Zurück vom Sölk 2009

Das Pfingst-Treffen für SR500, XT500 und AIA-Eisen

Beitragvon fleisspelz » Di 02 Jun, 2009 22:01

Teil 4. Sauwetter

Am Samstag war das Wetter insgesamt nicht so schön. Morgens habe ich wieder meinen inneren Konflikt ausgetragen. Harndrang oder Müssiggang. Ich bin schon gespannt auf den Tag, an dem der Müssiggang siegt. Vielleicht werde ich einst ein bedeutender Unternehmer, wenn ich diese Frage zu Gunsten des Müssigganges klären kann und der Schlafsack dabei trocken und appetitlich bleibt. Bis dahin muss ich halt doch aufstehen, aber ein Frühstück zusammen mit Tina entschädigt mich reichlich.
Erstmal fahren wir zur Burg und besichtigen die. Ein genialer Ausblick aus dem tausendjährigen Gemäuer! Von der Burg begleiten wir die Angler zu den Forellenteichen und gehen anschliessend mit ein paar Jungs im Stadtcafe einen Espresso - Verzeihung: kleinen Braunen - trinken. Tina bekommt ein Stück Kuchen und hört auf zu frösteln. Dann kehren wir in einsetzendem Regen zum Platz zurück.
Während des Regens kommen irgendwann Christopher und Rolyndo auf einen kurzen Besuch vorbei, worüber ich mich sehr freue. Ich versuche mich anschliessend wieder am Bertel. Uwe und Alex reisen irgendwann an und ich habe frische Zündkerzen, nur um die alten als Fehlerquelle ausschliessen zu können. Beide Kerzen zeigen einen sauberen kräftigen Zündfunken. Ich messe die Batterie und stelle fest, dass sie 11,5 Volt bei eingeschaltetem Licht hat, damit scheidet auch die Batterie aus dem Reigen der Verdächtigen aus. Die Partie bricht zur Schotterausfahrt auf, aber ich will den Bertel zum laufen bekommen. Als ich den Vergaser erneut ausbaue, lässt sich plötzlich die Chokeklappe nicht mehr bewegen. Damit beginnt Ursache eins ihr Geheimnis zu verlieren.
Der Venturi ist zwischen Drosselklappe und Chokeklappe in den Querstrom des Linkert M88 eingepasst und wird durch den Düsenstock in seiner Position gehalten, der das Saugrohr mit der darunterliegenden Schwimmerkammer verbindet. Bei mir ist das Venturirohr verschoben und verklemmt jetzt die Chokeklappe. Der Düsenstock ist nicht zu sehen. In den technischen Unterlagen, die mir Tina von zu Hause mitgebracht hat, sehe ich weshalb: Der Düsenstock wird von einer Feder auf Position gehalten, die herausfällt, wenn man die Schwimmerkammer abbaut. Die liebe Feder liegt wohl noch in einer Werkstatt in Wien....
Von Uwe bekomme ich eine Entenfeder, die er mir auf die passende Länge zieht. Ich fange an Hoffnung zu schöpfen. Der Bertel springt nach dem Zusammenbau sofort an und hat sogar etwas ähnliches wie Standgas. Für etwa eine Minute. Und danach will er ums Verrecken nicht mehr angehen. Selbst der Zündfunke verweigert sukzessive seinen Dienst.
Irgendwann am Abend, nach erfolgreicher Zuführung eines grossen Berges salzigen Fleisches und Einflössung einiger Häferl Testweines misst der Herr Ingenieur alle möglichen elektrischen Verbindungen durch und bemisst den Bertel an Stellen, von dennen ich nicht einmal wusste, dass die am Bertel zu finden sind, geschweige denn, dass man da irgendetwas messen könnte. Nach dem erstaunten Bewundern von Zahlenreihen, die mir etwa soviel sagen, wie dem kleinen Jungen, der zum ersten Mal die Rückwand von einem Fernseher abgeschraubt hat, beschliesst der Herr Ingenieur traurig, dass er mit der Herbrennbox vor Ort nicht weiterkommt. Der Bertel wird zur Immobile erklärt und irgenwie sind wir plötzlich der Überzeugung, es muss jetzt dringend noch ein Motor angestartet werden, weil sonst der Rest der Welt unglücklich wäre. Mit der Junak im Stand das Hinterrad im vierten Gang durchdrehen zu lassen war nicht schlecht, nur musste noch getestet werden, ob womöglich eine Sportster im fünften Gang irgendwie mehr reisst. Die Frage konnte nicht abschliessend geklärt werden, weil aus dem Publikum (es könnte auch das Präsidium gewesen sein :oops: ) der anfeuernde Ruf "Jetzt reichts Burschen" von uns dahingehend fehlgedeutet wurde, dass irgendwer im Tal schlafen wollte und so haben wir uns dazu entschlossen halt eben auch schlafen zu gehen.
Zuletzt geändert von fleisspelz am Di 02 Jun, 2009 22:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon lallemang » Di 02 Jun, 2009 22:04

:schulstunde: :smt018

:smt005 :smt005 :smt005
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Beitragvon Roll » Di 02 Jun, 2009 22:36

Ja, Justus, interessante und gleichwohl fragwürdige Geschichten.

Fyr morgens aber ein Tipp der Marketender-Fraktion: Punica original oder eine andere WEITHALS-Flasche.
Spart weite Gänge und Überwindung :-D :-D
Ein Prophet schaut zurück. Das neue Programm. miro2

Matthäus 6,19-34

http://www.rollmannact.de/
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Beitragvon fleisspelz » Di 02 Jun, 2009 23:04

Teil 5: Sonntag

Die Sonne blinzelt morgens in den Utz und unterbricht mich bei meiner H/M Behirnung. Die Götter belohnen unsere nächtlichen Beschwörungsversuche und die zahlreichen "Offerings to the God of Speed" mit strahlendem Sonnenschein und ich entscheide mich sofort gegen den Müssiggang. Tina ist wie meistens schon vor mir auf den Beinen. Unser langhaariger Zeltnachbar mit dem Vierzylinder (Sorry, ich weiss den Namen dieses angenehmen Zeitgenossen nicht) kommt erfreut auf mich zu und sagt:
"Gell, der Bertel lauft wieder!"
"Leider nein"
"Merkwürdig, mir war so, als hätte ich nachts was gehört..."
Habt ihr mich schon Mal rot werden gesehen? Nein? Der schon....

Nach einem Frühstück mit Hans, Grossbasti und dem Manni habe ich den Ölfinger-Christoph gebeten, uns seine Hufu auszuleihen. Tina wollte mal ein paar Meter Motorrad fahren, und ich dachte mir, das sei das richtige Gefährt, um mal auszuprobieren. Ich muss sagen, sie hat sich garnicht blöde angestellt dabei, auch wenn sie darauf bestanden hat, abseits der Zuschauer zu üben.

Dann sind wir recht bald zu der Sonntagsausfahrt aufgebrochen und über Lachtal nach Hohentauern und zur Edelraute gefahren. Die Wettrennen zwischen Klaus (Diesel-Enfield) und Christopher (MZ TS 150) von hinten zu beobachten war spektakulär. Wie beide mit geducktem Kopf, erhobenem Hintern und schwänzelndem Hinterrad alles geben, bei Geschwindigkeiten, die jeden Mofafahrer vor Ehrfurcht erblassen liessen...
Die Mautstrasse zur Edelraute ist im Sommer eine Qual für jeden Beifahrer, aber die Sonne und die Schneekulisse haben für alles entschädigt.
Den Rückweg haben wir in einer kleineren Gruppe bis Oberzeiring befahren und durch das Lachtal den Berg hinab sind Tina und ich nebst Getüm mit Hubert und Uwe aus Dortmund gefahren. Wir haben es richtig krachen lassen dabei und Tina, die sonst eher einen zurückhaltenden Fahrstil bevorzugt hat fleissig im Seitenwagen mitgeturnt. Die beiden Dortmunder hatten es stellenweise nicht leicht, dranzubleiben, obwohl ich ja nun kein erfahrener Gespanntreiber bin. Das war richtig klasse. Tina und ich sind eben ein gutes Team...

In unserer Abwesenheit hat T. sein Gespann bearbeitet, Hans einen Patschen am Hinterreifen seiner RD behoben und Uwe die Puch beschraubt.
Am Nachmittag habe ich dann ein paar gespannerfahrenere Leute gebeten, das Getüm probezufahren, um mir ein Urteil über die Fahrwerksabstimmung zu geben. Slapstickreif war die Kombination Alex/Uwe mit Uwe als Schmiermaxe. Ausserdem haben die beiden Eis mitgebracht. Genau richtig bei dem Wetter! Stefan und Achim haben auch noch Mal getestet, dann habe ich den Alex eine kleine Schotterstrasse knapp sieben Kilometer in den Wald hinein gefahren, weil er eine Runde joggen wollte. Anschliessend ist Tina mal ein paar Meter Getüm gefahren, mit mir im Boot. Auch dabei hat sie sich sehr geschickt angestellt.

Uwe hat noch mal eben seinen Kolbenfresser an der Doppelkolbenpuch zum Kolbenklemmer umgebaut und Simon (kohai) kam als Spätanreisender mit seiner 1942er Triumph. War mir ein Hauptvergnügen, ihn endlich mal persönlich kennen zu lernen, und irgendwie war es so, als würden wir uns gerade zum vierhundertdrölfzigsten mal wiedertreffen. Das ist sowas Spezielles bei der AiA, dass es so viele tolle Menschen in ihrem Umfeld gibt, mit denen die Chemie sofort stimmt!

Ich muss glaube ich nicht erwähnen, dass wir am Sonntagabend den restlichen Rotwein weggetestet haben und dabei viele fröhliche Anekdoten zum Besten gegeben. Was für ein schöner Tag!
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Beitragvon fleisspelz » Di 02 Jun, 2009 23:35

Teil 6: Auf nach Portugal

Montags stand ich plötzlich mit einer Tasse Espresso in der Hand auf der Wiese und habe garnicht bemerkt, dass ich aufgestanden war. Das muss damit zusammenhängen, dass ich mich schon vor Acht in der Früh aus dem Schlafsack gepellt habe. Ich habe nach und nach begonnen, den Utz zu beladen. Roger wollte mit Lucy heimfahren, um das Getüm für Achim freizumachen. Achim hatte einen Fussbremsdefekt an seiner Elsbeth, der nicht mit Bordmitteln zu beheben war. Da Elsbeth Integralgebremst ist, hätte das bedeutet, mit nur einer der beiden vorderen Bremsscheiben den Rückweg über die Alpen anzugehen, also jede Sekunde mit 100 Prozent Konzentration und der unguten Überlegung, dass theoretisch auch der andere Bremskreis noch ausfallen könnte.
Also den Utz leerräumen und einen Kaffee trinken. Den Bertel in den Utz schieben und einen Kaffee trinken. Die Elsbeth daneben schieben und einen Kaffee trinken. Das Gepäck von Roger und ein paar anderen einräumen und einen Kaffee trinken. Duschen gehen und einen Kaffee trinken.
Viele Kaffees später war alles im Utz, ich war frisch geduscht und ein paar Sachen vom Zeltplatz waren verräumt. Dann habe ich aus allen Resten ein Restepfanderl für alle Anwesenden auf dem Weisswandreifengrill zubereitet.

Gegen Eins ging es los und auf direktem Weg über die Radstätter Tauern und München rechts liegen lassend ins Elchsloch. Dort kamen wir nach einem Tankstop in Tamsweg und einer Kaffeepause in Holzkirchen gegen acht am Abend an und haben die Elsbeth ausgeladen. Da Achim, Max und Thoeny noch nicht angekommen waren, wollten wir grade auf ein Abendessen zu dem Portugiesischen Wirt der Dorfkneipe, als Nathalie, die Freundin von Max nach Hause kam und sich uns anschloss. Also haben wir neben der Elsbeth einen Zettel hinterlassen "Sind in Portugal".

Wir haben grade die ersten Getränke bekommen, als ich das Getüm vorbeidonnern hörte. Achim, Max und Thoeny haben mit uns zu Abend gegessen, lustige Geschichten wurden erzählt und um kurz vor halb elf haben Tina und ich die letzte Etappe in Angriff genommen. Ungefähr 200 km über die Landstrasse bis nach Hause (Pforzheim, Sinsheim, Eberbach, Erbach, Obernburg). Bei Beerfelden im Wald musste ich eine Viertel Stunde Powernapping betreiben und die Augen schliessen, bevor ich einen Sekundenschlaf bekomme. Um kurz nach eins waren wir dennoch in Aschaffenburg und sind einfach ins Bett gefallen.
Heute früh fiel mir dann auf, dass es einen Planungsschwachpunkt gibt.
Durch meine Fuhrparksreduzierung habe ich jetzt nur noch zwei angemeldete Moppeds. Eines steht im Elchsloch und das andere hat keine Zündanlage und das Wetter ist optimal zum kradieren!
Aber das Sölkpasstreffen war so entspannt und freundlich wie jedes Jahr. Ein absolutes Hauptvergnügen eben!
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Beitragvon motorang » Mi 03 Jun, 2009 05:13

Hallo Justus,
darf ich Deinen Bericht mit ein paar kleinen Ergänzungen/Änderungen zum offiziellen Treffenbericht machen?
Ich könnts nicht besser ...

Die Wölz ist die Wölzer Ache
und
ein italienischer Espresso ist ein kleiner Schwarzer (braun ist er mit Milch bzw. Kaffeesahne (urgs)).

Die Basics:

"Großer Brauner": doppelter Espresso mit Kaffeesahne in großer Tasse
"Kleiner Brauner": einfacher Espresso mit Kaffeesahne in kleiner Tasse
"Melange": die gleiche Menge Kaffee und heißer Milch, meist mit ein wenig Milchschaum (ähnlich Cappuccino)
"Mokka": starker Kaffee ohne Milch, vergleichbar dem Espresso.
"Großer Schwarzer (auch großer Mokka)": doppelter Espresso ohne Milch in großer Tasse
"Kleiner Schwarzer (auch kleiner Mokka)": einfacher Espresso ohne Milch in kleiner Tasse
"Verlängerter": Espresso, der mit etwa der doppelten Menge Wasser zubereitet wird. Idealerweise wird zuerst der Espresso gemacht und dann nochmal soviel kochendes Wasser zugegeben.

Ein "Häferlkaffee" ist eine Einheit für verfrorene Motorradfahrer: Milchkaffee in der Größe eines französischen Cafe au lait, nur mit wesentlich weniger Milch. Das Speiseanalogum ist der Suppentopf.

In einem Cafe kann man auch italienisch bestellen:

"Espresso" heißt dann Espresso :-D

Wenn man einen "Cappucchino" bestellt sollte man sicherheitshalber dazusagen dass man ihn mit MILCH möchte um ihn nicht mit Schlagobers/Sahnehäubchen zu bekommen.

Bei "Latte Macciato" (auch "Kaffee verkehrt", den Begriff gibts aber glaub ich nur in Wien) besteht die Gefahr weniger. Da weiß man eher am Land nicht was gemeint ist.

Zu diesem Thema könnte man viel schreiben. Das hat hier einer getan:

http://schreibkraft.adm.at/ausgaben/10- ... ser-kaffee

Werner Schandor - unser Kaffee

Wir Österreicher bilden uns ja ziemlich viel darauf ein, dass wir den Deutschen in puncto Kaffeevielfalt haushoch überlegen sind. Die Anekdote, dass ein Deutscher in Österreich einen Kaffee bestellt („Einen Kafffe bitte!“ - mit mindestens 3f!) und dann vom Kellner aufgefordert wird, sich doch zu präzisieren („Wollen Sie einen Verlängerten, eine Melange, einen Kapuziner, einen Einspänner, einen großen Brauen oder einen kleinen Schwarzen ...?“) - diese Anekdote habe ich schon mindestens drei Mal gehört: Einmal als Geschichte aus dem Zug (wohl aus jener fernen goldenen Ära, in der die ÖBB noch verstärkt Speisewagen in ihren Zügen führten), einmal als Anekdote aus einem Wiener Kaffeehaus (durchaus glaubhaft) und einmal als Geschichte von einer österreichischen Autobahnraststätte (absolut unglaubhaft!).

Die österreichische Kaffeeüberlegenheit ist leicht erklärt, leitet sie sich doch aus der grundsätzlichen kulturellen Überlegenheit Österreichs gegenüber Deutschland ab, und dieses Faktum wiederum ist eindeutig historisch bedingt, schließlich trafen sich auf dem Hoheitsgebiet des alten Österreich weit mehr Völker zum kulturellen Austausch als es sich die deutschen Landen je hätten träumen lassen dürfen. Österreich z. B. verfügte bereits über eine belagernswerte Hauptstadt, als in den deutschen Fürstentümern noch die Räuber Wald und Flur verunsicherten. Kein Muselman wäre im 16. oder 17. Jahrhundert je auf die Idee gekommen, Bayern erobern zu wollen, von der Öde des preußischen Tieflandes ganz zu schweigen. Aber Österreich, die Perle Mitteleuropas, das hätten die Suleimans und ihre zigtausendköpfige, waffentechnisch gut ausgerüstete Gefolgschaften gerne gehabt! Aber sie hatten Pech, wie wir aus dem Geschichtsunterricht wissen! Prinz Eugen, unser starker Held etc. etc.: Das Entsatzheer kam, die Türken waren entsetzt, Wien wurde entsatzt, und zurück blieb der Kaffee, der sich in den Jahren nach 1683 hierzulande kulturell prächtig entwickelte, wie man den Getränkekarten diverser österreichischer Lokalitäten entnehmen kann.

„An Kaffeee wuins??“ (Mit mindestens 3e!) „Wos wuins fia aan?!“
Auf unsere multilateral zusammengehamsterte Küche (im Sinne von Gesamtheit der beliebten und gängigen Speisen) bilden wir Österreicher uns etwas ein. Essen ist in einem Land, in dem der Fußball versagt und das staatliche Fernsehen grottenschlecht ist, Identitätsstifter Nummer 1. Oder was glauben Sie, warum sich Legionen von Müttern bei Besuchen ihrer Kinder, die der elterlichen Obhut entwachsen (sind), vor allem um den sonntäglichen Speiseplan sorgen?! - Familiäre Identität!

Ich wiederhole also, ohne hier auf Grillparzers berühmtes Diktum „Man isst, was man ist“, zu verweisen: Essen ist identitätsstiftend. Und die österreichische Seele kocht regelmäßig über, wenn sie eines Leitsternes der rotweißroten Küchenidentität beraubt werden soll. Das war zuletzt der Fall, als Mozart, UNSER Mozart!, der vielleicht genialste Konditor aller Zeiten, der geliebte Schöpfer der Mozartkugel und des nach wie vor gröblich unterschätzten Mozarttalers, vom ZDF unter Verwendung fadenscheinigster Argumente für eine zweifelhafte Unterhaltungssendung unter die größten Deutschen reklamiert werden sollte. Frechheit.

Und dann im Sommer 2003 die nächste ausländische Attacke! Als die EU in Aussicht stellte, die gute österreichische Marmelade solle in Zukunft „Konfitüre“ heißen! Auch da gab es Telefonumfragen auf Ö3 und helle Aufregung in den Medien. Vergeblich versuchte EU-Kommissar Franz Fischler die öffentliche Meinung mit dem Hinweis zu beschwichtigen, „Marmelade“ sei kein ur-österreichisches Erzeugnis, denn das Wort stamme - horribile dictum - aus dem Portugiesischen! Bitte, da könnte man genauso gut sagen, das Wiener Schnitzel kommt aus Mailand, und daher darf es laut EU-Norm Nummer soundso nur mehr als fischstäbchenförmiges Brikett mit den Maßen 90 x 50 x 15 mm (B x T x H) angeboten werden, wie ich es einmal in einer Dubliner Fleischerei in der Auslage gesehen habe. Völliger Nonsens!

Das Wort Kaffee stammt übrigens aus dem Arabischen, und wie schlimm es um die österreichische Identität in Wahrheit bestellt ist, beweist der Umstand, dass man in Österreich zwar wild entschlossen ist, um den Begriff „Marmelade“ zu kämpfen, dass es die sonst so reformfreudige schwärzestblaue Regierung nicht schafft (noch etwas, wo sie versagt!) trotz des zu erwartenden heftigen Widerstandes der Gastronomie-Lobby endlich eine längst fällige Nomenklaturreform für Getränke anzugehen!

Um die einfachsten Kaffeebezeichnungen herrscht hierzulande totales Chaos, und ich denke, das spiegelt den wahren Zustand der österreichischen Befindlichkeit besser wider als 5 Essays von Robert Menasse und Josef Haslinger und 37 lauwarmen Umfragen von Meinungsforschungsinstituten zusammen.

Wenn Sie zum Beispiel in einem österreichischen Lokal einen Verlängerten bestellen, dann erhalten Sie einen doppelt überbrühten Kaffee entweder mit einem seperaten Kännchen Milch oder mit integriertem, obenauf schwimmendem Milchschaum.

Wenn Sie eine Melange („a Melounsch“ auf gut Österreichisch) bestellen, dann erhalten Sie im Grunde das Gleiche, nur dass die Wahrscheinlichkeit, Milchschaum im Kaffee vorzufinden, ungleich höher ist als die, Milch beim Kaffee serviert zu bekommen.

Damit könnte man ja noch leben. Aber. Nun gibt's auch noch den Cappuccino, und was diesen Gastarbeiter unter den heimischen Kaffeevariationen betrifft, so äußert sich der Umstand, dass er sich nie recht integrieren wollte, allein schon darin, dass der Cappuccino einmal als Melange auftritt, ein andermal aber mit einem Gupf Schlagobers obenauf auf Ihrem Tisch landet! Letztere Zubereitungsart ist übrigens ein untrügliches Zeichen dafür, dass Sie Ihren Kaffee in einer unterdurchschnittlichen Vorstadtwinde oder in einem Landgasthaus, das auf kanaldeckelgroße Wiener Schnitzel spezialisiert ist, zu sich nehmen.

Wenn man in Österreich in ein Lokal geht und einen Kaffee mit Milchschaum möchte - und zwar nicht dieses pseudohippe Gesöff namens Macchiatio, das bisher in Wien einfach Franziskaner (ohne Schlag!) hieß -, dann ist man relativ gut bedient, wenn man sich auf die Melounsch konzentriert.

Das Schlimmste, was einem dabei passieren kann, ist Milch statt Milchschaum zu erhalten. Das dachte ich zumindest bis zu jenem Tag, als ich in der anno 2003 eröffneten Grazer Filiale des Cafés Sacher - einer ur-österreichischen Institutionen, in der Bilder von Hans Moser und Paul Hörbiger mit den Originalsignaturen an den Wänden hängen - eine Melounsch bestellte. Serviert wurde - Sie haben's erraten! - das Parodoxon eines Kaffees mit Milchschaum UND einem Gupf Schlagobers!

Als ich bei der Kellnerin, einem sauertöpfischen Wesen von etwa 24 1/3 Jahren, ob dieser Unkultur reklamierte, erhielt ich in bester präpotenter Wiener Oberkellner-Manier die schmallippige Auskunft: „Also in Wien ist das eine Melounsch!“

Das ist natürlich ein Schas mit Quasten, denn abgesehen vom Sacher würde kein Wiener Kaffeehaus, das etwas auf sich hält, Schlagobers in die Melange gupfen. Nur: Meine Melange-Gewissheit ist seither dahin, mein Urvertrauen in die österreichische Küche zerstört. Dafür können die Proponenten des Volksbegehrens zur Vereinheitlichung der Getränkebenamsung in Österreichs Kaffeehäusern fest mit meiner Stimme rechnen.

Aber ob auf dem Marmeladeglas aus dem Supermarkt in Zukunft Konfitüre steht oder gar Jam, wie das sowieso schon oft passiert, und ob die Österreicher darob in Zeter- und Mordiogeschrei ausbrechen, das ist mir in Anbetracht der österreichischen Kaffeeheuchelei herzlich Powidl!


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Beitragvon altf4 » Mi 03 Jun, 2009 06:06

und dann kostet so ein kaffeee an der tanke einen spärlichen euro - grundnahrungsmittel!1!! felix austria :)

g max ~:)
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Beitragvon kahlgryndiger » Mi 03 Jun, 2009 06:10

Für den eiligen Kradisten ein Himmelreich.
Tanken, beim Bezahlen einen Kaffee trinken und beim Rausgehen einen LKW futtern. Maximale Ausnutzung bei minimalem Zeitaufwand :-D So kriege ich die besten Schnitte hin 8)
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Beitragvon hiha » Mi 03 Jun, 2009 06:38

Ach, LKW heisst die WLKS bei Euch. Dass ja ma intressant.

:-)
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Beitragvon fleisspelz » Mi 03 Jun, 2009 08:22

motorang hat geschrieben:Hallo Justus,
darf ich Deinen Bericht mit ein paar kleinen Ergänzungen/Änderungen zum offiziellen Treffenbericht machen?...

es ist mir eine Ehre ;-)
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Beitragvon fleisspelz » Mi 03 Jun, 2009 09:00

Zum Thema Kaffee:

Vor etwa zehn oder zwölf Jahren begab sich die folgende Anekdote. Ich sitze auf dem Bertel und komme aus Amsterdam. Es ist Anfang November und regnet in einer Tour bei etwa 2 Grad Plus. Ich bin missmutig und wascherlnass weil meine Regenkombi zu Hause liegt, gleich neben dem Scheidungsschreiben des Anwaltes der grade neben meiner Frau in meinem Bett liegt. Selbst die Briefmarke hat er sich gespart. Er hat es einfach am Küchentisch liegen gelassen, aber das ist eine andere Anekdote....
Knapp hinter der deutschen Grenze fahre ich auf eine Autobahnraststätte um mich ein wenig aufzuwärmen. Auf dem Tisch steht ein dreieckiger Aufsteller, auf dem "Drei internationale Kaffeespezialitäten" von irgendeinem Premiumhersteller angepriesen werden, die fotografisch abgebildet und mit erklärendem Text umschrieben sind. Einen "Schweizer Schümlikaffee" dient man mir an, einen "türkischen Mokka" und einen "italienischen Cappuccino". Letzterer wird umschrieben als doppelter Espresso mit frisch geschäumter Milch und einem Hauch von Kakaoraspeln. Das will ich. Dass das Gebräu ungefähr den Gegenwert von zwei Kännchen Kaffee auf der Terrasse kosten soll ("Draussen nur Kännchen") ist mir wurscht.
Nach wenigen Minuten Wartezeit kommt eine Bedienung und bringt mir eine Tasse Filterkaffee mit einem Schlagsahnehäubchen.
"Entschuldigung, ich habe einen Cappuccino bestellt"
"Ja da ist er doch"
"Also ich halte das für eine Tasse Kaffee mit Schlagsahne"
"Naja, Cappuccino"
Ich bleibe hartnäckig und nehme den Aufsteller in die Hand.
"Hier steht: italienischer Cappuccino wird zubereitet aus erlesenen Arabica Kaffebohnen, als doppelter Espresso mit einer festen Krone aus frisch aufgeschäumter Milch und einem eleganten Hauch von Kakaoraspeln. Das Getränk, dass sie mir an den Tisch gebracht haben werde ich weder trinken, noch bezahlen."
"Das haben sie aber bestellt, dann müssen sie es auch bezahlen."
"Nö, ich habe einen Cappuccino bestellt."
"Ja da steht er doch."
"Sind Sie so freundlich und schicken mir die Geschäftsführung an meinen Tisch."
Nach etwa fünf Minuten kommt eine Dame undefinierbaren Alters in einer ärmellosen Kittelschürze an meinen Tisch. Sie misst etwa 1,50 und das in jeder Dimension. Die Haare sind kurz geschnitten und mitten im runden Gesicht sitzt ein spitzer kleiner Mund, der gerade sagt:
"Ja bütte, sie wönschen...?"
"Ich habe einen Cappuccino bestellt, so wie er hier beschrieben ist. Statt dessen habe ich eine Tasse Kaffee mit Sahne bekommen. Das möchte ich weder trinken, noch bezahlen müssen."
"Das üst onser Cappuccino. Daran können wür nüchts öndern, das üst so ün dem Tütchen."
"Verzeihen Sie, hier steht doch deutlich "frisch aufgeschäumte Milch""
"Ja dann nöhmen Sü doch oinmal Mülch ond schäumen sü auf, was bekommön sü dönn dann?"

Ich zweifle hiermit die Wienerische Kellner- und Kaffeeüberlegenheit an! :-D
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Beitragvon lehrbua » Mi 03 Jun, 2009 09:22

als schwer verkaterter Student Ende der 80er gerade den Frühzug von Wien nach Linz erwischt; ab in den Speisewagen (gabs damals noch).
Schock - ein Buffetwagen der DB, oranges Resopal, McDonalds auf Rädern.

n'Morgen, an grossn mokka bittschön - grosse Augen starren mich fragend an
an grossn schwoazn
fragende Augen
Könnt ich ne Tasse Kaffee haben ?
"aber gerne, soll's n'Kännchen sein ?"

Das Plastik-Wegwerfkännchen hatte irgendwie seinen eigenen Reiz
Shit happens
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Beitragvon mecki » Mi 03 Jun, 2009 18:27

Hallo Max, schau mal deine PN an.

Gruß, Mecki
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Beitragvon ragman » Mi 03 Jun, 2009 19:08

Wieder ein Punkt für unser schönes Kärnten ... durch die Nachbarschaft zu Italien ist ein Cappucino yblicherweise auch ein solcher.
Das beste Werkzeug ist ein Tand in eines tumben Toren Hand.
(D. Düsentrieb)
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Beitragvon Blechroller » Do 04 Jun, 2009 00:12

kahlgryndiger hat geschrieben:Für den eiligen Kradisten ein Himmelreich.
Tanken, beim Bezahlen einen Kaffee trinken und beim Rausgehen einen LKW futtern. Maximale Ausnutzung bei minimalem Zeitaufwand :-D So kriege ich die besten Schnitte hin 8)


Der Kaffeeautomat der Tanke nach dem Radstätter-Tauernpass war ein Gedicht. 3x musste er Brühe auswerfen. Bei der ersten Einheit hat der Zitterich noch die Hälfte verschlappert. War mir kyhl...

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Lederfransen kann man sogar verchromen

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