir helfen zu lassen. Alles musste ich selbst machen und auch noch möglichst perfekt. Wenn heute mein Unfall-Fuß schmerzt, tritt halt Stefan die XT an. Früher wäre ich vor Scham im Boden versunken. Heute sage ich mir: Ich trete die Zicke seit 20 Jahren an und weis, dass ich es kann. Ich muss es Niemandem mehr beweisen.
Dieser Lernprozess tut, zumindest mir, weh.
Jeder hat im Alltag eine Menge Pflichten, denen er sich nicht entziehen kann oder will- und die Zeit kosten. Da muß man Prioritäten setzen
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Am schönsten ist es natürlich, wenn die Menschen, die wichtig sind, die Begeisterung fürs Motorradfahren und Schrauben teilen. Am Sölk habe ich da ein paar sehr hoffnungsvolle Nachwuchs-Talente gesehen
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Viele Zeitfresser lassen sich durch Organisation und Ordnung bezwingen
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Kreppband, Plastiktüten und Edding sind meine Freunde. Ich versuche, mir anzugewöhnen, jedes Teil zu beschriften und Werkzeug an seinen Platz zu räumen. Das ist eine Frage der Disziplin
. Warum habe ich Depp damals die blöden Kabel für den Router nicht gleich beschriftet? Es hätte mir nervige Telefonate mit der Telekom erspart. Die Minute Zeit habe ich mir damals nicht genommen und jetzt hat es mich Stunden gekostet
Stefan wirft Nichts weg. Ewig haben wir den Kupferwurm im Rücklicht der Schwalbe gesucht, bis wir gemerkt haben, dass in dem Kästchen mit den Glühbirnen auch ein paar kaputte waren
Wenn wir beide ordentlicher und disziplinierter wären, hätten wir viel weniger Stress und viel mehr Zeit.
Entweder bezwingen wir das Chaos, oder es bezwingt uns.
Wenn wir die Zeit, die wir schon mit Suchen vertrödelt haben, auf einen Schlag zurück bekämen, könnten wir damit ein paar Monate mit den Motorrädern auf Reisen gehen, oder endlich Stefans GS reparieren, oder die zweite kleine SR 250 zusammenbauen