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Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Do 04 Aug, 2022 12:47

Fortsetzung...

Es war heiß und so bin ich wieder nach Sulecin retour, auf der Suche nach einem Café. Und ich fand sogar ein Eiscafé! Angenehm klimatisiert und voller Köstlichkeiten. Ein Eiscafé und ein "Ekler" mussten es dann schon sein.

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Polnisches Ekler (heißt echt so!) und ein Eiscafé ...


Wer französische Eclairs kennt, weiss, dass das die essbare Variante von Leichtigkeit und süßem Geschmack ist. In Polen ist das beinhart Buttercreme und ich habe schlicht und ergreifend nur die Hälfte geschafft. Den Eiscafé habe ich aber ganz vernichtet und brauchte dann auch den Rest des Tages keinen Kaloriennachschub mehr. Und da gegenüber des Eiscafés auch gleich noch die Stadtkirche stand, wurde die auch gleich noch "zwangsbesichtigt". Backsteingotik aller Orten:

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Stadtpfarrkirche von Sulecin


Danach ging es zurück zum ja bereits gebuchten Hotel "Kormoran", ein wenig "TD nach der Fahrt" (Kette schmieren und nachspannen) und Augenpflege. Und ausgiebig Schwimmen, gekrönt von einem abendlichen Salat und dem vorzüglichen Tyskie-Bier. Ein wundervoller Spät-Nachmittag - in jeder Hinsicht!
Am folgenen Morgen bin ich früh aufgebrochen, der erwarteten Hitze wegen. Irgendwo wollte ich dann eine kleine Pause machen und hielt im Navi-System am Handy nach einem Café Ausschau. Heureka, in Obornik war eines direkt an der Straße angegeben!

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Halt in Obornik auf der vergeblichen Suche nach einem Café


Angehalten - kein Café zu sehen. Aber ein älterer Herr, der nach diesem befragt wurde. Ja, das habe er betrieben, bis zur Verrentung von vor 2 Jahren. Mein Kartenupdate für Maps.me war zu dem Zeitpunkt genau eine Woche alt ...
Weiter ging die Reise und ein Museum, genauer gesagt das Freilichtmuseum von Biskupin war das Ziel. Das ist wirklich gut gemacht und hat - gut organisiert - gleich noch ein Motel dabei, wo ich ein Zimmer bekommen konnte. Raus aus den Klamotten, und leichte Kleidung angelegt und gleich mal rein in das Museum. Kurz gefasst: Empfehlung, falls da mal jemand in die Nähe kommt. Ein paar Bilder müssen genügen:

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Rekonstruierte Langhäuser, die gleichzeitig für Museumspädagogische Aktivitäten genutzt werden.


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Rekonstruierter Wall um die Langhaussiedlung. Ein murus gallicus, also ein Holzkasten-System, dass dann mit Erde und Steinen gefüllt wird. Von Cäsar in seinem Gallischen Krieg beschrieben , daher murus gallicus - obwohl damals weit über den keltischen raum hinaus verbreitet.


Dann habe ich entdeckt, dass zu dem Motel (eher eine Art Jugendherberge, in der ganze Horden von Pfadfindern logierten) auch ein Schwimmbecken war. NiXS wie hin und im kühlen Nass wohlig abgekühlt. Und keine Sekunde zu früh. Denn kaum war ich aus dem Wasser wurde das Areal von einer vielleicht 20 Köpfe zählenden Truppe präpubertanter Figuren geentert, die dort genau das gemacht haben wie wir, als wir a) in dem Alter und b) im Schwimmbad waren: Den kleinen Bruder sauber untertauchen, die erkennbar weiter entwickelte Klassenkameradin beherzt ins Wasser stoßen und was halt weiter so noch in die kleinen Köpfe kam.
Ich wollte zum Abendessen verlegen - das war aber aus mir nicht erfindlichen Gründen bereits geschlossen. Also setzte ich mich nochmals auf die Honda, um mir im nächsten Sklep, dieser segensreichen und landesweit vertretenen Säule der Versorgung, noch etwas zu kaufen. Es wurden dann zwei Dosen Tyskie. Wie sagt der Bayer: "Des biss'l, was ma essen, des trink' ma!" Und die Fahrt brachte mir noch einen wundervollen Sonnenuntergang und die Fahrt durch "Wenecia" ... 8)
Und irgendwie war ich dann schließlich auch müde (waren an dem Tag doch rund 250 km geworden) und habe tief schlafend und wild träumend die Nacht verbracht.

to be continued ...

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Do 04 Aug, 2022 14:02

bei uns haben die Kelten in der vorrömischen Zeit ganz ähnlich Wallanlagen als Fluchtburgen auf die Berge gebaut

unweit von mir hat es den Schlackewall, wo sich noch heute glasierte Steine der niedergebrannten Wallanlage finden

https://www.outdooractive.com/de/poi/na ... h/9499755/

und der Hunnenring ist auch eine Anlage die man mal gesehen haben muss

https://de.wikipedia.org/wiki/Ringwall_von_Otzenhausen

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Fr 05 Aug, 2022 12:38

...Fortsetzung

Weiter ging es in die alte Hauptstadt Polens Gnesen. Eine relativ kurze Fahrt, wo sich dann in der Stadtmitte ein wahrlich beeindruckender Blick auf die Kathedrale ergibt. Diese ist auf dem Domberg umgeben von einer Fülle kirchlicher Verwaltungsgebäude, die durchaus erkennen lassen, dass es der Mutter Kirche über weite Strecken in Polen nicht schlecht gegangen ist.

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Die Kathedrale auf dem Gnesener Domberg - die Mutterkirche des polnischen Katholizismus


Und die Bedeutung der Kirche ist nicht erst in den letzten Jahrhunderten entstanden. Die Domtüren der Gnesener Kathedrale stammen aus dem frühen 12. Jahrhundert und sind allein einen Abstecher nach dort wert.

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Die berühmten Domtüren aus dem 12. Jahrhundert mit der Schilderung des Adalbert-Mythos


Weiter ging es mit der Generalrichtung Südosten durch weite Wälder auf guten Straßen, bis plötzlich wieder militärische Liegenschaften zu erkennen waren. Und der Verkehr nahm zu und das kundige Auge nimmt amerikanische Fahrzeuge wahr. Und bald schon ein Stau quasi mitten im Wald an dem ich mich mit dem Motorrad vorbei mogele, um kurz darauf eine riesige Baustelle zu erkennen, vor deren Einfahrt die Militärpolizei intensiv die Fahrzeuge untersucht. Da wollte ich gar nicht hin, also vorbei an der Schlange und kurz vor dem Checkpoint links ab - und wieder allein sein... Ach ja, aus naheliegenden Gründen habe ich da auch nicht fotografiert.
Weiter geht die Fahrt, die Mischung aus Wäldern und großen Feldern durchsetzt mit Seen ist friedlich, ganz im Gegensatz zu der gigantomanischen Baistelle, die ich gerade passiert hatte und deren Zweck mehr als eindeutig ist.

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Typische Landschaft in Mittelpolen


Aber Polen ist jetzt quasi Frontstaat und ich habe den Eindruck, dass weite Teile der Bevölkerung das dort durchaus sehr ernst nehmen. So wie die Amerikaner und die baltischen Staaten. Nur Deutschland hat irgendwie den Schuss noch nicht gehört ...
Ich lande schließlich in einem Hotel in Slupca, das ganz in Ordnung ist und nicht weit von einem See entfernt liegt. Leider scheitert der Versuch, einen halbwegs legalen Weg durch die Schilfgürtel zu finden und ich bleibe ohne Abendschwimmen. Zumindest am Hotel.
Denn kurz entschlossen nehme ich die Honda nochmals aus dem Stall und umfahre den nördlich gelegenen Powicz-See in einer 30 km-Runde und nutze das in Powicz gelegene Strand-Gelände noch für einen erfrischenden "Schwimm".
Dort ist noch reges Treiben, bis hin zu den zahlreichen Elektro- und Segelbooten.

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Badespaß am See in Powicz


Danach gehts zurück ins Hotel zu einem Absackerchen. Und bald schon gehts ins Bett. Aber irgendwie scheint mich dieses Land sehr zu beschäftigen, denn ich habe schon lange nicht mehr soviel geträumt oder mich zumindest morgens dann wieder daran erinnert.

to be continued ...

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Fr 05 Aug, 2022 16:19

... Fortsetzung

Wieder war große Hitze angekündigt. daher wieder ein frühestmöglicher Aufbruch, der aber durch die Bereitstellung des Frühstücks limitiert war. Also ging es erst gegen 0800 Uhr wieder los aus Slupca. Wie einige Hotels, die ich in Polen kennenlernen durfte, war es groß angelegt, mit großem Parkplatz, aber nicht wirklich gebucht. Ich vermute, dass in Polen vor allem Familienfeiern in großem Rahmen und in solchen Einrichtungen gefeiert werden.
Fahrtrichtung war wieder ostwärts, Ziel war Lodz.
Nach rund 45 Kilometern überragte etwas die Baumwipfel, das aussah wie der Petersdom.

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Basilika der Mutter Gottes Lichen Stary


Das musste man sich ansehen. Und es war wirklich eine erstaunliche Einrichtung: Lichen Stary mit seiner Basilika der Muttergottes von Lichen (https://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_ ... _von_Licheń) ist (wenn ich das recht verstanden habe) zum einen ein hoch frequentierter Wallfahrtsort und zum anderen der Ort, an dem die innige Verbindung zwischen der polnischen Kirche und der Armia Krajova (der polnischen Heimatarmee im 2. Weltkrieg) gefeiert wird. Auf dem Weg durch die Anlage zur Basilika kommt man an zahlreichen Denkmälern vorbei, die diese Verbindung zur AK belegen. Und schließlich steht man vor dem beeindruckenden (nicht schönen!) Basilika-Ensemble an einer großen Rasenfläche, um die herum geschätzte 90 Fahnenmasten mit Fahnen aufgestellt sind: Eine Fahne ist auf Halbmast gesetzt. Es ist die Fahne der russischen Föderation. Ich gestehe offen, das ich diesen feinen, aber wirksamen Hinweis auf das Ausscheren einer Nation aus dem comme il faut europäischer Mächte sehr gelungen finde.

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Russlands Fahne auf Halbmast. Warum die Fahnen daneben diejenigen von Deutschland und Albanien sind, konnte ich nicht eruieren.


Das Innere der Kirche ist prächtig, beeindruckend aber ist vor allem die Orgel.

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Die Orgel in der Basilika. Nicht auf dem Bild sind die zwei Orgeln in den Querschiffen und die zwei jeweils rechts und links vom Hauptaltar ...


Ich hatte das Glück, dass da ein Organist, der sein Fach verstand, einige Etüden spielte. Ich habe mich zunächst in der hintersten Reihe gesetzt, aber dort kam eigentlich nur verschwommene Musiktextur an. Als ich dann im Vierungsbereich stand - da hat es mich schier weggeblasen! Das hat in größtem Maße dazu beigetragen, dass sich dieser Platz sehr in meine Erinnerung eingegraben hat. Und dass die Orgel wirklich die Königin der Instrumente ist.

Nach einem ausgiebigen Besuch ging es dann weiter Richtung Lodz, vorbei auch an einer Gedenkstätte, die mich aufhorchen ließ: Chelmno. Aber der Himmel verfinsterte sich zunehmend und es war irgendwie keine Zeit, das anzusehen, zumal es schwere Kost ist. Aber wie das so ist beim Motorradfahren: Man glaubt ja immer, das man das irgendwie auskurven kann. Konnte ich nicht ...
Ein Blitz, der unweit einschlug bei nahezu gleichzeitigem Donnerschlag und ein Wasserschwall der Sonderklasse weichte mich augenblicklich von Kopf bis Fuß ein. Ich hatte wegen der Hitze natürlich nicht die Goretex-Kombi an, sondern die Aramid-Jeans...
Beim ersten Abschwellen des Regens bin ich weiter, immer spähend um eine Möglichkeit, kurz unterzuziehen. Und in Pudlowek, nur wenige Kilometer später fand sich ein etwas grindiges Wartehäuschen, das genau die Möglichkeit bot. Also rein und die ganz nassen Sachen mal abgelegt und ausgewrungen. Später dann auch die Honda da rein gezerrt (und dabei gleich wieder naß geworden).

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Noch steht die CB500 nicht im Wartehäuschen ...


Gegenüber war ein einsames Storchennest, wo sich das Storchenpaar plus zwei Junge zusammendrängten gegen die torrentischen Fluten und die Windböen. Wieviele Störche wohl im Jahr an Blitzschlägen verenden?

Aber von dort war es nicht mehr allzu weit zu meinem Ziel in der Innenstadt von Lodz. Nur noch grob 50 km. Und so wartete ich ab, bis der mittlerweile wieder angeschwollene Regen wieder weniger wurde und fuhr dann auf der Magistrale von Westen in die Stadt ein. Unterwegs noch eine kleine Pause bei einer Tankstelle, um das Handy wieder trocken zu machen und dann den letzten Sprung bis ins Hotel: Vor dem Hotel, in der Einfahrt, gab das Handy wasserbedingt auf. :-D
Es folgte das Einchecken in dem Boutique-Hotel und eine verwundert blickende junge Dame blickte auf den größer werdenden Wasserfleck, der sich um mich bildete. Mir war das wurscht, ich verrollte mich baldmöglichst auf mein Zimmer und breitete mein nasses Zeug zum Trocknen aus. Klappte prächtig. Auch die Dusche war angenehm. Nur klapperte es während des Duschens an der Tür und ein Pärchen stand mit runden Augen um sich blickend in der Mahallah aus nassem Motorrad-Zeug. Und teilte mir mit, dass sie dieses Zimmer hätten. Und sie hatten recht. Nur: Der mit überrreichte Schlüssel hatte im Nebenzimmer (welches meines sein sollte) nicht geschlossen, wohl aber in dem nunmehr besetzten. Ich bat um ein wenig Geduld, aber die waren sehr zuvorkommend und machten sich anerbietig, das mit der Rezeption zu lösen. Was sie auch taten. Leider habe ich das Pärchen nicht mehr gesehen, ich hätte ihnen gerne ein Abendessen bezahlt.

Nachdem ich wieder "landfein" war, bin ich dann zur Rezeption, denn zwischenzeitlich schloß der elektronische Schlüssel mein Zimmer nicht mehr. Die Dame am Empfang wirkte leicht genervt und übergab mir kommentarlos den Generalschlüssel (!), auf den ich aber bitte aufpassen solle. Um es vorwegzunehmen: Er hat geschlossen und ich habe ihn (sehr zur Verwunderung der am nächsten Morgen Dienst tuenden Rezeptionistin) auch wieder abgegeben.

Und so bin ich dann losgezogen, denn mir waren aus berufenem Munde Tipps für die Besichtigung des Zentrums gegeben worden. Und um es gleich zu sagen: Lodz ist eine tolle Stadt mit einer großartigen Vergangenheit (und mit einer, die gar nicht großartig war und an der die Deutschen Schuld sind).
Die zentrale Prachtstraße (die längste in Europa, über 4 km ) Pjotrkowska könnte genauso gut in Paris, London oder Berlin sein. Natürlich hat es auch da kriegsbedingte Lücken, die man dann mit sozialistischem Charme zubetoniert hat, aber heute ist da wieder großstädtisches Leben.

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Blick vom Beginn der Piotrkowska nach Süden


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Beispiel für die Prachtarchitektur in der Piotrkoswska. Ein Mietshaus ...


Das 78ha umfassende Industrieareal (Textil), das der Familie von Israel Poznanski gehört hatte, wurde in wirklich beeindruckender Weise revitalisiert - und zwar von einer Stadtverwaltung in weiser Selbstbeschränkung als Projekt öffentlich ausgeschrieben. Daraus wurde dann das größe Kulturzentrum mit Gastronomie, Theater und Hotel, zugleich eines der größten Einkaufszentren, Beachvolleyballplatz, Museum und was weiß ich nicht alles. Wer nach Lodz kommt: ANSCHAUEN!

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Blick auf denHaupteingang mit der Uhr (damit die Arbeiter wußten, was es geschlagen hatte). Rechts das Kontor für die Verwaltung. rechts davon wieder schließt sich das Fabrikanten"wohnhaus" an.


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Im Inneren des Geländes: Heute Gastronomie, Beachvolleyball und einfach Platz zum Chillen (wie das wohl heute heißt)


Neben dem Industriereal ist ein Gebäudekomplex der einen an die Loireschlösser erinnert. Das war die bescheidene Wohnung des genanntenn Poznanski. Heute ist dort das Stadtmuseum, das aber leider zu war.

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Die Fabrikanten-Villa, eher ein Schloss, das dem internationalen Rang des Fabrikbesitzers Ausdruck verleihen sollte.


Und dann war der Regen auch wieder weg. 8)

to be continued ...
Zuletzt geändert von Maybach am Sa 06 Aug, 2022 12:15, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Sa 06 Aug, 2022 10:43

Fortsetzung ...

Von Lodz ging es bei mittlerweile wieder bestem Wetter nach Südwesten. An der Ausfallstraße, an der auch der Tierpark liegt, standen auch am Sonntag ordentlich in Zweier-Reihen die Kinder, brav behütet von den Lehrerinnen (?), und warteten auf die Öffnung des Parks. Habe ich so schon lange nicht mehr gesehen ...
Der Weg sollte mich heute erneut nach Chelmno führen. Ich gestehe offen: Das ist nichts, was wirklich Freude bereitet, ganz im Gegenteil. Aber ich halte es gerade für Deutsche für wichtig, sich die Hinterlassenschaften dieser verbrecherischen Phase anzusehen. Meine Generation kann zwar nichts dafür, dass das passiert ist, aber wir tragen Verantwortung dafür, dass es sich nicht wiederholt. Und da sind solche Besuche von einer brutalen Deutlichkeit.

Zunächst führte mich der Weg zu der Kleinstadt Szadek, wo ich eine kleine, aber nicht unspannende Kirche ansehen wollte. Wunderbare Alleen begleiteten mich auf dieser Strecke.

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Allee auf dem Weg nach Szadek


Aber dort war gerade Gottesdienst und da wollte ich nicht fotografierenderweise herumspringen. Also weiter auf der Straße 473 nach Uniejow nach Dabie und der Straße am rechten Hochufer der Warthe folgend bis in ein großes Waldgebiet.

Und dann steht man plötzlich an einem Stück unterbrochener Schienen und schaut über Schneisen auf betonierte Denkmäler in einer riesigen Anlage, von denen bis heute nur die erkennbaren Dimensionen auf Satellitenbildern übrig sind. Mir greift es dabei fast schon fühlbar an den Hals, und ich war da vollkommen allein morgens um 0830 Uhr.

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Zentrales Erinnerungsdenkmal im Vernichtungslager Chelmno


CB abgestellt und losgelaufen. Und die große Fassungslosigkeit überkommt einen, oder besser zwei Fragen. "Warum?" ist die eine und "Wie kann es sein, dass man Menschen so unmenschlich werden läßt?" ist die andere. Ich habe keine Antwort gefunden, nur die beklemmende Vermutung dass es offenbar möglich ist - und auch heute noch.

Etwas abseits unter einer schönen großen Birke ein kleiner Gedenkstein mit einer Inschrift, die ich nicht entziffern konnte. Etwas unsagbar Trauriges umgibt diesen kleinen Ort. Ich habe den Stein fotografiert und am Ziel dann der Rezeptionistin mit der Bitte um Übersetzung gezeigt. Er ist aufgestellt für 120 Kinder aus Lidice in Tschechien, die nach dem Anschlag auf den Henker Heydrich dorthin gebracht und ermordet wurden. Es liegt frisches Spielzeug am Grab. Es ist einfach nur zum Heulen und das habe ich auch gemacht.

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Gedenkstein für 120 Kinder aus Lidice


Ein weiterer Gedenkstein (denn Grabsteine sind es ja nicht, weil ja keine Gräber existieren - eine weitere Perfidie der Nazis!) erinnert an die 70.000 Ermordeten aus dem Ghetto in Lodz und es sind noch viele Gedenksteine dort. Ich kann und will sie nicht alle zeigen.

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Gedenkstein für die ermordeten Juden aus dem Lodzer Ghetto


Ich bin dann wirklich alles abgegangen, immer langsamer werdend, und schließlich wieder am Ausgangspunkt angekommen. Und da saß ich dann, ein Häuflein Elend, denn mich haben die Eindrücke (oder besser das Fehlen von Eindrücken!) wirklich mitgenommen. Und da ist es an Geschmacklosigkeit wohl nicht zu überbieten, wenn auf einer der in englisch gehaltenen Erklärungstafeln (die übrigens nüchtern die Fakten vermitteln!) ein Aufkleber des FC St. Pauli klebt. Manchmal fragt man sich wirklich, warum die Menschen einen Kopf haben ...

Ich saß da sicher zwei Stunden bis ich Motorradgeräusche vernahm. Drei moderne Maschinen rollten an, die Fahrer so Mitte 30. Wir kamen schnell ins Gespräch, denn sie konnten Englisch. Ich fragte sie, warum sie hergekommen seien. Die Antwort: Sie haben eine Patenschaft für die Plaketten einer Wand übernommen und einmal im Monat kämen sie her und würden diese reinigen. Auf die Frage, ob sie begleiten dürfe und ihnen helfen könnte, wurde ich beschieden: "No, that's our job!" Die Frage, ob es Verwandte seien, die hier gestorben sind, wurde verneint, "but somebody has to do it!" Ich ziehe meinen Hut!

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Motorradtreffen der besonderen Art


Ich habe dann gewartet, bis sie wiederkamen, habe mich von Ihnen verabschiedet und bin dann nach Szadek retour gefahren, denn der Gottesdienst musste ja nun zuende sein. So war es und ich habe ein paar Fotos geschossen, muss aber zugeben, dass ich nicht völlig bei der Sache war, denn die Erlebnisse in Chelmno hatten mich doch arg am Wickel.

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Der merkwürdige Kirchturm von Szadek. Sehr wahrscheinlich wurde er in 1. Weltkrieg zusammengeschossen, denn hier verlief die Front. Und der Kirchturm dieser Tage war für die Kommandeure damals das was heute Satelliten und Drohnen sind.


Weiter ging es dann über Zadzim nach Brodnia am nahegelegenen Stausee. Wundervolle Straßen durch Wälder, unbefestigt und einsam. Gut für die gebeutelte Seele ...

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Kilometerlange Waldstraßen


Und schließlich fand sich auch eine "Straße", die bis zum Strand reichte. Leider ist dort das Wasser so niedrig, dass man Hunterte Meter hineinwaten müsste, um schwimmen zu können. Und das habe ich mir gespart. Lustig am Rande: In Deutschland oder Österreich wäre man wüst beschimpft worden, wenn man mit dem Motorrad bis zum See fährt. Dort bot man mir sofort eine zusammengetretene Bierdose an, damit der Seitenständer nicht im Sand einsinkt. Was aber völlig überflüssig war, den der Boden war aufgrund der Trockenheit betonhart.

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CB am Strand


Auf Schotterstraßen habe ich dann den Stausee umrundet, bin über die Staumauer gefahren und habe dann auf dem westlichen Ufer wieder die Richtung Süden nach Warta eingeschlagen. Das Städtchen mit einem barocken Kloster hatte auch ein Hotel, wo ich ein Zimmer bekam.
Auf dem Weg dahin habe ich aber angehalten und ein offenbar spezifisch polnisches Symptom fotografiert. Offenbar ist es so, dass, wenn man dort ein Grundsück erwirbt, als erstes eine machtvolle Umzäunung, ja, teilweise fast eine Festungsmauer um dieses errichtet wird - ohne dass auf den Grundstück irgendetwas von Wert ist. Gewissermaßen ein Beton-gewordenes Ausrufezeichen für den stattgehabten Eigentumserwerb.

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Die Mauer ums Nichts ...


Nach dem Einchecken war die Abendstimmung so schön, dass ich noch eine kleine Runde fuhr. Die Alleen haben es mir schon angetan dort.

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Immer wieder schön, diese Alleen ...


to be continued ...
Zuletzt geändert von Maybach am Mo 15 Aug, 2022 16:32, insgesamt 3-mal geändert.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Sa 06 Aug, 2022 19:08

... Fortsetzung

Nach der schweren Kost des Vortags mit wirklich nicht einfachen Eindrücken habe ich mich heute auf den Weg gemacht nach Niederschlesien. Das ist für jemanden, der im Rahmen seines Studiums mit den Schlesischen Kriegen "aufgewachsen" ist, nahezu unausweichlich. Auch wenn das wieder mit Zerstörung und Leid zu tun hat.
Ich bin also von Warta nach Wielun gefahren, was man mir als pittoreske Stadt als Stopp anempfohlen hatte. Und das stimmte auch: eine schöne Stadt mit remarkablen Resten größerer Vergangenheit - die am ersten Tag des 2. Weltkrieges Opfer eines deutschen Luftangriffs wurde. Die Wehrmacht gab 100 Opfer an, gewesen sind es wahrschenilich 1200 - genau weiß das keiner. Einer der vielen Orte, die man in der eigenen (auch familiären) Überlieferung nie genannt bekam und die doch eine Bedeutung erhielten, leider keine gute. https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_auf_Wieluń

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Wielun: Das Krakauer Tor


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Wielun: Die Stadtbefestigung mit ersten Bastionen


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Der europäische Kulturkreis dokumentiert sich auch in Details: Der Hubertushirsch in der Wieluner Kirche


Weiter ging es nach Südwesten. Kluzbork war der nächste Ort, früher hieß er Kreuzburg, weil er von den Rittern des Ordens der Kreuzherren mit dem Roten Stern gegründet worden war. Und wenn man die barocken Bauten am Marktplatz ansieht, dann wähnt man sich in der Südsteiermark. Ist auch kein Wunder, denn bis 1740 war das ein Teil des habsburgischen Herrschaftsbereiches, der von den Preußen erobert wurde.

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Die barocke Bebauung des Marktplatzes verweist auf die ursprünglichen Zugehörigkeiten ...


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Damnatio memoriae mal andersherum: Die Auslöschung der deutschsprachigen Herkunft ist irgendwie auch verständlich ...


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Das war schon deutliche Signal-Architektur: Hauptturm und Stadttor von Kluszbork


Jetzt war ich zwar schon in Schlesien, aber die preußischen Festungen hatte ich noch nicht gesehen. Ziel war Brieg (polnisch Brzeg). Und das war wirklich beeindruckend - und zwar nicht die preußische Festungsarchitektur, die nicht nur gar nicht mehr existiert, sondern weil sie gegenüber der Renaissance-Architektur der Piasten-Herzöge vollkommen verblassen würde. Italienische Renaissance - das hätte ich dort nun gar nicht erwartet. Und dann auch noch in solcher Pracht !

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Der Eingangstrakt zum Schloß der Piasten-Herzöge. Das Schloß wird wieder aufgebaut, es war durch die preußische Beschießung 1740 zerstört worden.
...

Aber auch die Bürgerschaft der Stadt war wohl situiert und leistete sich ein Rathaus, das von italienischen Renaissance-Architekten erbaut wurde.

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Das Rathaus von Brieg, erbaut 1580.


Und weil ich schon beim hereinfahren in die Stadt das weitgefasste Bett der mäandernden Oder bewundert hatte, so bin ich dann eben dorthin gefahren. Und habe einen Mittagsschlaf im Schatten einer Eiche gemacht, die nicht nur an einem Altarm lag, sondern die man in dieser Größe und Ausformung in Deutschland kaum noch sieht. Auch in AUT nicht ...
Und aufgewacht bin ich durch merkwürdige zischende Geräusche. Es war Vater Schwan, der seine Familie vor diesem merkwürdigen Eindringling in sein Reich verteidigte ...

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Eiche mit Honda ...



Zurück nach Warta ging es plus au moin auf gleichem Wege, wenngleich ein wenig längere Streckenanteile auf autobahnähnlichen Schnellstraßen gewählt wurden. Am Abend waren es dann rund 400 km.

to be continued ...
Zuletzt geändert von Maybach am So 07 Aug, 2022 14:52, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

So 07 Aug, 2022 07:29

... Fortsetzung

Mit Lodz hatte ja eigentlich meine Rückreise schon begonnen. Nun ging es nach dem gestrigen "Abstecher" mit Rückkehr nach Warta wirklich auf die Rückreise. Das heutige Ziel sollte das Land der 1000 Seen sein, ca. 60 km WNW von Posen gelegen.

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CB500 abfahrbereit vor dem Hotel


Und los ging es auf die rund 260 km lange Etappe. Über weitgehend gerade und motorradfahrerisch unspektukuläre Straßen ging es über Kalisch und Preschen nach Jarocin. Dort habe ich eine erste Pause eingelegt. Die Innenstadt ist barock geprägt, aber eine komplette Baustelle. Jedoch eine Baustelle, innerhalb derer sich eine Bäckerei finden ließ und eine Eisdiele, beides wurde verzugslos genutzt.
Danach noch ein kleiner Rundgang durch die Stadt mit einer ungewöhnlichen Kirche, die innen fast aussah wie eine weiße Zuckerguss-Torte.

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Marktplatz von Jarocin in Generalsanierung. Wahrscheinlich ein EU-Projekt ...


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Kirche von Jarocin


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Altar der Kirche von Jarocin


Dann ging es weiter und die größte Herausforderung war, nicht in die Großstadt von Posen abzudriften. Das ist dann auch grosso modo gelungen und über die Bundesstraßen 92 und 24 konnte schließlich die Abzweigung zum Ort Miezychod (hieß früher Birnbaum) an einem pittoresken See erreicht werden. Die Zahl der Seen, die man von der Straße aus sehen konnte, nahm bereits deutlich zu. Ich näherte mich ja auch diesem wohl durch die Gletscher der Eiszeit geformten Becken mit zahllosen Seen. Die später gefundene Webpräsenz der Region hier mit einigen Eindrücken: http://puszczanotecka.org
In Miezychod hat es ein Hotel Neptun, das den spröden Charme sozialistischer Ferien-Architektur atmet, dessen Lage direkt am See mit eigenem Strand aber die geringen Einschränkungen mehr als wettmachte. Und klar auch, dass ich unverzüglich nach dem Beziehen des Zimmers in den See gesprungen bin...

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Hotel Neptun in Miezychod mit seiner etwas "abgelebten" straßenseitigen Fassade.


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Das gleiche Hotel von der Seeseite - sieht schon besser aus! Der spätere Anbau ist allerdings störend...


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Die Wendeltreppe ist wie auch die Beleuchtung noch komplett original aus den frühen 1980er Jahren. Und ich glaube, das auch die Ledermöbel aus dieser Zeit stammen.


Da nach Zimmerbezug und erfrischendem Schwimmen noch Zeit war bin ich noch um den See herumgewandert, ein vielleicht 3 km langer Spaziergang, der immer wieder schöne Aussichten ergab.

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Blick über den See von Miezychod


Dann noch ein kleines Abendessen, ein Tyskie und ab ins Bett. Und wieder wilde Träume - offensichtlich macht Polen etwas mit mir.

to be continued ...

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

So 07 Aug, 2022 15:12

... Fortsetzung

Heute, vor dem endgültigen Verlassen Polens Richtung Westen, wollte ich nochmals einen kleinere Strecke in der direkten Umgebung - eben dem Land der 1000 Seen - fahren.
Gesagt - getan, nach dem Frühstück (das ein wenig später eingenommen wurde), wurde nur der Tankrucksack aufgeschnallt und dann an der Straße 24 einfach die erste Abzweigung nach Norden gewählt. Dann die nächste rechts und die nächste wieder links. Nach meiner Erfahrung ist das eine zuverlässige Möglichkeit, eingefahrene Wege zu verlassen.
Und so fuhr ich schon nach wenigen Kilometern auf Sand- und Schottersträsschen zwischen unzähligen Seen herum, und zwar nicht ein oder zwei Kilometer, sondern etwa 30.

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Einer der namenlosen Seen an einer der namenlosen Sandpisten ...


Ich weiß nicht wirklich, wie viele Kilometer ich gefahren bin, denn ich habe, fast schon im Flow der unglaublich schönen Landschaft, immer wieder angehalten und habe einfach um mich geschaut. Reiher, Fischadler, ein Stück Rotwild am hellichten Tag (bei uns vollkommen undenkbar!), Rehe und insgesamt bis zur Mittagszeit drei Radfahrer.

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Besinnliche Ausblicke mit Schwänen


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#2


NiXS besichtigt an diesem Tag, einfach nur sich herumtreiben lassen in einer wundervollen Landschaft von einer wohltuenden Leere (was andere Menschen angeht) - es war einfach ein Traum!
Später bin ich dann weiter im Osten auch wieder ein paar Vizinalsträßchen dritter Ordnung gefahren - die Sand- und Schotterpisten waren bei weiterm angenehmer! Und irgendwann bin ich dann auch wieder in Miedzychod eingelaufen, ganz benommen von den schönen Eindrücken der Fahrt. Und obwohl ich heute wirklich keine negativen Erlebnisse und Eindrücke hatte: Ich hatte immer das Gefühl begleitet zu werden, so als ob ich jemand auf dem Sozius dabei gehabt hätte. Ich fühlte mich zmindest nicht allein....

Klar bin ich nochmals in den See gesprungen, aber das letzte Foto von der Ruhe des Abends über dem See war eigentlich der rechte Abschluss des Tages. Eine Tages, wie man sie leider immer seltener erlebt. Zumindest ich.

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Blick auf den abendlichen See von Miedzychod


to be continued ...
Zuletzt geändert von Maybach am Mo 15 Aug, 2022 16:38, insgesamt 2-mal geändert.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

So 07 Aug, 2022 19:01

Ein sehr schöner Bericht.
Das mit den Zäunen kann ich bestätigen. 1994 haben Freunde und ich Urlaub bei Danzig gemacht. Es war noch keine Baugrube ausgehoben oder Fundamente erstellt aber der Zaun war fertig. Zäune aus alten Latten oder geschmiedete Schmuckstücke. Auch ein Grundstücke sah man.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

So 07 Aug, 2022 20:37

Wieder mal ein interessanter und diesmal auch sehr berührender Reisebericht.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

So 07 Aug, 2022 21:21

Und da ist es an Geschmacklosigkeit wohl nicht zu überbieten, wenn auf einer der in englisch gehaltenen Erklärungstafeln (die übrigens nüchtern die Fakten vermitteln!) ein Aufkleber des FC St. Pauli klebt. Manchmal fragt man sich wirklich, warum die Menschen einen Kopf haben ...


Ich fand es auch komisch das es Leute gibt die im sowjetischen Ehrenmahl in Treptow einen Kasten vernichten und neben der Bank grillen... auf einem Friedhof, auf dem 16.000 Mann liegen. :gnack:

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Mo 08 Aug, 2022 05:45

So sind wir Menschen nunmal. Vergessen wird schnell und dann ist ein Ehrenmal auch irgendwie nur ein bedeutungsloser Stein...

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Mo 08 Aug, 2022 07:35

... Fortsetzung

Und schon bricht der vorvorletzte Tag dieser spannenden Reise an. Und ich beginne ihn mit dem Motiv, mit dem letzte Tag schloss. Nur halt jetzt im Morgenlicht.

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Blick aus dem Hotelzimmer auf den See von Miezychod am Morgen


Die Route führte über den Oderbruch und Küstrin wieder nach Brandenburg. Das flache Land des Oderbruchs wirkt heute friedlich, war aber im April 1945 Bühne für eine der letzten großen Schlachten des 2. Weltkriegs. Da standen sich 180.000 Deutsche und rd. 1.5 Mio Russen und Polen am dem Seelower Höhen gegenüber. Die Russen haben in Seelow bereits kurz nach Kriegsende einen Militärfriedhof angelegt, der aber dann zu einer Gedenkstätte ausgebaut wurde.

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Russisches Ehrenmal in Seelow


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Blick vom russischen Friedhof in Seelow in den Oderbruch. Diese rund 40 m Höhenunterschied (und einige Fehlentscheidungen Schukows) haben hier die zahlenmäßig deutlich unterlegenen deutschen Kräfte doch noch drei Tage halten lassen.


In einem Bogen habe ich dann den Großraum Berlin südlich umfahren und bin wieder ganz nahe bei Wünsdorf und dem Kloster der Benediktinerinnen vorbeigekommen. Beim Fischerhaus Köllnitz habe ich dann in einer wunderschönen Anlage Mittag gemacht und gut gegessen.

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Das Fischerhaus Köllnitz - eine Empfehlung, wenn man den dragonerhaften Ton der Servicekräfte mag.


Nach der Pause ging es weiter. Ziel war mittlerweile Brandenburg a. d. Havel, das hieß, es mussten sowohl das südliche Berlin als auch Potsdam vermieden werden. Das macht bei den obwaltenden Temperaturen mit dem Motorrad einfach keinen Spaß. Das klappte auch alles fast. Denn auf den autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen sind auch viele Baustellen ausgeflaggt (Bauarbeiter habe ich aber nirgendwo gesehen), aber die Wegweisungen in diesen Baustellen ist - sagen wir mal - verbesserungfähig. Kurz und gut: Ich bin irgendwo nicht abgebogen und war dann schließlich im Süden Berlins. Man erkennt das auch schnell: Neapel ist reinlich dagegen!
Aber es hilft ja niXS! Da muss man dann durch und weil es schon so schön war, ging es gleich auch noch durch Potsdam. Da war es aber deutlich sauberer.
Und irgendwie bin ich dann auf der B1 schließlich rausgekommen und über Werder nach Brandenburg a. d. Havel gefahren. Hotel bezogen (Empfehlung: Hotel Brandenburger Dom auf der Dominsel),landfein gemacht und losmarschiert. Ein Hotspot der Backstein-Gotik ist dieses Brandenburg! Und ich habe mich hier auf die St. Katharinenkirche beschränkt. Es gäbe noch bedeutend mehr ...

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St. Katharinenkirche in Brandenburg


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Seitenkapelle der St. Katharinenkirche


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Die Fialen sind aus Ton gefertigt und offenbar beim Brennen verzogen.


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Ein prachtvoller Flügelaltar


Und offenbar auch ein Mekka der Wassersportler, die sich auf den Wasserflächen in allen Darreichungsformen tummeln. Und, wie man mir vor Ort versicherte, mittlerweile auch ein wesenliches Standbein für den wirtschaftlichen Ertrag in der Stadt darstellen. Und alte Fabrikanlagen und Mühlen sind gekonnt in Wohnquartiere umgebaut.

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Wassersport auf der Havel


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Noble Wohnungen in alten Industrie- und Mühlengebäuden


Abends im Domhof im Restaurant (das zum Hotel gehört) noch gut gegessen und die mittlerweile über 3000 km nochmals Revue passieren lassen. Bislang eine schöne und sehr interessante Tour. Zwei Tage wird es wohl noch brauchen ...

... to be continued ...

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Di 09 Aug, 2022 08:51

... Fortsetzung

Irgendwie machte sich nun auch ein wenig Traurigkeit über das absehbare Ende der wunderbaren Reise breit. Aber das heutige Ziel war schon klar: Im fränkischen bei einer lieben Familie eines XT-Freundes, der leider vor kurzer Zeit gestorben ist.
Frühstück also im Hotel, dann aufpacken und los ging es. Zuerst noch einen Schlag nach Norden bis Havelsee und dann links nach Süden eindrehend an der brandenburgisch-Sachsen-anhaltinischen Grenze entlang nach Ziesar, wo ich mir eine Pause gönnte.

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Hauptstraße in Ziesar


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Wahrscheinlich der wichtigste Laden in Ziesar: Die Bäckerei.


Weiter gings nach Süden über Orte wie Reppinchen und Hundeluft bis ich per Zufall in Rosslau an der Wasserburg anhielt. NiXS wie anschauen! Die Burg wird als Kulisse für Freilufttheater genutzt und ist wirklich eine nette Anlage.

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Wasserburg Rosslau


Über die Elbe nach Dessau weiter - ich wollte mir eigentlich das Bauhaus-Museum ansehen, aber das hatte zu.
Schade, aber wohl nicht zu ändern ...

Weiter nach Süden und es wurde ziemlich heiß. Mit Blick auf Bitterfeld (mir kommt da immer die Feststellung aus dem Trabbi-Film in den Sinn, als Schmutzler mit Mutter im Hotel in Rom den Sonnenuntergang bewundern: "In Bitterfeld ist es jetzt viertel nach sieben.") habe ich mich entschlossen, auf die Autobahn zu wechseln.
Auf der Höhe von Zeitz war es dann genug und ich bin wieder auf die Landstraße. Dort waren erstmal wieder ein paar Umleitungen, ich habe mich gründlich verfahren, aber auf diesem Wege auch einen schönen Pausenplatz knapp vor der thüringischen Landesgrenze gefunden.

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An einem der zahllosen Fischweiher im Naturpark Saale-Unstrut-Triasland.


Nicht weit davon bin ich durch Klosterlausnitz gefahren und habe per Zufall die schöne (und wiederaufgebaute) Klosterkirche gefunden und besichtigt.

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Klosterkirche von Kloster Lausnitz


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Romanische Portalanlge von Kloster Lausnitz


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Ein paar Kerzen angesteckt für eine liebe Freundin, der es nicht so gut geht ...


Und weiter ging es. Auf der Strecke und mit der Entwicklung von majestätischen Gewitterzellen. Kurz vor dem Donnerschlag habe ich mich noch schnell in die Regenkombi gezwängt - und dann bin ich in nur wenigen Kilometern gründlich "gewaschen" worden. Aber immerhin einigermaßen trocken geblieben. Und ich bin wieder auf die BAB9 gewechselt.
Und das Ganze währte ja auch nicht lange und bei Rudolphstein schien bereits wieder die Sonne. Also kurze Pause auf dem alten Grenzkontrollplatz der Stasi, die Klamotten runter und möglichst effizient auf meinem rollenden Trockenständer ausgebreitet.

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"Trockenständer" CB 500


Das Ganze betrachtete etwas misanthrop ein Fahrer einer flammneuen Africa Twin. Er würde ja sowas nicht machen wollen, so im Regen fahren. Meinte er. Ich fragte ihn, wie er denn das durchhalten wollen würde und dass das der AT ja ziemlich wurscht wäre. Mit der könne man ja auch schottern.
Oh, da hatte ich was gesagt. Das ginge ja gar nicht, da würde das Motorrad ja dreckig. Und überhaupt: Er müsse jetzt weiter, er wolle via Autobahn heute noch bis Wien, wo er seinen Reiseveranstalter treffen würde. Dann ginge es per Trailer nach Rumänien. Wie er dort ohne Schotter und Staub durchgekommen ist? Vorstellen kann ich es mir nicht.

Und froh bin ich, dass ich meine Art zu reisen machen kann. Auch weiterhin.

... to be continued ...
Zuletzt geändert von Maybach am Di 09 Aug, 2022 16:37, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Maybachs Ausfahrten 2022

Di 09 Aug, 2022 09:28

... Fortsetzung

Nach einer ausführlichen "Schloßführung" im neuen Anwesen gab es noch ein gutes Frühstück und schon bald war ich auf dem Weg, meine letzte Etappe auf dieser Reise.
Die Strecke bin ich schon verschiedentlich gefahren, so dass ich keine großen Besichtigungen einplante. Wenn etwas am Wegesrand auftauchte, so konnte man das ja berücksichtigen (oder sich zumindest für das nächste Mal merken).
Und derlei geschah recht schnell: Schloß Thurnau wurde passiert, allerdings zu einer Zeit, in der da noch rein gar nichts offen war. Also: Merken fürs nächste Mal!

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Schloß Thurnau


Um Nürnberg herum bin ich wieder auf der Autobahn gefahren, dann auf der B2 bis an die Donau. In Donauwörth habe ich auf den Donauwiesen eine sonnige Mittagspause genossen. Im Schatten eines Baumes war angenehmer vespern als in der glutheißen, wenngleich schönen Innenstadt.

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Mittagspause in den Donauwiesen bei Donauwörth


Und dann ging es über Augsburg und Landsberg den Lech entlang nach Süden und in Altenstadt habe ich dem gleichnamigen Münster noch einen kurzen Besuch abgestattet

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Die wirklich beeindruckende Figur des "großen Gottes von Altenstadt".


und bin weitergefahren, ohne Stefan Superknuffi zu besuchen. Mea culpa!
Aber ich wollte nun doch heimkommen.

Und das tat ich dann auch, nach 3980 km. Die kleine Honda hat sich wacker geschlagen ...
EineReise voller wunderschöner und unerwarteter Eindrücke und Erlebnisse und gleichzeitig erschütternder Gedanken.
Aber das ist es ja auch, was Reisen ausmacht: Das Zulassen von unerwarteten Eindrücken und Begegnungen. Erst wenn wir das (auch wenn etwas schmerzliches dabei ist) nicht mehr wertschätzen können, dann brauchen wir nicht mehr wegzufahren.
Ich bin mir sicher, dass ich noch oft wegfahren muss und will. Auch und gerade wieder mal nach Polen. Es warten dort sicher noch viele schöne Entdeckungen ...

Maybach
Zuletzt geändert von Maybach am Di 09 Aug, 2022 16:39, insgesamt 1-mal geändert.
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