Berichtfragmente von der Sydtirolausfahrt 2010

Für Termine, Routen, Reiseberichte, Urlaubspläne ...

Beitragvon Arne » Di 08 Jun, 2010 07:08

Grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
aber es sei euch gegönnt.

Gruß
Arne
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Beitragvon andi » Di 08 Jun, 2010 07:13

Schöner Bericht,

Schöne Landschaft, da bekommt man richtig Fernweh.
Was man so alles Reparieren kann unterwegs, Respekt :smt023
erfolgloser Russenkurbelwellenfeinwuchter,
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andi
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Beitragvon fleisspelz » Di 08 Jun, 2010 10:45

Sonntag abend sind Tina und ich heimgekommen. Wir waren vom Sölkpasstreffen aus für ein paar Tage nach Istrien gefahren, um Sonne zu tanken, und von dort aus über Venedig nach Hause. Ich will diese Frohnleichnamstour mitfahren, aber es ist halt finanziell alles ein wenig eng zur Zeit, also forsche ich nach ein paar Kröten. Aphrodite, der vom Tauerntreffen bekannte Schiebeseil-2CV, ist wegen unserer zweiwöchigen Abwesenheit offensichtlich so vergrätzt, dass sie uns eine Lache Öl vor die Haustüre gepieselt hat. Bei näherer Begutachtung stellt sich dann heraus, dass die Brillendichtung an den Stösselrohren vom jüngst gewechselten rechten Zylinderkopf aus irgendeinem Grund ihren zunächst sauber dichtenden Platz verlassen hat. Vielleicht wollte die ja mit in den Urlaub.

Warum ich das erzähle? Weil es in meinem Bericht um Freundschaft geht, um Demut, um Zähigkeit, um Respekt und um den freien Willen. Aber dazu später mehr...

Nachdem Tina auf der Hummel noch nicht so sicher ist, würde die Entscheidung zu fahren und Aphrodite nicht umgehend zu reparieren bedeuten, dass sie für eine weitere gute Woche ohne Auto ist. Der gemeinsam mit dem Präsidenten ausgeheckte Plan sieht vor, dass ich mit dem VW Bus und darin befindlicher Ducagiki nach Niklasdorf reise um von dort aus mit dem Uwe gemeinsam die Tour zu starten. Das bedeutet, dass einerseits in Aschaffenburg drei betriebsbereite Motorräder stehen, für die andererseits Tina keinen Führerschein hat. Ich denke also gerade darüber nach, ob ich es schaffen werde, rechtzeitig das nötige Geld aufzutreiben und dann eben nicht mit der Ducagiki zu fahren, um die 700km Anreise zum Uwe nicht mit dem VW Bus zu machen. So könnte dieser in Aschaffenburg bei Tina bleiben. Die Ducagiki soll in den VW Bus, weil ich mir die Tour überhaupt nur irgendwie leisten kann, wenn ich im Anschluss nach Wien fahre, um geschäftliches zu erledigen. Dort kann ich aber nicht nach Iltis riechend und in veröltes Leder gewandet erscheinen. Die Ducagki ist Gepäckträgerlos und hat einen Tagfahrscheinwerfer. Nachts sieht man damit genau garnichts, ausser dass das Licht eingeschaltet ist. Das muss ich sowieso noch irgendwie ändern.

Vielleicht doch die Aphrodite schnell reparieren? Das heisst, bis Donnerstag warten, bis die Ersatzteile da sind, dann mich Donnerstag Nachmittag nach erfolgter Aphroditebeschraubung in den VW Bus setzen und irgendwo in the Middle of Nowhere/Dolomiti zu den Kollegen stossen.

Vielleicht die BMW nehmen, weil die mehr Gepäckkapazität hat und eh das geeignetere Autobahnmopped ist? Aber was, wenn ich die bei den zu erwartenden Schotterpisten beschädige? Schliesslich ist sie nur in meinem Besitz, aber nicht in meinem Eigentum.

Vielleicht die Rotten Roll GSX bepacken? Bleibt immer noch die höhere Autobahngeschwindigkeit als Argument. Aber mit dem Ömmes Schotterpisten? So mit Stummellenker und Asphaltschuhchen? Immerhin würde es mir bei der am wenigsten ausmachen, wenn ich sie umwerfe, es wäre aber auch am wahrscheinlichsten, dass ich es tu....

Mein Getüm-Gespann vom Roger ausleihen? Ist zwar derzeit nicht in meinem Besitz, dafür aber in meinem Eigentum. Der Präsident hält das für suboptimal, weil wir Strassen fahren werden, für die ein Gespann eher untgauglich sein könnte, wegen breit und schwer.

Ihr merkt schon, der Bertel fehlt mir. Auf dem habe ich zwar auch keine Gepäckkapazitäten und Autobahngeeignet ist er ganz und garnicht, aber das wär mir doch wurscht gewesen. Mit dem Bertel ist das irgendwie alles irelevant. Da leiht man sich halt in Wien einen schlecht sitzenden Anzug, aber man kommt auf einem gut sitzenden Mopped daher....

Als der Knoten in meinem Kopf stetig anschwillt, und ich schon anfange aus Frustration den Müll zu trennen und den Rasen zu mähen, kommt Tina zu mir und fragt mich, ob ich nun fahre, oder nicht. Ich erzähl ihr von meinen Überlegungen und sie antwortet nur:
"Erstens habe ich eine Hummel und zweitens kann ich auch mit dem Fahrrad fahren, das Wetter soll eh besser werden."

Schwupp bin ich in der Garage und reisse die Lampe von der Ducagiki, adaptiere mit ein paar Stuhlwinkeln aus dem Baumarkt von einigen Flüchen begleitet die KLX650 Lampen/Instrumenteneinheit aus dem Schlachtmopped und reisse alle verdächtig aussehenden Kabelverbindungen aus dem Kabelbaum. Auf Nebensächlichkeiten wie Leerlaufkontrolle oder Zündschloss kann und mag ich keine Rücksicht nehmen. Schloss entsorgen, Schalter anbauen und gut ist. Jetzt noch schnell den Gepäckträger von einer Honda irgendwas aus der Kruschtelkiste anpassen und anschrauben. Sieht aus als wäre der schon immer dort gewesen. Mopped bepacken, Wienklamottenkiste in den Utz und nochmal mit Tina essen gehen. Hoffentlich kommt das Geld rechtzeitig. Mir ist noch einer eingefallen, der mir schon lange ein paar Hunderter überwiesen haben wollte. Den habe ich nochmal davon überzeugt, dass jetzt ein passender Augenblick wäre...

Mittwoch früh. Das Geld ist da, die Ducagiki steht bepackt im Utz, ich setze mich in den selbigen. Das Leben ist schön. Ich habe eine Freundin, die mich versteht und unterstützt, ich habe ein Motorrad, es gibt einen Plan.

Abends komme ich nach 700 km Autobahn (davon 680 km mit sturzbachartigem Regen und mehr als 500 km mit Wischerstufe 2) bei Uwe an. Zum ersten Mal bin ich froh, auf den Präsident gehört und nicht mit dem Gespann gefahren zu sein, obwohl das eigentlich der Plan war. 700km Autobahn mit Sturzregen machen schliesslich niemandem Spass. Wir spielen noch bis weit nach Mitternacht an der Victoria. Die hatte ich nur just4fun mitgenommen, damit keine Langeweile aufkommt und wir auch sicher was zu beschrauben haben. Ich versuche mit Uwe gemeinsam, den Kolben von der Zylinderwand frei zu bekommen, damit der Motor wieder dreht. Uwe hatte sich ja vorgenommen, früh schlafen zu gehen vor der Tour. Das klappt dann auch so um zwei Uhr früh....

Morgens gegen acht bekomme ich einen Kaffee in die Hand gedrückt und sitze eh ich mich versehe völlig in Leder gewandet auf der Ducagiki und unter mir poltern zwei Zylinder. Aaaah, es geht los, Du kannst jetzt aufwachen Justus.

Wir fahren durch das Murtal nach Graz. Unterwegs an einer Baustelle das erste 150 Meter lange Schotterstückchen. Ich verfluche im Geiste den italienischen Vollpfosten, der aus meinem Motorrad das wunderschöne 21 Zoll Speichenrad rausgerissen hat, um es durch einen pausbäckig breiten 17 Zöller mit Strassenreifen zu ersetzen. Er hat zwar versucht, das ganze unter einem randgenähten Rotkäpchen Tarnhut zu verstecken, aber davon fährt das auch nicht besser. Das Vorderrad ist nahezu unkontrollierbar, hüpft mal hierhin, mal dorthin und rutscht anschliessend noch fröhlich durch die Welt, immer bemüht, mir eine extra Portion Adrenalin in die Arterien zu jagen.

In irgendeinem Dorf ist Ende. Eine Prozession beginnt sich in einschläferndem Tempo über die Landstrasse zu beten. Uwe und ich werfen uns einen Blick zu, sind uns sofort einig und versuchen, die Prozession über den Bahnhofsparkplatz und einen anschliessenden Fussweg zu umrunden. Genau zwischen dem Kruzifixträger und einem 50 Meter voraus schlafwandelnden Polizisten donnern wir auf die Strasse zurück und reissen die Staatsmacht aus dem Halbdämmerschlaf. Mit Bierdeckelgrossen Augen guckt der uns nach und versucht zu begreifen, woher diese beiden Ausserirdischen wohl jetzt gekommen sein mögen. Als er realisiert, dass das zweite UFO ein deutsches Kennzeichen hat ist ihm vermutlich alles klar. Deppen halt.

Viertel vor zehn sind wir beim Präsident und erregen damit Aufsehen. Der ewige AiA Kalender hat einen rotgeschriebenen Eintrag mehr. Eva versorgt uns liebevoll mit Kaffee und Paul mit einem aufgeweckt fröhlichen Lächeln. Es ist Punkt Zehn und die AiA Frohnleichnahmsausfahrt 2010 beginnt. Ich bitte darum, das mit einem roten 5mm Edding in dem Kalender zu vermerken!

Wir fahren über kleine Strässchen und Schotterwege stets Richtung Westen, nicht ohne zwischendurch ein wenig den Körper zu pflegen. Vornehmlich die innwendige Pflege steht in unserem Fokus.

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Ab Nachmittag versucht der Herr Präsident, uns ausreichend Gelegenheit zu geben, unsere Blasen zu entleeren, Zigaretten zu rauchen und die schöne Architektur Kärntens zu bestaunen, indem er vorgibt, an seiner Zündung rumzuschrauben.
"Des ist ja lustig, schau mal: Eternitplättchen auf dem Kirchdach und echten Schiefer auf dem Turm."
"Und was ist des da drübenauf der Sakristei?"
"Kuhfladen"

Währenddessen beim Wirten auf dem Klo:
"Supa Motorradln hobts do, Burschn. Wo kommtsn leicht her, seits Deitsche?"
"Ich schon, aber die anderen sind alle aus der Steiermark und aus Wien."
"Und da kommts um das schöne Kärnten zu bestaunen?"
"Genau, und fahren weiter in die Dolomiten."
"Gscheida ihr bleibts do, mir san nämlich a urigs Volk do."
"Aaah, verstehe. Und ich dachte die ganze Zeit, wir wären das."

Hier ein Zigarettlein rauchend, dort einen Espresso schlürfend und ein wenig Sprit nachtankend gestalten wir die wilde Fahrt lieblich. Ein Fohlen am Wegrand einer Schotterstrasse ist gänzlich anderer Ansicht und flieht aus dem Pferch. Aha, verfahren, das Viechzeug ist keine Motorradfahrer gewohnt. Der Präsident mimt weiter den Zündungsbeschrauber, bleibt hin und wieder paffzend stehen und das Fussvolk darf sich die Beine vertreten.

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In Villach wird ausgiebig getankt, Visier geputzt und Kafee geschlürft, dann 50 Meter gefahren, wieder angehalten und die Regenbekleidungskollektion 2010 der staunenden Aussenwelt präsentiert. Uwe bleibt im Leder, ich zieh unmotiviert aber pflichtbewusst das blaue Jäckchen über, die Wolken lassen ein paar unmotivierte Anstandstropfen fallen, nur weil wir uns für sie so schön herausgeputzt haben und die Sonne kommt wieder zum Vorschein.

Zum Abschluss in Österreich noch eine Schotterpartie. Ich fahre ganz hinten und darf die Staubwolke der ganzen Meute inhalieren. Meine Augen sind nachhaltig beleidigt, mein Vorderrad sowieso. Dann geht es an die gefühlt siebzehnte Tankstelle des Abnends am Fuss des Plöckenpasses. Meine Augen tränen, ich sehe alles nur noch schlierig, das Vorderrad macht was es will, ich schalte auf Blümchenpflückermodus um. Auf der Passhöhe ist die Grenzstation zu Italien. Wir fahren ins Tal und biegen dort in wilden groben scharfkantigen Schotter ein, um zu unserem Lagerplatz zu kommen.

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Das Zelt bauen wir im letzten Tageslicht auf und die frisch geschliffene Axt kommt zu ihrem ersten Feuerholzeinsatz. Die Zelte stehen, der Rotwein ist geöffnet, das Feuer brennt, jetzt brauchen wir noch was zum sitzen. Während der Präsident vom Herrn Koardl adjutiert seine Zünderei beschraubt - (es ist halt wie immer bei der AiA: Kaum brennt das Lagerfeuer, schon ist der erste Tank unten) - wird ein fünf Meter langer und etwa halbmeter Dicker Baumstamm it zwei Gurten hinter die Junak und die Oilfield gehängt und über den Platz gezerrt.

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Bei der Steigung zum Schluss erweist es sich als vorteilhaft, die Enfield vor die Junak zu spannen. Überflüssig zu sagen, dass der Baum nach einer schwachen halben Stunde zwischen erster Idee und letztem Handgriff genau dort lag, wo wir ihn wollten.

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Etliche Würschte und einige Heferl Rotwein hauchen ihr Leben am Feuer aus. Wir gehen schlafen. Mal sehen, was der zweite Tag uns bringen wird...
..........................
Zwischen dem, was gesagt, aber nicht gemeint wurde und dem, was gemeint, aber nicht gesagt wurde geht viel Liebe verloren.
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Beitragvon roger » Di 08 Jun, 2010 12:09

Was viele nur in Bildern auszudrücken vermögen (mich inkl.), kannst Du in Worte fassen.
Ich freue mich auf die weiteren Teile!
Hurra!
Ach nee, doch nich...
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Beitragvon T. » Di 08 Jun, 2010 12:19

Geile Tour!
:respekt:
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Beitragvon motorang » Di 08 Jun, 2010 12:33

@Justus: :smt023

Hier jetzt die engyltige Fassung in vier bebilderten Teilen auf der motorang-Heimseitnerei:

http://motorang.com/motorrad/2010_fronleichnam.htm

Paul ist kränklich, ich bin daheim und hatte grad Zeit ... und jetzt geh ich Rasen mähen :D

Gryße!
Andreas, der motorang
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Gerade als die Raupe dachte, die Welt würde untergehen, verwandelte sie sich in einen Schmetterling.
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Perfekt!

Beitragvon koarrl » Di 08 Jun, 2010 13:00

Dank dem Präsydenten für die Dokumentation.
Bilderz von Nevea bis Vrsic folgen nach (damit der Steve nicht weinen muß).
Die überhitzte Pentax werkte einwandfrei, ein neues Ladegerät mit Asbestgehäuse wurde inzwischen beschafft...

KTM-Kollateralschäden:

* Tasche geschmolzen
* Ladegerät mitgeschmolzen
* Bremsenreiniger nur fast explodiert *g*
* eine M6x20 Inbus Niro verstreut
* Lenkkopflager hat Luft
* Kette & Co bald am Ende
* Frontbremsscheiben rubbeln
* allgemeine Verdreckung

Ach was, egal, unbeschreiblich genial war das!

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Beitragvon KNEPTA » Di 08 Jun, 2010 13:02

motorang hat geschrieben:@Justus: :smt023

Hier jetzt die engyltige Fassung in vier bebilderten Teilen auf der motorang-Heimseitnerei:

http://motorang.com/motorrad/2010_fronleichnam.htm

Paul ist kränklich, ich bin daheim und hatte grad Zeit ... und jetzt geh ich Rasen mähen :D

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Andreas, der motorang



:roll: Hm. Jo. Eigentlich war es so ! So
Gitti hat geschrieben:...handlungsorientiert...
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Nix is gölber wie Gölb wie Gröllgölb sölber

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Beitragvon Gitti » Di 08 Jun, 2010 13:31

:wink:
Gryße Gitti, aus x-tal ... früher aus der schönen VorderRhön


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Beitragvon fleisspelz » Di 08 Jun, 2010 13:32

Wir sind früh wach und beginnen mit den üblichen Prozeduren. Es ist Freitag morgen, wir sind am Fuss des Plöckenpasses nahe bei Paluzza in Italien, fauchend wird Benzin in Abgas verwandelt um Espressokannen zum Schwitzen zu bringen. Ich hab einen Kuchen dabei, der Andreas die Milch und der Steve den leistungsfähigsten Kocher am Platz. Noch während der Zahnputzereien und Kaffeesierung wird bereits der Platz wieder in den Zustand zurückverwandelt, den wir vorgefunden haben, nur ein wenig sauberer vielleicht. Es ist eines der zahlreichen Details, die die AiA für mich so besonders machen. Der immer wieder respektvolle Umgang mit der Welt die wir bereisen. Fürchten muss sich vor uns eigentlich nur das Benzin und der Bremsenreiniger.
Und alle unsere Kräder... :-D

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Der Herr Ingenieur erwacht.

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Der Herr Koardl ist derweil schon friesiert und beschriftet....

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...und wir gehen erst Mal Kaffee trinken. Das Leben kann ja so schön sein....

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Und dann geht es auf zum Monte Zoncolan. Die Auffahrt ein Hauptvergnügen. Ein einziger Spass. Ein Wirtschaftsweg neben einem Skilift hoch zur Bergstation, der sich zunächst ähnlich der Mautstrasse zur Edelraute, nur halt frisch asphaltiert, den Berg hochschlängelt, um zum Schluss immer steiler zu werden und in nicht enden wollenden lustigen engen Kehren auf einem kleinen Gipfelplateau zu münden, wo Du schlagartig weisst, Du bist der König der Welt. Anders ist das garnicht möglich, dass Dir die Ehre und das Vergnügen gegönnt ist, dieses gewaltige Panorama zu sehen, und die ganze gewaltige Grossartigkeit der Schöpfung Dir zu Füssen liegt.

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Ganz egal, ob Dein Gott Jahwe, Mohamed, Manitou oder Rock'n Roll heisst, hier oben spätestens begreift der Letzte, das es so schön ist, da muss etwas viel bedeutenderes als Menschen die Hände im Spiel gehabt haben.... Nach einer schweigend beeindruckten Ewigkeit steigen wir auf und fahren ins Tal durch enge Militärtunnels eine Strecke des Giro d'Italia hinab.

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Nach dem halben Berg hat die Bremsflüssigkeit meines Hinterrades den Siedepunkt errreicht und der Hebel gibt nach. Den Rest der engen Abfahrt absolviere ich im ersten Gang. Uwe hat ein vergleichbares Problem an der Vorderradbremse. Beim ihm liegt es aber nicht an der alten Bremsflüssigkeit.
"Wurscht, werd halt ned mehr bremst....!"

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Unten im Dorf angekommen wird standrechtlich die erste italienische Salami verhaftet, der Supermarkt geplündert und ein wenig gerastet, während der Herr Präsident seinen Zündling beschräubelt.

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Zur Bespassung von uns Burschen hat er eigens einen fliegenden Scherenschleifer engagiert, der auf dem Dorfplatz alle unsere Taschenmaesser kleinzuschleifen vesucht, sie aber dann doch nur scharf bekommt. Nach seiner Preisliste zu urteilen hält er unsere Messer für SEHR klein, denn er knöpft uns pro Messer nur zwei Euro ab.

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Anschliessend geht es durch ein langes Tal und wieder gemässigt den Berg hoch, wo wir an einer Gabelung unter gestrenger Bewachung eines Militärpostens die Junak mit einem Makitaakku beströmelt wird. Der Posten (oder muss das in dem Fall Genderkorrekt die Pfostin heissen?) bestehend aus zwei nicht endenwollend quasselnden Soldatinnnen, die abwechselnd auf sich selbst und ein mitgebrachtes Funkgerät einreden.

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Nach Minuten erscheint ein Geländefahrzeug mit defekter Tür, aus dem zwei männliche Soldaten klettern. Der eine bewundert die beiden Uniformträgerinnen, der andere ausgiebig unsere Krautundrübenmotorräder. Der, der bei uns ist hat ein Mordsvergnügen, seinen Kollegen lautstark zu berichten, welches Baujahr und welche Herkunft unsere Eisen haben. Irgendwie scheinen wir dann doch keine Al Queida Mitglieder oder Brigadiere Rosse zu sein, sondern irgendwelche komischen Spinner, die mit völlig untauglichem Material auf mindestens ebenso untauglichen Strassen unterwegs sind. Er fragt noch, wo wir hinwollen. Wir sagen "Cortina d'Ampezzo". Er macht uns klar, dass wir nicht weiterfahren dürfen, weil das Militär auf dem Weg dorthin Schiessübungen macht, es täte ihm sehr leid, aber wir müssten umdrehen. Wir zeigen auf die andere abzweigende Strasse. Er schüttelt mit dem Kopf und sagt, dort könnten wir nicht fahren, da wäre nur Schotter.

Die AiA jubelt und weiss was sie zu tun hat.

Nur mir ist wegen meines Vorderrades ein wenig flau in der Magengegend.

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Es geht stetig und stellenweise sehr steil auf einer ausgewaschenen Schotterpiste, die von Felsen durchsetzt und liebevoll mit grobem spitzen und scharfkantigen Schotter garniert ist berab. Ich finde mich mehrmals am Rand eines Abgrundes balancierend wieder, weil mein Vorderrad mit mir grade macht, was es will. Ich bin nicht fröhlich und halte die ganze Partie auf, die sich ob meiner winzigen Geschwindigkeit Sorgen um mich macht. Irgendwo am ersten Drittel halten alle und beschliessen, ich solle ab jetzt nicht als letzter, sondern als erster fahren, falls etwas mit mir wäre. Jetzt fühle ich mich richtig mies. Ich bin schliesslich nicht hier, um allen den Spass zu verderben....
Es kommt kurz darauf eine erfrischende Furt, dann ein tiefes Geröllfeld, eine etwas erträglichere Schotterpiste, eine Hängebalkenbrücke, wieder Tiefschotter steil bergab und so fort. Dann plötzlich Asphalt und ein kleines Kirchlein. Einen Moment verschnaufen.
Aha, das war also das komische Geräusch. Die Tachowelle ist zweimal um die Achse gewickelt worden, bevor sie gerissen ist. Wurscht, raus damit. Bei den Strassenverhältnissen will ich eh lieber nicht wissen, wie schnell ich grade bin....

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Nach dem Kirchlein kommt eine Folge von sieben oder acht Serpentinen, so gleichmässig gebaut, dass man schwungvoll gleichsam im Dreivierteltakt den Berg hinabtanzt, dann ein weiteres vergleichsweise harmloses Schotterstück, und schon ist eines der grössten Abenteuer dieser Reise für mich überwunden. Bergauf würde ich das sofort wieder fahren. Bergab nur mit einem anderen Vorderrad....

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Wir gehen erst Mal hervorragend italienisch essen, der Präsident schräubelt am Zündling und eine Partie bayerische BMW GS Treiber befragt uns nach dem Streckenzustand. Ich verabschiede sie grinsend mit den Worten "Wenn wir das mit unseren Eisen bergab hinbekommen haben, werdet ihr das mit Euren Eisen doch sicher bergauf schaffen."
Ob die oben angekommen noch freiwillig von uns erzählen, wage ich zu bezweifeln. Heldentum erlebt sich leichter ungeteilt.

Wir fahren dann über den Passo Di Tre Croce nach Cortina d'Ampezzo. Das ist verglichen mit den beiden zuvor erlebten Pässen sowohl was das Panorama betrifft, als auch was die Strecke angeht eher eine unauffällige Angelegenheit. Der Herr Präsident bleibt mit Alex und Uwe im Wald schräubelnd stehen und entsendet die Langhaarfraktion (Jan, Koardl, Steve und meine Wenigkeit) zum Sondieren der Lage nach Cortina voraus. Wir ziehen Geld an einem Automaten, plündern den Supermarkt, machen einen Autoelektriker ausfindig, telefonieren mir einem zweiten, der bereit ist seinen Samstag Vormittag an uns zu opfern und trinken Espresso. Dann machen wir einen Campingplatz ausfindig und trinken noch mehr Espresso. Cortina ist mir fad. Zu viel schamlos zur Schau gestellter Reichtum inmitten einer gigantischen Dolomitenkulisse, die ihren Reiz komplett durch Goldwings, hochglanztätowierte Harleys und schamlos brüllende Maseratis verliert. No place to die, no place to live....

Als der Präsident, Uwe und Alex Entwarnung melden, sammle ich die drei am Stadtrand von Cortina auf, sie beplündern auch noch eben die von uns zurückgelassenen traurigen Überreste des Supermarktes und wir fahren Richtung Marmolata, wo Uwe einen hübschen Campingplatz kennt.

Eigentlich habe ich als Folge der vielen Rumsitzerei keine rechte Lust mehr, noch viel zu fahren, aber ein Stündchen ist schon noch drin. Wir fahren den Passo di Giau hoch, was sehr schön ist und oben werden wir mit der definitiv erhabensten Kulisse dieser Ausfahrt in perfektes goldenes Abendlicht getaucht belohnt. A place to die....

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An irgendeinem der zahllosen Pässe, deren Namen ich längst vergessen habe, fällt Andi ein, dass er mal zur Abwechslung seinen Züdling beschräubeln könnte. Schwupp bin ich der Tourguide für die Langhaarfraktion in einer Gegend der Welt, die ich noch nie unterm Gummi hatte und ohne zu wissen, wo ich eigentlich hin will.

Kaum dass ich den Campingplatz gefunden habe fahren die drei anderen auch schon hinter uns auf das Gelände. Mir gefällt die Tatsache einen Welnessbereich mit funktionierenden Klopapierhaltern vorzufinden ebenso, wie die zurückhaltende und freundliche Servilität der Campingwirtin, deshalb versacke ich beim Rotwein und immer mehr AiAler gesellen sich um mich, bis wir Mitternacht vom Hunger gepeinigt zu den Zelten und den Vorräten umziehen. Als auch die geplündert sind schlafen wir friedlich in einer Kulisse ein, von der wir erst beim Aufwachen wirklich Notiz nehmen können.
..........................
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Passo Ghiau

Beitragvon Maybach » Di 08 Jun, 2010 14:38

Servus,

neidig kann man werden. Richtig schön wirds am Ghiau aber erst, wenn man die Berge (Nuvolau und Averau) besteigt. Schön luftig ...

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Beitragvon Fränky » Di 08 Jun, 2010 19:27

Hallo,
toller Bericht und noch bessere Bilders.
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Ciao
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Beitragvon fleisspelz » Di 08 Jun, 2010 19:32

Der dritte Tag unseres Abenteuers beginnt mit einer Reihe guter Nachrichten. Zunächst ist es für mich eine gute Nachricht, daß er nach dem Aufwachen beginnt. Das ist ja bei Motorradfahrers nicht immer üblich. Dann gibt es die Nachricht, daß Andreas Zündling endgültig repariert ist. Das ist fein. Es gibt einen hervorragenden Cappuccino, einen Frühstückstisch in der Sonne, eine sanft geschwungene Wiese drumrum, mein Handy ist von freundlichen Nachbarcampern frisch bestromt und die Sonne lacht aus vollem Herzen. Ein traumhafter Tag beginnt. Das schönste aber ist, daß Uwe uns auf einen wirklich traumhaft schönen Campingplatz mit einer überwältigenden Bergkulisse geleitet hat, auf den ich auch einmal die Tina mitnehmen kann, zumal er so einen hübschen Wellnessbereich hat. Ich übernehme die Bezahlformalitäten und es genügt der Betreiberin mein Personalausweis. Ich soll halt die Namen der anderen angeben, damit diese in das polizeiliche Melderegister eingetragen werden können. Kein Problem. Der Gemeindepolizist darf also in das goldene Buch eintragen:
Andreas Präsidial, Alexander Junak, Uwe Knepta, Karl Rotfront, Steve Dunkelbunt und Jan von Vero. Meinen Namen musste ich leider im Original übertragen.

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Ich unterhalte mich mit Uwe und Alex, denen ich auf dieser Ausfahrt viel an Fahrtechnik abgeguckt habe und lerne wieder so manches dazu. Einiges wusste ich zwar in der Theorie, aber die kleinen engen Pässe helfen doch sehr, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Grade ich aus einem Land im zivilen Mitteleuropa bin weder in den wilden Schotterpisten, noch in den verschlungenen Asphaltkehren sehr geübt. Danach diskutieren wir mit dem Präsident die Tour, da wir wegen der ausgiebigen Pausen des Vortages ja nicht so weit nach Westen vorgedrungen sind, wie eigentlich geplant, was aber niemanden sehr stört. Die Strada Panorarica delle Vette wird von Uwe und Alex sehr favorisiert, ich schlage den Stol vor, wie üblich haben wir schnell 14 Meinungen, weil sieben Leute Vorschläge einbringen und jeder davon irgendwie reizvoll ist.

Steve hat aus einem Campingstromkastl, seiner Dunkelbunten und einem Seil zehn Meter Wäscheleine gebaut, wir duschen, trocknen Schlafsäcke und Handtücher und klettern als neugeborene Menschen ohne den Kradisteniltis unter der Achsel auf die Kräder.

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Es geht malerisch an einem Stausee vorbei und einen engen Pass hoch, der so dicht in beide Richtungen befahren ist, daß mein Geistesauge sommerliche Szenen von einem Motorradstau in zwei Richtungen ausmalt. Alles geht brav und gesittet zu und ist überwiegend in deutscher Hand. Mir fällt das belauschte Gespräch an einer Tankstelle in Österreich ein, daß am Fronleichnamstag zwischen einem Mietautofahrer aus Dochtmund und der Kärntner Kassiererin geführt wurde:
'Ich brauche Briefmarken'
'Na, entschuldigens, da hommer an unsere Tankstöll kaane'
'Doch!'
Uuuuups. Schlagartig werde ich aus meinen Tagträumen gerissen, als mir eine deutsche BMW auf meiner Seite entgegenfliegt, in dem Versuch eine andere ebensolche zu überholen. Muss sicher was wichtiges gewesen sein, sonst hätte er ja sein und mein Leben nicht an einen seidenen Faden gehängt....

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Am ersten Tag auf dem Schotter bergab noch in Kärnten hatte ich eine vergleichbare Begegnung mit einem bergauffahrenden Henkelkörbchen-Golf-Fahrer-Bürscherl, der leider gerade ein wichtiges Telefonat führen musste und daher in einer Kehre, die er mit einem sechziger hochgeflogen kam keine Hand zum lenken freihatte. Der hat jetzt eine Delle von meiner Hand in seiner metallicfarbenen Motorhaube. Dem BMW Vierventiler Wunderwarzenschwein hätte ich gerne einen Zylinderkopfdeckel beleidigt, aber er war zu schnell weg. I wish you luck....

Wir fahren dann den Pass runter und suchen uns was zum essen. Die AiA jausnet ja kontrazyklisch. Immer wenn die Wirten eine prall gefüllte Speisekarte und reichlich Personal bereit haben, nutzen wir die leeren Strecken zum fahren, und wenn dann die Wirten schlafen gehen wollen, fallen wir wie die Heuschrecken über sie her und fressen alle Reste ratzekahl leer. In der Osteria beginnt die Kellnerin gerade von Panini zu faseln und sich unseren Unmut zuzuziehen, als der geübte Wirt die Situation gekonnt deeskaliert indem er uns mit krügeweise Bier und hausgemachten Brennesselnudeln mit Fasanragout bedroht. Wir kapitulieren und essen halt was.

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Nach dem Essen bleibt piffz die endgültig reparierte Präsidial Nix Tee stehen. Die Stimmung steigt, erste Wetten werden vereinbart, neue Tagesschuldige ausgesucht, da heisst es plötzlich:
'Einen Stock'
...und Zack steht ein schimpfender Strauch mit einem fehlenden Ast am Wegesrand. Die Tankentlüftung ist vom Tankrucksack empfindlich beleidigt worden und der Stock sorgt jetzt für ausreichende Distanz zwischen den Streithanseln. Alle wieder raus aus dem Sauerstoffzelt....

Wir fahren wieder Richtung Paluzzo, und dieses Mal ist der Weg, der dort beginnt, wo wir auf die Militärpfostinnen getroffen waren offenbar von einer gigantischen Kolonne Militärfahrzeuge dermassen mit Schotter und schmierigem Dreck verunreinigt, dass es mir drei Mal in kurzer Folge das Vorderrad verreisst. Beim dritten Mal bin ich so knapp an einem Sturz vorbeigesegelt, dass ich in Blümchenpflückermodus umschalte. Kurz später begegne ich Uwe und Alex, denen es ähnlich geht. Liegt also scheinbar nicht an einem persönlichen Knoten im Kopf.

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Beim schiefen Turm parkieren wir und überfallen erst Mal den örtlichen Supermarkt.
Schwer bepackt schleppen wir die Beute zu den Motorrädern. Steve Dunkelbunt plündert noch zum Allgemeinwohl den lokalen Bäcker, während ich den Präsidenten begleite, einen Campingplatz drei Dörfer weiter auszukundschaften. Leider ist der geschlossen, offenbar seit Jahren, also beratschlagen wir in der Gruppe, die 15 Kilometer bis Ravascletto weiter zu fahren. Dort soll es möglicherweise einen Campingplatz geben, wenn nicht suchen wir halt irgendwas in der Pampa. Jedenfalls wollen wir das Gepäck abschmeissen und die Panoramica fahren. Bin ich froh, dass das auf die Nacht nix mehr geworden ist.....

In Ravascletto gibt es einen Campingplatz, der aber wegen Urlaub geschlossen ist. Auf der angegebenen Telefonnummer für Notfälle ist nur ein Blechtrottel der mir sagt, es sei niemand erreichbar. Wir beginnen gerade, uns zu fragen, ob wir einfach doch dort campieren, während Steve noch auf Erkundungstour nach einer Lageralternative geht, da ruft mich Uwe an und sagt, dass die Kopfdichtung der Enfield sich nicht mehr länger wehrt und wir daher umplanen müssen. Jan macht sich zur Bergungsassistenz auf, Andreas sucht rund um den Campingplatz nach Wildzelteralternativen und ich verfolge einen örtlichen Motorradfahrer, der an uns vorbeirast. Leider verschwindet der hinter irgendeiner Kurve, so dass ich ihn nicht mehr um Örtlichkeitenhilfe ersuchen kann. Macht nix, da drüben ist eine Bar del Sport. Der deutlich schwankende Wirt mit der Hippiefrisur und der abgeschnittenen Jeansjacke fährt mir voraus zu einem Festplatz, der ihm gehört. Dort dürfen wir laut sein, Lagerfeuer machen, Campieren und was immer wir wollen. Genau den gleichen Platz hatte Steve auf seiner Erkundung auch schon für geeignet befunden, und so ziehen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit dort ein.

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Fortsetzung folgt ...
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Tourbericht

Beitragvon Maybach » Di 08 Jun, 2010 20:02

Justus, wenn alle so gut fahren könnten wie Du schreiben, dann hättest Du keine Möglichkeiten, von "Warzenschwein-Vierventilern" zu schreiben. Ich weiß jetzt nicht, was ich mir mehr wünschen sollte ...:-D

Chapeau!

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Beitragvon fleisspelz » Di 08 Jun, 2010 22:51

Uwe schicken wir in die Holzhütte, weil wir glauben, dass das der beste Platz zum Schrauben sein wird, während wir diverse Würschte Käse und Schinken niedermetzeln, nicht ohne den Uwe auch mit Wurstbroten und Rotwein zu motivieren, weiterleben zu wollen.

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Es gelingt nur knapp, weil er in den Tiefen der Oilfield- Eingeweide verschwunden ist. Für jede Zigarette, jeden Schluck Wein und jedes Wurstweckerl müssen wir den armen Kerl irgendwo zwischen Auslassventil und Vergaser herausfischen. Jan legt sich nur Mal kurz ab und erzeugt Sekunden später sägende Geräusche. Ein bisschen lassen wir ihn in voller Montur liegen, dann geben wir die Hoffnung auf und Steve deckt ihn mit seinem eigenen Schlafsack zu, während ich den Platz unter dem Tarp für ihn freimache. Steve, so etwas wie der stets freundliche ruhende Pol unserer Partie organisiert ein kleines beschauliches Lagerfeuer, das in dieser Nacht wenig frequentiert wird. Der Herr Präsident beschliesst gegen Mitternacht (gefühlte zehn Uhr abends)etwas Kraft für den kommenden Tag zu sammeln, was weise ist. Unsere Enfieldbeschraubungen werden jetzt von zwei Seiten mit liebevollem Sägen unterlegt.

Der Kopf ist mit Axt und einem Besenstiel aus dem Mistkübel und den gesammelten Werkzeugen aus allen "leichten Gepäcks" schnell herunter. Die Diagnose ist eindeutig, die Lösungsansätze sind vielgestaltig. Ich überlege, ob ich nach Retz zum Albert toben soll, eine Kopfdichtung holen, der Präsident telefoniert viele Bekannte ab, die etwas haben könnten, während Uwe, Alex und Koardl bereits über die Lösung mit Bordmitteln nachdenken. Dazu wird zunächst die Planheit der Dichtfläche des Zylinders mit einer Weinflasche geprüft, deren Inhalt längst in uns verschwunden ist. Gegengeprüft wird das Ergebnis mit einem iPhone. Leider gibt es davon kein Foto....
Die Prüfung ergibt, dass nur ein leichter Grat an der Kolbenseite der Dichtfläche stört. Der ist mit der Feile eines Leatherman schnell entfernt. Erneute Überprüfung ergibt Planheit der Guss-Dichtfläche zylinderseits.

Jetzt muss der Aluminium-Zylinderkopf bearbeitet werden. Unsere Theorie ist, dass ein planer Gusszylinder und eine darauf korrekt eingeläppte Alukopf-Dichtfläche eine perfekte Dichtungsfreie Kombination sind, und wir dann nur noch die beiden Ölführenden Stösselbohrungen abzudichten haben. Im Nebeneffekt müsste gar die Kompression noch erhöht werden, und damit die Bergtauglichkeit der Rennfield.

Alle B, C und D-Pläne, inclusive Heimholung der Enfield mit Utz etc. sind zu diesem Zeitpunkt nette backups ohne wirkliche Beachtung.

Es ist ein Uhr am Morgen, wie haben Steine aus dem Bach, Kaffeepulver, Zahnpasta, Handwaschpaste und einen Plan. Morgen fahren wir die Panoramica. Das steht fest.

Steve markiert stets jedes neu bereiste Land mit einem weissen Edding auf dem Tank der Dunkelbunten. -An dieser Stelle möchte ich nochmals eine Lanze für dieses Eisen als ein wahrhaft würdiges brechen, vor allem so wie Steve den Ömmes bewegt.- Der Edding ist als Touchierpaste nachgerade ideal. Alex baut mit einer Gripzange und mit Kontermuttern am Gewinde die Stehbolzen aus. Das dient nur dazu, den Kopf frei auf dem Zylinder drehen zu können.

Im ersten Schritt schabt der Herr Koardl mit einem frisch geschliffenen Jausenmesser (ihr erinnert den Scherenschleifer vom vorigen Tag?) an den Stellen, an denen das Tragbild eindeutig Hügel am Kopf nachweist. Das Schaben ist in zehn oder zwölf Arbeitsschritten erledigt.

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Währenddessen klebt der Uwe mit Sekundenkleber exact mit der Federschere eines Multitools ausgeschnittene Schleifpapierstücke auf den Gusszylinder. Jetzt wird der Kopf auf den Zylinder gesetzt und mit Viertelkreisdrehungen die Aluseite auf die Gusseite eingeschliffen. Da sich das Schleifpapier recht schnell zusetzt wird es mit einer Zahnbürste gereinigt und der Reibwert wird mit dem Staub erhöht, der entsteht, wenn man zwei Steine aus dem Fluss aufeinanderreibt. Das Schleifpapier wird mehrmals ausgewechselt und Reibwertoptimiert und jeder darf mal schleifen. Irgendwann wird die Dichtfläche für grundsätzlich Plan befunden, so dass wir vom bösen Schleifen zum feinsinnigen Läppen übergehen können. Jetzt ist Kreativität gefragt. Uns sind als Läppmedium eingefallen: trockenes Speisesalz (geht so) Kaffeepulver (recht gut) Handwaschpaste vom Aldi (Hofer) (sehr gut) und Zahnpasta mit Kaffeepulver und Bachsteinmehl vermischt (ausgezeichnet).

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Schliesslich werden die Dichtflächen unisono für würdig befunden und wir beginnen die Abdichtung der Stösselkanäle.

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Alex beschliesst, dass ca. zwei Dichtungen aus Milchtetrapack, jeweils beidseitig mit hitzefestem Silikon bestrichen ausreichen sollten. Etwa zu diesem Zeitpunkt verabschiedet sich Steve in den Schlafsack. Die Milch wird noch schnell in eine Weinflasche gefüllt, die brauchen wir noch zum Frühstückskaffee. Der Tetrapack ergibt ausgezeichnete Dischtungen, die mit dem Jausnermesser und der Federschere des Multitools ausgeschnitten werden. Alex baut die Stehbolzen wieder ein. Im Gewinde von einem davon befindet sich so viel Schleifgut, dass er jetzt etwa sieben Millimeter weiter herausschaut, als seine fünf Kollegen. Wurscht.

Etwa zu dem Zeitpunkt, als die beiden Milchkartondichtungen an ihrem Ort sind und der Zusammenbau aller Komponenten erfolgen soll dämmere ich bei geöffneter Weinflasche weg. Kurz darau wache ich von einem eigenen Schnarcher auf, bette mich in meinen Schlafsack und verabschiede mich kurz. Uwe und Alex hatten nicht so viel Glück, wann der Herr Koardl zu Bett gekrochen ist weiss ich nicht, gegangen ist auch er sicher nimmer...

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Uwe und Alex haben den Wupptich zusammengebaut, den Kicker getreten und es machte Pfffffffft.

Zwei Milchpackerldichtungen waren wohl doch zu hoch, was anderes kann das nicht sein. Also alles noch Mal von vorn. Abbauen, eine Dichtung raus, zusammenbauen, kicken, pffffffffft.

Fluchen, alles auseinander, auch die letzte Dichtung raus und nur mit Silikonpampe dichtschmieren. Zusammenbauen, kicken, oha. Das Knie schmerzt. Vergaser und auspuff dran, Tank drauf kicken
Brrrrrrooooooooaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhh.......
Alle sind wach.
Kein Gejubel, mangels Energie.
Nur von mir ein mattes: "na das klingt doch schon ganz gut."

Es ist halb fünf, als Uwe und Alex auch schlafen gehen. Die Panoramica kann kommen.
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