Tech-Frage Schraubverbindung

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Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon S&T » Mi 16 Okt, 2019 13:32

Jetzt sind mal fachwissende Spezialisten gefragt, "good engineering judgement" und natürlich auch das unvermeidliche "haben wir schon immer so gemacht" ist erlaubt... :-D

Ich bin ja nur kleiner Anwender, kein auslegender, berechnender und erprobender Inschenör, so dass mir da sicher der fachtheoretische Unterbau fehlt. Ich kenn ja aber Leute, die ich fragen kann...
Ausserdem heißt mein Zeichenprogramm "ms paint", fürs sinngemäße Erfassen sollts aber reichen.

Ausgangslage: Bauteil "schwarz" mit Innengewinde, Bauteil "lila" mit Durchgangsbohrung, Schraube "grün" von lila nach schwarz, tabellenmäßiges Anzugsmoment, Vorspannung der Schraube , Flächenpressung, hält, soweit, so gut.
Absicherung gegen Scher-/Quer-/Biegelasten mal aussen vor.

Bild

Jetzt verwenden wir im gleichen Setup eine längere, aber immernoch grüne Schraube und montieren auf die nach links überstehende Gewindelänge ein weiteres Teil mit Durchgangsbohrung, hier grau, und eine (blaue) Mutter, ebenfalls korrekt angezogen.

Bild


Jetzt wirds spannend...

A) "Sieht scheiße aus, kann also nicht halten, ausserdem macht man nix, was scheiße aussieht"

B) funktioniert uneingeschränkt

C) funktioniert nicht, weil die beidseitig eingebrachte Vorspannung die Hemmung im Gewinde aufhebt und das ganze wie eine Durchgangsschraube wirkt. Zu viele Trennfugen, zu viel Setzung, Vorspannungsverlust

D) funktioniert unter der Voraussetzung, dass für Schraubenkopf- und Mutternseite die material- und gewindesteigungsabhängige Einschraubtiefe "x mal Durchmesser" gegeben ist

E) Krautsalat


Ich selbst schwanke zwischen A und D, vom Kollegen kam B, mein Elektronikingenieur votierte für E...

(ja, es wird bald Winter...)

ach so, ganz nette Zusammenfassung aus der Schwyz: http://n.ethz.ch/~webemarc/download/4.%20semester/Dimensionieren%20II/Vorlesungsfolien/schrauben_B.pdf
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon 005rs » Mi 16 Okt, 2019 14:10

Hallo Marc,
welche Kräfte und/oder Momente wirken an den Platten :idea: ?
Gruß Pit.
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon motorang » Mi 16 Okt, 2019 14:26

B, wenn man nur die Schraube und ihre Neigung aufzugehen betrachtet. Die Vorspannung erzeugt (ist) eine Zugkraft im Bolzen. Du könntest die auch durch andere Mittel als ein Gewinde erzeugen, beispielsweise durch Exzenterscheiben, Keile, ...
Der einen Seite ist es also egal ob auf der anderen Seite ein Schraubenkopf oder eine Mutter oder ein Gewinde in einem Bauteil ist, solange die Zugkraft im Bolzen gegen die Mutter gleich ist.

Ob es sich störend setzen kann (und damit die Vorspannung und die Gewindehemmung nachlassen) hängt eher von der Härte der Materialien, von der Dimensionierung des Schraubenkopfes/Unterlagscheibe und von der Belastung (dynamisch/statisch) und anderen Sachen wie starken Temperaturschwankungen oder Materialien mit unterschiedlichen Temperaturkoeffizienten ab. Also vom Anwendungsfall, den Du außen vor lassen möchtest.

Wenn Du (aus der Praxis) eine Gepäckträgerstrebe zwischen Rahmen und Fußraste anschrauben möchtest: ja das hält. Ordentlich dimensioniert, mit runden nicht zu großen Löchern und auf Drehmoment angezogen, Schraubenkopf und Mutter parallel zur Unterlage (kein Winkelfehler) > egal in welcher Reihenfolge.

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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon dirk » Mi 16 Okt, 2019 15:02

motorang hat geschrieben:Wenn Du (aus der Praxis) eine Gepäckträgerstrebe zwischen Rahmen und Fußraste anschrauben möchtest: ja das hält. Ordentlich dimensioniert, mit runden nicht zu großen Löchern und auf Drehmoment angezogen, Schraubenkopf und Mutter parallel zur Unterlage (kein Winkelfehler) > egal in welcher Reihenfolge.

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Ich verstehe es so, dass das Gewinde im Schwarzen Teil bestehen bleibt. Lediglich die Schraube wird verlängert, um hinten die Möglichkeit zu haben, ein weiteres Bauteil anzubringen.

Technisch wäre es ähnlich einer Sicherung durch Kontermutter. Vielleicht?
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon Rei97 » Mi 16 Okt, 2019 15:36

Also:
Welche Materialien werden verschraubt, Schrauben und Mutternqualität welche Schlüsselweite, Gewinde- Durchmesser und Steigung, Anzugsmomente. Kräfte in der Verbindung, Verlustsicherung? Ein Bild vom Anwendungsfall wäre hilfreich, die Skizzen leider nicht. Weiterhin die Frage nach den Folgen eines Versagens (Gefahr für Leib und Leben oder Komfortverlust).
Schraubenauslegung ist leider mannigfaltig und bei Kenntnis der genannten Randbedingungen machbar. Hier muss ich auf Marks Randbedingungen warten, ehe ich mich äussere.
Regards
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon Lederclaus » Mi 16 Okt, 2019 16:16

dirk hat geschrieben:Ich verstehe es so, dass das Gewinde im Schwarzen Teil bestehen bleibt. Lediglich die Schraube wird verlängert, um hinten die Möglichkeit zu haben, ein weiteres Bauteil anzubringen.


So verstehe ich das auch. Mir kommt es auch auf die Auslegung, die dynamische oder statische Belastung an. Bei verhältnismäßig großzügiger Auslegung kann das schon halten. Ich kenne einige Anwendungen, wo statt der Schraube ein Gewindestift bzw eine Stiftschraube in das schwarze Teil eingeschraubt wird und auf den beiden Außenseiten je eine Mutter. Geht auch. Wäre nicht meine bevorzugte Art, sowas zu lösen, aber wenn es nicht anders geht , oder die Belastung nicht hoch ist, warum nicht? Es sollte eventuell gewährleistet sein, daß das Gewinde im schwarzen Teil so tief ist, daß die vorgeschriebene Gewindelänge pro Seite (also in dem Fall die Hälfte der Materialstärke des schwarzen Teils) für das Anzugsmoment in Bezug auf den Werkstoff eingehaltenwird.
Geht das alles eh in Richtung unterdimensioniert, wäre ich vorsichtig.
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon KNEPTA » Mi 16 Okt, 2019 18:37

Wenn es nicht stört, daß das neue Bauteil das Gewinde der Schraube trägt würd ich das so machen. Kann nur sein, daß das Gewinde im schwarzen Teil bei einer Wiederzerlegung durchs vernudelte Gewinde im neuen Teil beleidigt wird.
Meine Frage, warum nicht gleich eine Schraube durchstecken und eine Mutter drauf ?
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon S&T » Mi 16 Okt, 2019 19:21

wuah... Wellen und Wogen...

Danke für das breit gefächerte Feedback. Es gibt da aktuell keinen akuten Anwendungsfall, eher ein paar grundsätzliche Vorüberlegungen.
insofern wäre es wohl sinnig gleiches Material und maximale Vorspannung anzunehmen.
Dass eine konkrete Schraubverbindung im Einzelfall anhand der Randbedingungen auszulegen wäre ist klar, für die Einsicht bin ich nah genug dran.
Es hat sich hier tatsächlich die oben angeschnittenen Diskussion ereignet und mich interessiert halt, wie ihr das seht.

Beim genannten Beispiel "Gepäckträger" würd ich da auch sicher keinen Anlass zu einer Volksbefragung sehen und einfach machen, wenn
die räumlichen Gegebenheiten das so anbieten.

Wollte man aber tatsächlich auf der Kopfseite und auf dem "langen Ende" mit Mutter jeweils an die maximale Vorspannung gehen stellt sich m.E.
schon die Frage, ob das im (schwarzen) Gewinde nicht zu einer Entlastung und damit einem Vorspannungsverlust auf der Schraubenkopfseite führt.
Deshalb der Gedanke mit der quasi "doppelten" Gewindetiefe, einmal für rechts, einmal für links...

Der imaginierte Vorteil gegenüber der Lösung "alles auf eine Seite" wäre IMHO, dass es zweimal zwei Trennfugen gibt statt einmal drei, also
tendenziell geringeres Setzen.

Oder im Falle idealer Toleranzen am Ende doch kein Unterschied, weil das Gewinde im Schwarzen quasi wirkungslos wird und nur Mutter und
Schraubenkopf wirken..? Dann wäre "Gewinde ausbohren und größerer Schraubendurchmesser" wohl der Pfad der Tugend, ausreichend Fleisch
angenommen...

Die Sache mit dem vernudelten Gewinde wär im wahren Leben freilich ein Kandidat für Unbill...
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon lallemang » Mi 16 Okt, 2019 22:10

Für die Schraube ist da immer die selbe Richtung. Zug halt.

Bei einseitiger Verschraubung erster Fall und idealer Einschraubtiefe fällt die Zugspannung der Schraube im Gewinde
von rechts nach links auf null ab.
Wâre jetzt nur die zweite Verschraubung, wär's das selbe nur von links nach rechts.
Diese beiden "Spannungsdreiecke" überlagern sich wunderhybsch zu einer durchgehenden konstanten Zugspannung,
die genau der jeweiligen Zugspannung im belasteten Schaft der beiden Einzelfälle entspricht.
Die vom Gewinde im Mittelteil aufzunehmenden Kräfte gehen dabei auf null und die drei Teile werden von einer Schraube
zusammengedrückt. Das Gewinde im Mittelteil ist jetzt eigendlich überflüssig, aber halt wohl für die Montage schön.
Wherever You Go There You Are :gruebel:
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon Boscho » Mi 16 Okt, 2019 23:02

Ich teile Peters Ansicht, wenn auch aus deutlich leyen-hafterer Position, weshalb ich es nicht halb so schön hätte formulieren können und es daher ganz gelassen habe. Aber recht hat er glaub trotzdem.
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Re: Tech-Frage Schraubverbindung

Beitragvon motorang » Do 17 Okt, 2019 04:21

So war es gemeint. Im mittleren Gewinde ist die Hemmung egal, weil das eh nicht weg kann. Halten tut es durch die Flächenpressung.
Gegen Aufgehen brauchst Du die Gewindehemmung in den beiden außenliegenden Gewinden, egal ob das jetzt eine Mutter oder ein Bauteil ist. Und die sind nach Aufschrauben eines zusätzlichen Bauteils immer noch da.

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