von mex » Do 21 Apr, 2011 08:57
09.04. 2001 – Tirol – Fähre Genua
Irgendwie war schon der Hund drin als ich in den Hafen von Genua einfuhr und es brauchte 2 Runden bis ich am der richtigen Terminal war.
Um 24:00 Uhr das letzte aufgeräumte Email geschickt und nun um 13:00 Mittags mitten im Chaos. Also Moped allein am Parkplatz abstellen und 'schnell' die Zollformalitäten erledigen.
Nach 10 Minuten Fußmarsch in den ersten Stock eines heruntergekommenen Gebäudes stehe ich in einer langen Schlange vor leeren Schaltern. Die italienischen Zöllner machen Schichtwechsel und lassen hunderte Passagiere erst mal warten.
Nach fast einer Stunde kommen die drei zurück, in der Hand schnapsglasgroße Cafés und unterhalten sich erst mal prächtig - erste Unmutsäußerungen unter den Wartenden.
Nachdem man die mitgebrachten Laptops fachkundig eingesteckt, und sich gestenreich gegenseitig das tolle Programm erklärt hat, gibt’s die ersten Zwischenrufe. Danach nochmals aufstehen und scherzen bevor, nach über eineinhalb Stunden die Stempel wieder geschwungen werden. Mehr aber auch nicht, denn keiner der Zoll-service-dienstleister schaut auch nur einmal auf. Außer Kopfschütteln oder einer wirschen Geste mit der Hand gibt es keine Kommunikation.
Als ich ich an der Reihe bin grüße ich höflich und nachdem ich den tollen Stempel endlich bekommen habe, wünsche der Dame hinter dem Glas noch ein schönes Leben. Dass man sich bücken muss um mit den Beamten durch ein Loch zu reden ist Kalkül. Egal, nix wie raus hier.
Mit dem Stempel auf dem fiche bin ich privilegiert genug um mich in die Schlange vorm Schiff einzureihen zu dürfen, was ich natürlich nicht tue und vorbei am pfeifenden Polizisten, gleich rauf auf's Schiff fahre. So ein bisserl anarchistisches ungehorsam darf am Moped doch sein...
Die Fähre war so preiswert, dass ich mir eine Kabine gegönnt habe und die suche ich nach dem Chaos erstmal auf. Die ganze Eincheckerei ist so was von desorganisiert, dass ich wirklich Zweifel an der Intelligenz der daran Beteiligten habe. Ich gebe mir das ganze Schauspiel vom Heck der 'Splendid' aus noch eine Stunde. Schlussendlich denke ich, dass weder die Beamten noch die Arbeiter, Einweiser, Zetteleinsammler und Polizisten wirklich an ihrem Job hier interessiert sind. Dass die zum größten Teil Tunesischen Gäste hier nicht öfter auszucken wundert mich. So herablassend und mit so viel Ignoranz behandelt zu werden tut weh, und macht Italien und seine Vertreter hier im Hafen kein bisschen sympathisch.
Aber wenigstens der Café am Schiff ist gut.
Tag 2:
In Tunis sollen wir so gegen 15:00 Uhr ankommen. Da das Schiff nur halb voll, und die See glatt ist sollten wir eigentlich pünktlich sein. Ich will so schnell es geht durch den Zoll, dann Tanken, Geld wechseln und erstmal angasen um soweit wie möglich in Richtung Süden zu gelangen. Wenn es gegen 8 Uhr dunkel wird so habe ich – laut Plan – mindestens 3 Stunden zum Fahren. Da sollte doch was gehen.
Fiche blue, fiche blanche (2x) ausgefüllt, carte grise (die bei uns ja gelb ist) hergezeigt, Passnummer 3x irgendwohin geschrieben, 'permis de circulation' geholt und um 15:45 raus aus dem Zoll. Zwar noch immer viele seltsame Zettel, aber wenigstens ging es schnell. Gleich auf die Autobahn nach Süden, wo es ordentlich gewindet hat. Mag ich gar nicht, weil ich nie weiß warum alles wackelt und schüttelt. Vor allem am Anfang eines Ausfluges kommt einem alles mögliche in den Sinn das kaputt sein könnte, aber schlussendlich war es dann meistens nur der Wind. 40 km vor Kairouan dann runter von der Autobahn und beim ersten Grillstand Lamm mit scharfer Harissa Soße bestellt. Pfoa, sehr gut scharf! Danach auf der Bundesstraße weiter. Es hat ordentlich Verkehr und da ich mit meinem 90er dahinfahre werde ich laufend überholt.
Dann läuft alles wie in Zeitlupe: ein dunkler PKW fährt links an mir vorbei, schleudert rechts, dann nach links gerät dann auf das breite Bankett und schießt, sich überschlagend und in eine riesige Staubwolke gehüllt 2-3 Autos vor mir links von der Straße. Dann krache ich fast in meinen Vordermann und der in seinen, da keiner mehr was sehen kann, und alles bremst und rechts ranfährt. Auch der Gegenverkehr stoppt.
Ich fahre weiter.
Warum weiß ich nicht. Gefühl sagt „Stehenbleiben“, das Hirn „Weiterfahren!“ Im Hinterkopf habe ich noch eine Aktion vor 20 Jahren in Nefta, wo ein Deutscher mit dem ich zu der Zeit Unterwegs war, schuldlos in einen Unfall mit einem Kind verwickelt wurde. Die ganze Sache endete, nach mehreren Tagen im Gefängnis und dem Transfer einer größeren Geldsumme.
So eine scheiß Situation auch. Ich hoffe nur, dass da nicht allzu viel passiert ist. Dass der oder die Insasse(n) unverletzt aus dem Auto ausgestiegen sind, kann ich mir zwar wünschen, wahrscheinlich ist es aber nicht. Und obwohl ich weder direkt beteiligt oder gar Schuld an dieser Aktion war, fühl ich mich unheimlich schäbig, dass ich nicht stehengeblieben bin. Auf der anderen Seite habe ich ja auch unheimliches Glück gehabt, denn er hätte auch mich mit großem Geschwindigkeitsunterschied von hinten abschießen können – Ich mag gar nicht dran denken...
Hab heute viele Karmapunkte aufgebraucht.
Von Sbeitla nach Douz
Ich mag es wenn es beim Aufbruch noch dunkel ist. Der Tag hat dann seine Unschuld noch nicht an das Licht verloren und ist noch voller Optionen. So fahre ich gegen 06:00 los Richtung Gafsa. Die Gerüche sind ausgeprägt, vor allem wenn man hinter einem mit Zwiebeln beladenen Pickup herfährt. Es ist richtig fein als im Osten dann die Sonne aufgeht und es wieder warm wird. In Metlaoui gönne ich mir ein ordentliches Frühstück mit 'Brick del oef', scharfen Erbsen und viel Brot. Dann geht’s in die Phosphat Abbau Region rund um die Oase Tamerza. Die ganze Erde ist über km aufgerissen und und Förderbänder schlängeln sich wie steife Würmer durch die Landschaft. Bei der 'Grand Cascade' bin ich der einzige Besucher. Weiter nach Süden, raus aus den Bergen und von 450m runter auf minus 15m Sehöhe am Chott el Gharsa. In meinem Reiseführer lese ich was von eine 'öden und unglaubliche langweiligen Piste' über den Chott Jerid. So etwas reizt mich natürlich und in Nefta will ich diese Piste Richtung Süden nehmen. Aus der Oase raus, durch die Palmerien geht’s Richtung Ebene. Aber nicht weit, denn schon nach wenigen km stecke ich in einem nur wenige hundert Meter langem Schlammstück fest. Das Mopped wieder frei zu bekommen ist eine Schinderei. Ich suche mir zu Fuß eine andere Stelle, aber auch hier nichts mit weiterkommen. Also wieder alles abpacken, Zeug ins Trockene schleppen und mit Spanngurten erst das Heck und dann den Rest aus dem Schlamm ziehen. Bin ich einfach zu schwach oder das Moped so schwer? Das Zeug ist unglaublich klebrig und klammert sich förmlich um alles. Nach einer weiteren halben Stunde hab ich alles wieder im trockenen. Hätte doch auf die Leute im Palmengarten hören sollen die meinten es sei noch zu früh im Jahr und zu feucht. Also Plan B: ich fahre Richtung algerische Grenze und biege dann auf Straße Richtung Süden ab. Bis nach Douz sind es dann noch etliche Stunden. Die Strecke geht schnurgerade dahin und es ist genügend Zeit Kopfzurechnen und sich die Sinnfrage zustellen: Warum fahre ich hier gegen den heißen böigen Wind eigentlich durch die Gegend? [...mehr Sinnfragen am Mopped hier einfügen...] Langsam ändert sich dann das Licht und die auftauchenden Dünen erscheinen in weich und strahlend. 560km stehen am Tacho, ich hab mir ein Hotel verdient.
Zuletzt geändert von
mex am Fr 22 Apr, 2011 08:12, insgesamt 1-mal geändert.