Nachdem ich ja seit ein paar Wochen einen Arbeitsweg von 130km zu bewältigen habe, lag der Schluss nahe, es mal mit dem Kraftrad zu versuchen. In der Dose sind es ca. 90Minuten über die mautpflichtige Autobahn und durch den mautpflichtigen Tunnel, alles Dinge, die ich mit dem Motorrad vermeiden will/muss.
Also habe ich den Wecker am Freitag auf 4:50h gestellt und bin dann ohne Frühstück um ca. 5:10 losgefahren. Temperatur ca. 5° über Null. Da es galt ca. 140 km unter Zeitdruck zu bewältigen, griff ich lieber zur XS850, obwohl meine SR die Heizgriffe und die praktischen Packtaschen hat. Vortrieb geht über Bequemlichkeit, dachte ich. Nach ein paar 100 Metern stand ich schon zum 1. Mal am Rand, weil ich nix mehr sehen konnte.
Ich Dummzehe musste ja unbedingt den Vollvisierhelm mit dem großen Kinnschutz nehmen, wo nicht zuletzt wegen der Sturmhaube unterm Kinn kein Lüftchen und schon gar keine Atem- Abluft mehr durchkann. Also habe ich zu 100% durch das Guckloch entgast und dabei meine Brille und das Visier anlaufen lassen.
Brille in die Brusttasche, habe eh nur 1 Dioptrie, Visier halb geöffnet und weiter. Übers Gaberl war es zwar stockfinster, aber die Straße durchgehend trocken, und mein Scheinwerfer überraschend effektiv. In Mooskirchen musste ich dann halten um meine Fingerchen am Motor zu wärmen. Dabei kam mir die Idee, den vor mir liegenden Fleckerlteppich aus 70er Beschränkungen und Ortsgebieten auf der Autobahn zu umgehen, also hurtig (und unbezahlterweise) rauf auf die Dosenbahn bis zur nächsten Abfahrt Lieboch. Unterwegs wollte mich noch ein Transit- Pritschenwagen auf der ersten Spur einsperren und auf einen LKW auflaufen lassen. Also zurückschalten und bis 170km/h aufziehen – danke liebe XS!
Wesentlich beschaulicher dann über Unterpremstätten – Kalsdorf –Fernitz – Vasoldsberg – Schemmerlhöhe – Nestelbach – Gleisdorf nach Pischelsdorf. Teilweise war die Sicht ganz schlecht, aber wenigstens war mir abgesehen von der Gashand nie kalt und der Aufschlag erfolgte um 07:22h.
Genug Zeit, um mich für mein Meeting um 08:00h schön zu machen.
Der Rückweg ab ca. 16:00h war dagegen ganz großes Kino! Blauer Himmel, Sonnenschein, der Tag ist ein guter! In Köflach mussten knapp 20l Sprit ins Faß und dann beim Abbiegen in den Sallagraben stand ich neben einer KTM Duke mit einem schlanken Menschen im Sportleder an der Ampel. Bis Salla habe ich ihn immer weder aus den Augen verloren um dann wieder aufzulaufen, wenn ein mehrspuriges Fahrzeug die Ideallinie blockierte. Ab der Ortschaft Salla habe ich mir dann den Fahrstil des Kollegen aus der Nähe betrachtet und festgestellt, dass die Duke ohne Laut zu sein eine Beschleunigung hinbrachte, bei der ich meinen Dreizylinder ordentlich drehen musste, um dran zu bleiben. Dabei sah ich in der Körpersprache meines Vordermannes weder Anzeichen für hektisches Schalten noch extremes Kurbeln am rechten Lenkerende. Im Formationsflug flogen wir elegant durch die Kurven der Höhe entgegen, dass es die reine Freude war. Ohne Zögern ging es ab der Passhöhe gleich wieder abwärts gen Judenburg. Nach mehreren langgezogenen Kurven kommt eine spektakuläre links-rechts Kombination, die in einer linken Haarnadel ihren Abschluss findet. Danach mit heulenden Motoren im sanften Geschlängel das wechselnde Gefälle hinunter. Irgendwie wurde die Linie des Dukeisten aber immer unrunder bis er schließlich in einer schnellen Rechtskurve weit in die Gegenverkehrsspur getragen wurde, obwohl ich sie gelangweilt an der rechten Randlinie nahm. Hatte da jemand etwas falsch verstanden? Ich würde mir doch niemals erlauben, eine Duke zu jagen, auf meiner 30 Jahre alten XS mit den Holzreifen, die schon drauf waren, als ich sie vor 7 Jahren kaufte, und in Halbschuhen, weil ich die Stiefel im Büro gelassen hatte!
Da blinkte er schon rechts und winkte mich vorbei … und ich glitt weiter über die Gaberl Bundesstraße, allein, so wie ich es auch schon morgens im Dunkeln gemacht hatte.
Tom