Teil 2: Es gibt kein Meer rund um Zypern
Aus dem Flieger haben wir eine schöne Sicht auf Antalya und später auf das westliche Zypern. Der Flughafen in Larnaca ist sehr wohlorganisiert, und so kommen die Koffer zügig auf das Laufband. Gegen drei werden wir von der Autovermieterin aufgelesen, die eher geschäftsbetont und unfreundlich ist. Als Leihwagen erhalten wir einen Proton Savvy. Eine malaysische Konstruktion mit Renault-Clio-Motor, schlampig verarbeitet, erträglich designt und bereits rundum verballert, so dass wir uns um den „Safti“ keine Sorgen machen müssen. Ich halte das für ein Komfortmerkmal, wichtiger als die Klimaanlage...



Unser Safti hat wie alle Leihwagen auf Zypern rote Kennzeichen, und ist natürlich ein Rechtslenker, weil Zypern bis 1964 zum Commonwealth gehörte und daher bis heute noch Linksverkehr hat.
Am Flughafen entrichten wir 40 Euro für eine Tankfüllung. Es ist landestypisch, die erste Tankfüllung eines Leihwagens zu bezahlen und am Ende des Mietzeitraumes die Fahrzeuge leer zurück zu geben. Über den Tisch gezogen hat die unfreundliche Dame uns dennoch. Aus dem Tank fehlen bereits etwa 20% der Gesamtfüllung und es passt, wenn man den Safti komplett leer fährt für etwa 36 Euro Benzin in den Tank. Der Liter Super kostet auf Zypern derzeit etwa 1,36 Euro.
Tina und ich beschließen, uns auf kleinen Straßen fort zu bewegen. Ich habe mir in Deutschland die aktuellste Griechenlandkarte für mein TomTom geladen und wir haben passabel aufgelöste Straßenkarten an Bord.Ich gebe unseren Zielort Vasa in das Navi ein, und muss mich zwischen zwei Orten dieses Namens entscheiden. Vasa Kouilaniou und Vasa Kolliakou. Darauf hat uns der Reiseveranstalter nicht aufmerksam gemacht, also nehmen wir an, dass es sich um zwei Ortsteile ein und des selben Dorfes handelt.
Wir verlassen Larnaka in Nordwestlicher Richtung und fahren an Pyrga vorbei auf das Troodos Gebirge zu, dessen höchster Berg – na klar, der Olymp – knapp 2000 Meter hoch ist.
Unterwegs kommt uns der Verdacht, dass Zypern gar keine Insel ist. Zwar haben wir beim Landeanflug das Meer gesehen, aber seit wir aus Larnaca heraus sind nirgendwo auch nur ein Zipfelchen davon wiederfinden können. Wir haben den Verdacht, dass die Illusion der Touristen aufrecht erhalten werden soll, es gäbe ein Meer rund um Zypern, und daher grosse, mit mediterranen Meeresszenen bemalte Tafeln rund um einige Orte aufgestellt und ausgelegt werden, die ein nicht vorhandenes Meer vorgaukeln sollen. Belege für diese Theorie finden wir später zu Hauf! Am Anfang der Fahrt haben wir eine Ebene passiert, aber dann im Vorgebirge und im Gebirge hätte man ja das Meer einmal von weitem sehen müssen. Nichts dergleichen! Zypern ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Oase in der Nordsahara, mit teilweise beinahe perfekter, benachbarter Meeres-Illusion.
Wir passieren unter anderem das Dorf Lefkara, das für seine traditionelle Spitzenstickerei inselweit bekannt ist. An jedem dritten Haus hängen demzufolge auch die Fassaden voll mit schmucker indischer Handelsware, bunt mit zypriotischer Handwerkskunst gemischt. In Eftagoneia halten wir an einem kleinen Kafeneion an. Tina trinkt eine Frappé, eine Art Eiskaffee, ich einen „Metrio“, also einen mit dem Satz und etwas Zucker im Kupferkännchen gegarten, griechischen Kaffee. Ganz selbstverständlich bekommen wir gekühlte Wassermelone von der Wirtin hingestellt und die Herren in der Runde wollen wissen, woher wir kommen und wohin wir wollen. Dass ich ein paar Worte Speisekartengriechisch beherrsche wird sehr begrüßt. Ich gehöre also offensichtlich zu den Guten. Einer der alten Männer kennt unsere Ferienappartements. Er hat den Bulldozer bei den Bauarbeiten gefahren. Vasa ist nicht mehr weit.
In Vasa angekommen versuchen wir, der handschriftlichen Wegbeschreibung unseres Reiseveranstalters zu folgen. Keine Chance. Die Kirche spielt in der Beschreibung eine zentrale Rolle, und die Taverna „To Plati“. Wir fahren alle in Frage kommenden Straßen rund um die Kirche ab, alleine es gibt keine, die zu einer Taverne führt. Irgendwo an einer der abenteuerlich engen Gassen sehen wir den Popen und eine Hand voll Männer beisammen sitzen und fragen nach dem Weg zur Taverne „To Plati“. Keiner kennt sie, und ich beginne zu ahnen, dass die beiden Dörfer Vasa wohl doch nicht unmittelbar benachbart sind. Also das andere Vasa suchen, ins Navi eingeben, und richtig, wir sind noch etwa 100 km von unserem Ziel entfernt...
Wir beschließen den Weg zur Südküste herunter zu nehmen und einen Abstecher ans Meer zu machen. In unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters Agios Georgios Alamanos halten wir dann unsere Zehenspitzen in das Pipi-warme Wasser und gönnen uns ein paar Augenblicke die leichte Seebrise. Bereits hier fällt uns auf, dass der Horizont so messerscharf sichtbar ist, dass man ruhigen Gewissens davon ausgehen kann, dass in einen künstlich angelegten Salzwassersee Begrenzungstafeln mit Himmelsmotiven so geschickt positioniert worden sind, dass sich die perfekte Illusion eines Meeres ergibt. Auch die gefühlten 28 Grad Badewannentemperatur sprechen für diese Theorie. Wie sollte die gewaltige Fläche des Mittelmeeres je auf eine solche Temperatur hochgeheizt werden! Ein ordentlicher Salzsee dagegen....


Vom Strand aus umfahren wir Limassol auf der Autobahn und fahren auf der Autobahn und anschliessend der Staatsstraße in das richtige Vasa, wo wir von unserem Landlord schon erwartet werden. Praktischerweise führt die Dorfhauptstrasse mitten durch das Kafeneion, so dass unser Gastgeber nur auf ein Auto mit roter Nummer achten muss. Wer sollte sich nach Vasa schon verirren, wenn nicht wir?
Wir essen eine Kleinigkeit zu Abend und beschließen den Tag mit einem Glas Rotwein in unserem sehr liebevoll eingerichteten Appartement, das in den Mauern eines etwa 400 Jahre alten Winzerhofes aus der Zeit der venezianischen Besetzung Zyperns eingerichtet ist.


