Wie jedes Jahr am ersten Dezember-Wochenende lädt Jean-Louis ein zum „Authentic“ in die Auvergne und da letztes Jahr das Taxi zu dieser Zeit noch geschwächelt hat, ist diesmal der Druck um so größer, da wieder hinzufahren.
Wie jedes Jahr wird aus Zeitgründen (der Boscho ist nicht der einzige, der meine Zeit verplant ) bis zu Freunden in der Nähe von Auxerre getrailert und von da geht es mit dem Taxi 350 km nach Süden entlang der Loire und des Allier in die Berge.
Leider geht erstmal nicht alles so glatt wie gewünscht:
Mich ereilt dasselbe Schicksal wie den Präsidenten auf der Herbstausfahrt 2008: schon 20 km nach dem Start kündigt in St-Amand meine Ritzelmutter die Zusammenarbeit auf und verabschiedet sich ins Nirgendwo.
Aber der Gott der Winterfahrer ist mit mir und während ich mir noch den Kopf kratze und überlege, wo ich jetzt den steirischen Bauern finde, der die gesuchte Mutter im Schachterl liegen hat, hält neben mir einer mit einer heruntergerittenen Peugeot-Camionette und fragt nach meinem Problem.
Ich habe es noch nicht richtig ausgesprochen, da sind wir schon auf dem Hof eines Gartengeräte-Händlers und -Reparateurs, der aber nach Vermessung des Gewindes auf der Welle (18x1,00) abwinken muss.
Also geht’s weiter zu einem weiteren Nachbarn, der neben anderen undurchschaubaren Tätigkeiten auch Gabelstapler repariert, aber dessen grösste Lebensleistung wohl die Erfindung des Chaos ist: unglaublich, was man auf geschätzten 500 m² für einen Saustall anrichten kann!
Aber: ein Griff in eine Kiste mit mit Teilen eines geschlachteten Kampfpanzers (sic!) fördert eine wenigstens ähnliche Mutter zutage, die sich wohl aufschrauben, aber nicht wirklich festziehen lässt, ohne das Gewinde zu beschädigen.
Zurück beim Gartengeräte-Händler dreht dieser noch schnell eine Distanzscheibe zwischen Mutter und Ritzel auf seine alten riemengetreibenen Drehbank, nachdem er erstmal alle Lagerstellen der Bank per Ölkännchen mit Schmierstoff versorgt hat und spendiert auch noch etwas Locktite, mit der die Mutter verklebt wird.
Meinem Freund fällt noch ein Motorrad-Schrauber in der Nähe ein, der Auf Nachfrage sagt, er hätte ein Schlacht-XT stehen, bei der man eventuell fündig werden könnte.
Aber jetzt ist erstmal Mittagspause und vor 14.00 Uhr geht gar nix. Mein Freund ruft also Madame an, die sofort noch einen Boudin Blanc in die Pfanne wirft und so komme ich auch noch zu einem ordentlichen Mittagessen.
Er geht dann noch in die Garage, um vielleicht da noch was in einem kürzlich geschenkten Teile-Konglomerat was zu finden und als er das Tor öffnet, wird auch klar, warum er sich für mich interessiert hat:
Zwei Vierventil-BMWs stehen da auch noch, aber da weiss ja eh jeder, wie die ausschauen...
Wie auch immer, die Schlacht-XT erweist sich als eine 1VJ, die so schlachtmässig eigentlich gr nicht aussieht, aber noch die grobverzahnte Welle hat, meine hingegen schon die feinverzahnte.
Also wird die meine frischerworbene Mutter mit einem Schweisspunkt gesichert und um 15.00 Uhr bin ich endlich auf dem Weg, 300 Rest-km vor der Brust.
Die weitere Fahrt verläuft bei ekelhaft feuchten ca. 0° problemlos, aber die letzten 40 km im gefrierenden Nebel auf kurvigen Bergstrassen ins Nirgendwo gehören mit eh schon ein wenig angeschlagener Moral zum unangenehmeren Teil meiner Winterfahr-Erlebnisse.
Gegen 21.00 bin ich dann auf dem Platz, baue mein Zelt auf neben ein paar Walisern und einem Holländer, die sich am nächsten Morgen nur noch eingeschränkt an das erinnern, worüber wir uns noch unterhalten habe und krieche dann in den Schlafsack.
Der Samstag geht viel zu schnell vorbei mit Moped-Schauen und Blödsinn-Reden mit den französischen, walisischen und holländischen Freunden.
Neben modernem Zeug sind da auch Velocettes, Triumphs, Terrots und sogar eine Rene Gillet aus den 20ern, der auf Achse ca. 200 km angereist ist. Gut gefallen hat mir ein Vater-Tochterpaar, er mit E-Glide aus den 70ern, die geschätzt 17jähre Tochter mit einer TS-Hufu. Leider kam ich nicht ins Gespräch mit den bieden.
Mein Favorit aber ist ein Typ, der auf der Mobylette aus Nizza gefahren kam und auch sonst Frankreichweit mit der Mobylette unterwegs ist, weil er wegen einer Behinderung nie den Motorrad-Führerschein machen durfte.
Sonntag dann das Übliche, einpacken, Abschiednehmen, die Waliser haben Zeit und wollen zur Fähre bummeln, also ziehe ich am Seil, das Taxi rennt wie der Teufel und trotz gefrierendem Nebel zwischen Clermont und Moulins bin ich um 14.30 beim Auto, um 16.00 bin ich wieder auf dem Weg und da ich nicht müde werde, krieche ich um 03.30 morgens nach ca. 1200 Tages-km kaputt und zufrieden ins Bett.
Ich hab mich mit Simon darüber unterhalten, warum wir uns das Ganze immer wieder antun, aber das Fahren bei widrigen Bedingungen, bei eisigem Wind mit den Kumpels ums Feuer zu hocken und dann nach Hause zukommen mit dem Gefühl, es wieder geschafft zu haben, ist einfach unübertroffen.
Leider gibt es wieder mal kaum Fotos, erst hat der Bediener geschwächelt und dann der Akku.
Grysse Bernhard