von fleisspelz » So 03 Feb, 2013 16:13
Ich frühstücke mit Tina und Peter und bringe Tina dann zur Mautstation hinab. Wieder oben zurück melde ich mich erst einmal offiziell an, damit ich auch da bin. Sonst wär ich vielleicht garnicht da und müsste alle meine Erlebnisse wieder löschen. Das wär ja auch blöd.... Nachdem ich bezahlt habe tratsche ich noch ein wenig am präsidialen Zelt. Plötzlich hinter mir ein Schrei:
"YEEEEEAAAAAHHHHHH! ......
I arrived....!!! YEEEEEEAAAAAAHHHH! I'm there!!!!"
Ich dreh mich um. Eine riesige weinrote Vierventil-BMW Solo steht am Eingang zum Zeltlager, obendrauf ein stämmiger Kerl, der glücklicher Weise einen Helm aufhat, der grösser als ein Braincap ist, sonst würde nämlich die obere Hälfte seines Kopfes einfach runterfallen und im Schnee festfrieren! Der Mann ist augenscheinlich so glücklich, oben angekommen zu sein, dass das freudestrahlende Lachen einmal rund um den Schädel geht. Seine Stimme überschlägt sich. Er küsst seinen Tank und ruft zu uns herüber:
"Hi I'm Lorenzo! Lorenzo from Italy! And I only fell down two times! Only two times I fell down! It's so fantastic! It's so great to be here!"
"Hi Lorenzo, nice to meet you. I'm Justus"
"Juuustus! It's so good! I only fell down two times when I came up!......"
Lorenzo kommt aus Lucca in der Toscana und ist dort mit einem ebenso Winter-unerfahrenen Kollegen losgefahren, der ein noch untauglicheres Eisen für die Winterfahrerei hat, eine bleischwere BMW K 1300 R mit 175 PS und einem 190/55 X 17 Hinterreifen. Lorenzo und sein Kollege haben sich aufmerksam alle Winterfahrer Tipps durchgelesen, nicht weiter auf die grundsätzliche Eignung des gewählten Motorrades eingehend, und haben sich vernünftig ausgestattet. Griffheizung, Handprotektoren, Helme mit Visierheizung, ordentliche Winterkleidung, das koplette Touratechpaket mit Carbon-Klopapierbehälter, Einbaukosmetiktäschchen aus Flugzeugbau-Sinteraluminium, Zündschlüssel-Vorwärmung mit Lithium Polymer Technologie und einer permanenten WLAN Anbindung des Navigationsgerätes an die Wettervorhersage, aber immerhin bei den Staudachers Schneeketten für vorne und hinten bestellt. Lorenzo und der Kollege sind bis etwa 20 Kilometer vor Judenburg gekommen, als der Kollege glimpflich und harmlos auf einer Schneewehe stürzt, ohne sich selbst zu verletzen, oder grösseren Schaden am Motorrad davon zu tragen. Der Kollege hat dann das einzig Richtige gemacht, was ein unerfahrener Mann mit untauglichem Motorrad tun kann, der es mit der Angst zu tun bekommt: er ist umgedreht und nach Hause gefahren.
Lorenzo dagegen wollte unbedigt auf den Berg. Er ist zu den Staudachers gefahren, hat die Schneeketten für sich selbst und den Freund mit der 1300er gekauft, hat in Möderbrug nochmal vollgetankt und ist den Berg raufgefahren. Und "only fell down two times, only two times!!!"
Wahrscheinlich haben die Bewohner von Lucca applaudierend Spalier gestanden, als Lorenzo wieder zu Hause ankam. Und wahrscheinlich wird ihm zu Ehren in einem Seitenschiff des Domes bei Jubelchorälen eine Statue aufgestellt werden, die Lorenzo darstellt, eine Staudacher-Kette um den Hals, die rechte Hand zum Victory Zeichen geformt und mit einem goldenen Spruchband geziert "only two times!"
Den Tag über muss der Lukas fleissig arbeiten. Marinus will zur Hütte hoch gebracht werden, weil er zum Zeltplatz rodeln will. Oben angekommen stellt er fest, dass er den Rodel vergessen hat. Also muss Marinus wieder runter und dann mit dem Rodel wieder hoch. Dann sind andere Leute aus dem Tal abzuholen, und wieder anderen fällt ein, dass sie hinab wollen. Der Motor bekommt keine Gelegenheit kalt zu werden.
Es beginnt wieder zu schneien und die Fahrbahn wird zusehend eisiger. Gegen halb vier hole ich Tina an der Mautschranke ab. Auf dem Weg nach oben begegnen mir ein paar Solotreiber. Unmittelbar in einer Rechtskurve auf dem Weg hoch, um die ich im Drift angeflogen komme steht mitten auf der Fahrbahn eine Transalp mit schicken Teppichbeinschildern. Sowohl rechts, als auch links von dem Krad ist eigentlich zu wenig Platz. Ich entscheide mich für links, weil ich nach den Erlebnissen des frühen Morgens lieber den Zylinder in die Schneewand stecke als den Seitenwagen mit Tina drin. Es geht um Haaresbreite gut und ich fluche "schicker Parkplatz". Dabei tue ich dem durchaus freundlichen Solotreiber unrecht, der zuvor das Mopped grade erst nach einem Sturz aufgestellt hatte und jetzt eine Verschnaufpause brauchte. Hätte auch mir passieren können...
Oben trinke ich mit Tina Kaffee und plaudere ein wenig. Sie zieht sich erstmal zurück und ich komme gerade recht zu meiner Streckensicherungsfahrt. Ich informiere Lorenzo über das bevorstehende Schlittenrennen. Das will er sich nicht entgehen lassen. Ich frage ihn, ob er mit mir ins Tal fahren will. Er guckt mich mit entsetzt aufgerissenen Augen an und sagt "I will only go down this hill once!"
Eine kleine Hürde ergibt sich, als ich meine Streckensicherungsfahrt antreten will. Der Lukas muss irgendwie auf die andere Seite der Absperrkette und er passt weder untendrunter, noch gibt es einen Weg rechts oder links vorbei. Ich muss aber runter, weil ich Sorge tragen muss, dass wirklich niemand mehr unterwegs ist, weil sich die Schlittenrennfahrer darauf absolut verlassen, keinen Gegenverkehr zu haben. Ein paar Leute herbeigerufen, und wir haben den Karabiner neben dem Vorhängeschloss weit genug bewegt, um ihn aushängen zu können. Ich fahre herunter und begegne erst Boscho und dann dem Motorang, die aber beide keine Gefahr für die Schlitten sein können, da der Herr Präsident ja selbst im Skifahrradl Wettbewerb antritt.
Unten erwarten wir die Erstplazierten. Ich habe Angst um die Köpfe der Teilnehmer am Zieleinlauf, weil die Bergwacht-Sperrkette doch sehr niedrig hängt und schlecht zu sehen ist. Also gebe ich den Rodlern Zeichen, die rechte Schranke zu benutzen, die selbsttätig öffnet, wenn man von oben anrauscht. Als erster kommt ein gelber Strich auf Monogleit-Skiern angefegt. Genau von vorne quasi unsichtbar wegen seiner schmalen Silhuette. Erst als er an einem vorbeirauscht und wenn man schon von dem Windsog gebeutelt wird, den er hinter sich herzieht, erkennt man die stählernen schwarzen Hände. Uwe hat die Monoski Wertung gewonnen! Mit deutlichem Abstand rast ein oranger Kreis mit Zipfelmütze heran. Der hervorragende zweite der Skiradler, seine Durchlaucht Andreas, der Motorang unser grosser Anarch! Eine Weile später rast ein gewaltiges Bündel Fussellockenzöpfe auf zwei Kufen heran, sieht mein Einweisegewinke zur rechten Schranke etwas spät und biegt im rechten Winkel in eine Schneewehe kurz vor der Zielschranke ab. Dennoch ist Thoeny kurz darauf klare und eindeutige, ja ich möchte sagen deklassierende Siegerin des Rodelrennens 2013 geworden. Stefan und Marinus kommennüber eine Minute später unten an, dicht beieinander und bis zur letzten Sekunde im Fight.
Wir begrüssen den Blechroller, der mit der Kampfwespe angekommen ist und fahren dann gemächlich nach oben
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There is a crack in everything, that‘s how the light gets in …