Das Getriebe ist drin, ebenso der Endantrieb. Außerdem habe ich die Sau bewegt, da sie mich morgen zur Arbeit bringen darf, während der Benz malade ist, Achim hat mir die Satteltaschen geflickt, ich selbige eingewachst, ebenso wie meine guten Leder-Wanderschuhe. Es geht doch nichts über einen geruhsamen Sonntag. Di., 23.05.17
Ab nach Kelso. Wir sind überrascht über die Grösse der Stadt. Diverse Kirchen und eine historische Altstadt mit Abbey. Wir nehmen ein full scottish breakfast mit diesen unsäglichen Würstchen, blackpudding, haggis, backed beans, bacon, Eiern, Tomaten und Kaffee. Das hält lange vor.
Wir fahren weiter auf der 68, die Fahrbahn ähnelt einer Achterbahn. Wir erreichen Corbridge, ein schnuckliges Städtchen. Wir finden die Tourist - Info just als die Dame hinter der Theke ihre Mittagspause geniessen will. Extra für uns sperrt sie nochmal auf und versorgt uns mit einer Liste mit Campsites entlang des Hadrianwalls. Unsere Karte erweist sich als zu ungenau, so beschliessen wir an der Küste nach einem Platz zu suchen.
Lange Rede, kurzer Sinn: 130km für nix! Etwas entnervt treten wir den Rückzug an. Auf der Liste ist ein Campingplatz in Wylam angegeben, allerdings „nur für Mitglieder“. Für die letzten 2 Nächte lohnt sich eine Mitgliedschaft nicht, wir riskieren es trotzdem.
Nirgendwo ein Hinweisschild, wir testen jeden Ortsausgang, finden aber den Platz nicht. Schliesslich überqueren wir den Fluss und stehen direkt an einer kleinen Bahnstation mit einer pittoresken Fussgängerbrücke. Man hat den Eindruck, hier habe sich in den letzten 100 Jahren nichts verändert. Direkt gegenüber ist das „Boathouse“, ein netter Pub mit Sitzmöglichkeit im Freien. An einem der Tische sitzen ein Paar Gärtner und Gärtnerinnen beim Feierabendbier. Beim Helmabsetzen höre eine der Frauen sagen: „Oh, they got lost!“ Ich stapfe rüber und bestätige das. Auf meine Frage hin weiss tatsächlich eine der Gärtnerinnen den Weg und erklärt mir den sehr wortreich und sehr kompliziert. Währenddessen nimmt einer ihrer Kollegen lächelnd ein Stück Papier und malt mir eine Anfahrtskizze von erschütternder Einfachheit.
Wir finden es auf Anhieb und sofort kommt der Platzwart hinzugesprungen. Er hat selbst einige alte Triumph und beim Anblick unseres Gefährts interessiert die Mitgliedschaft im Campingclub überhaupt nicht.
Der Platz ist wunderschön, wild, ziemlich leer und sehr „basic“, will heissen, es gibt nur ein Waschbecken, eine Toilette und keine Duschen. Wurscht, geht auch mal.
Wir richten uns häuslich ein und kehren zum Boathouse zurück, bedanken uns bei unseren Gärtnern und probieren einige der Zapfbiere (14 Handpumpen mit unterschiedlichen Sorten!).
Es wird ein paar lustige Stunden, wir geniessen die Gastfreundschaft und die nette Gesellschaft.
Später gehen wir noch ins „Ship Inn“, wo wir hervorragend essen. Ich muss sagen, kulinarisch hat sich in GB einiges getan, wenn man früher was vernünftiges essen wollte, ging man zum Inder / Pakistani / Asiaten, mittlerweile geht es auch anders, meine Pasta Arabiata ist sehr scharf und das Knoblauchbrot waffenscheinpflichtig
Am Abend erfahren wir von einem Attentat bei einem Konzert in Manchester, 22 Tote, knapp 60 Verletzte.
Von der Bahnstation geht stündlich ein Bimmelbähnchen nach Newcastle, das kommt uns sehr entgegen, morgen ist Stadtbummel angesagt.
Mi., 24.05.17
Wie schön, man kann im Schienenbus noch das Billett beim Schaffner lösen und muss nicht wie in Deutschland mit irgendwelchen dämlichen Automaten kämpfen, die einem dann das Geld nur bügeln und nicht annehmen. Nach 20 min kommen wir an der Central Station an. Um rauszukommen müssen wir eins der 4 Tickets, die wir gekriegt haben einscannen, nur welches?
Auch hier freue ich mich über entsprechendes Personal, eine Dame in Uniform kommt angehüpft, ohne dass ich fragen oder um Hilfe schreien muss. Sie guckt auf unsere „Klopapierrolle“, schüttelt den Kopf und meint, bei dem vielen Papier könne das ja keiner wissen und öffnet uns den Ausgang.
Das Sicherheitsystem verstehe ich nicht: wir kommen nur mit Ticket raus, später kommen wir aber ohne rein?!
Das Attentat hinterlässt Spuren, überall schwer bewaffnete Polizisten.
Wir strolchen durch den Grainger Marketplace, eine wunderbare Markthalle, ähnlich Covent Garden in London, schauen uns die Kayside und diverse imposante Bauwerke an.
Auch die Brücken sind eindrucksvoll, vor allem die alte Drehbrücke.
Wir erwischen in einem Pub die Happy Hour und zahlen für je 2 Pint 4 Pfund. Zum Schluss finden wir noch eine nette Bar, vor der wir eine Weile spazierensitzen.
Die Karte ist mit einem Guzzi - V2 dekoriert und im Treppen Abgang zum Klo steht eine Morino Corsarino. Im Angebot ca. 30 Sorten Bier!
Der Verkehr wird bestimmt von Unmengen Bussen und Taxis und einer verschwindend geringen Anzahl Privatautos. Im Schnitt kommen auf einen PKW 4 Omnibusse!
Wir kaufen noch ein paar Kleinigkeiten ein und fahren zurück.
Nach dem Essen geht es nochmal ins Boathouse und wir haben eine Menge Spass, der Abend wird lang.
Es gibt etwas Gutes in dieser Welt, Herr Frodo, und dafür lohnt es sich zu kämpfen.
(Samweis Gamdschie)