Fortsetzung
Weiter ging die Reise nach Torgau, der Stadt, wo sich Russen und Amerikaner 1945 erstmals die Hände reichen konnten. Und weiter bis kurz hinter Herzberg, wo ich mich dann Richtung Norden auf keinen und kleinsten Straßen "vorgearbeitet" habe. Dabei kam ich auch durch Gebersdorf, wo eine wirklich bildschöne spätmittelalterliche Kirche stand. Ich habe abgehalten, mit das Kirchlein von außen angesehen und wurde von einer Anwohnerin zunächst recht schroff gefragt, was ich da machen würde.
- Kirche in Gebersdorf
Ich habe dann die Schönheit der Kirche gelobt, was sie milder gestimmt werden ließ. Sie entpuppte sich als die Küsterin, hatte aber gerade keine Zeit, mich in das versperrte Gotteshaus einzulassen. Im übrigen wäre das auch gar nicht nötig, weil wir "in Österrreich ja auch so schöne Kirchen hätten". Ein interessanter Ansatz ...
Nickname-bedingt bin ich dann weiter nach Wünsdorf. Dort waren bis 1994 die Russen mit Ihrem Hauptquartier vertreten. Davor war es Führungszentrale der Wehrmacht. Davor Schießplatz der preußischen Armee. Aus der Zeit bis 1945 sind die beiden Führungs- und Kommunikationsbunker-Anlagen "Zeppelin" und "Maybach" erhalten. Das musste ich doch wenigstens mal gesehen haben, zumindest von außen. Eine bizarre Anlage, aus der Raketen-gleich die Spitzbunker herausragen.
- Spitzbunker aus dem 2. Weltkrieg in der "Verbotenen Stadt" Wünsdorf
Langsdam neigte sich der heiße Tag Richtung Abend und ich hatte zwischenzeitlich ein Zimmer gefunden. Im Benediktinerinnen-Kloster St. Gertrud in Alexanderdorf.
- Das Kloster St. Gertrud. Motorräder sind dort eher selten ...
Eine Mischung aus gelebtem Zölibat (ein wenig spooky!), hoher Gelehrsamkeit, großartigem Baumbestand und den wenigen Menschen von außerhalb, mit denen sich sehr gute Gespräche ergaben. Darunter auch ein Abt aus Oberösterreich, der meinte, er sei der einzige Österreicher, der dieses Kloster kennen würde, weil er dort schon seit 18 Jahren Urlaub machen würde. Ich konnte ihn beruhigen, weil an mir ja nur das Kennzeichen österreichisch ist.
- Ein großartiger Baumbestand im Kloster! Er ist zurückzuführen auf den ehemaligen Eigner Graf Schwerin, der zugleich auch Vorsitzender der dendrologischen Gesellschaft war.
Am nächsten Morgen ging es nach einem wohl nur nach benediktinischen Maßstäben reichhaltigen Frühstück weiter. Schön früh wurde es "sakrisch" heiß, so dass alle Belüftungsöffnungen an der Goretex-Jacke geöffnet wurden - und mir prompt eine Wespe vom Halsausschnitt nach unten zu krabbeln begann. Die wilden Verrenkungen und das auf sich einschlagen können wohl nur Motorradfahrer nachvollziehen, die sowas schon erlebt haben. Irgendwann glaubt ich, die Übeltäterin erschlagen zu haben - da stach sich auch zu und arbeitete sich weiter nach unten vor. Ein zweiter Stick, aber nun war deutlich zu spüren, wo sie sich herumtrieb. Und der nächste Schlag löschte dieses hoffnungsfrohe Insektenleben aus. Das alles trug sich zu auf den wenigen Kilometern kurz vor dem Schwielochsee, woich am alten Bahnhof der Pferdebahn (!) eigentlich einen Kaffee trinken wollte. Und eigentlich hätte ich Fenistil gebraucht - hatte ich aber nicht dabei. Und Kaffee gabs auch nicht, weil es seien Ferien ...
- "Hafenidylle" am Schwielochsee
Irgendwie will mir das nicht in den Kopf, dass man die Attraktionen und Gastronomie dann schließt, wenn zumindest theoretisch die Chance besteht, dass auch Leute kommen. Nun ja.
Über Guben ging es dann nach Polen hinein. Und wenn man dann schon zwei Tage Brandenburg hinter sich hat, dann freut man sich über die Straßensituation in Polen: Alles neu, vom Feinsten. Vielleicht ausgenommen die Vizinalsträßchen dritter Ordnung. Da schüttelt es einem noch immer die Zeiger aus der Uhr, weil man die dünne Asphaltschicht einfach über das Kopfsteinpflaster geschmiert hat. So erreichte ich das alte Crossen an der Oder, heute Krosno Odr... Dort etwas zu essen zu finden, war ein wenig tricky und nur durch die tätige Hilfe einer polnischen Motorradfahrerin wurde mir der rechte Weg gewiesen. Danke unbekannterweise nochmals!
Nach der größten Mittagshitze ging es dann weiter nordwärts durch hügeliges Gelände, Wald- und Seenreich. Und keine Autos - a Traum! Und auch die Übernachtung war bereits geregelt: Auch hier war die bereits genannte Motorradfahrerin hilfreich gewesen, indem sie die Buchung in einem wirklich erstaunlichen resort namens "Kormoran" getätigt hatte. Das liegt bei Sulecin und man erreicht diese Idylle mit Badesee durch eines der ehemals wohl wichtigen, aber nun eher zerfallenden Industriegebiete mit ihrem morbiden Charme, die aber dann das Ziel in deutlich heller werdendem Licht erstrahlen lassen.
Ich habe mich auf Anraten (siehe oben!) gleich für zwei Nächte einquartiert und es nicht bereut, zumal ja nun auch schon die ersten 1000 km abgespult waren.
- Badesee in der Hotelanlage "Kormoran". Das gelbe Schild mahnt, nicht weiter raus zu schwimmen, weil dort a) Fontänen angehen könnten und man b) einen Stromschlag bekommen könne. Letzteres ein besonders spannender Aspekt in einem Gewässer ... Schwimmen morgens und Abends war natürlcih Pflicht.
Am Folgetag wollte ich mir nur wenige Kilometer geben und bin beim umhergondeln durch die weiten Wälder auf eine der wohl für Polen typischen Waldkasernen getroffen (Wedrzyn). Nach meiner Einschätzung mindestens eine halbe Panzer-Brigade, also doch recht groß. Und eine Garnisonskirche und ein (nicht mehr betriebenes) Offizierscasino mit einer riesigen Wandbemalung, die zeigt, wo sich die Traditionslinien der polnischen Armee finden lassen. Letztlich ist es die Kavallerie, die noch im 2. Weltkrieg mit ebenso tapferen wie sinnlosen Attacken gegen mechanisiserte Gegner antrat und deren "Urväter" die Flügelreiter waren, mit denen der polnische König Johann Sobieski die Türken vor Wien vertrieb. Ich bin, weil mich solche Traditionslinien und die Meta-Ebenen auch der Armeen interessieren, noch in die Garnisonskirche. Schon erstaunlich, was die katholische Kirche bis und mit heute für Polen und seine Armee spielt!
- Wandschmuck an der Außenwand des ehem. Offizierscasinos