Nach meiner Beobachtung funktioniert bei sehr vielen Albanern die Kommunikation auf Deutsch ausgezeichnet. Bei der jüngeren Generation bis etwa Mitte 30 funktioniert darüber hinaus Englisch sehr gut und bei den Senioren genügt ein Lächeln, eine freundliche Begrüßung und gegebenenfalls ein Zettel und ein Stift um einen Preis aufzuschreiben, oder einen gesuchten Gegenstand zu skizzieren.
Aber von vorne:
VorbereitungenAlles beginnt damit, dass ich im Juni einen kleinen, stressbedingten Schlaganfall hatte. Ich weiß seit Ende 2019, dass ich ein paar kleine Kavernome im Schädel habe, die bei Bluthochdruckereignissen platzen und zu lokalen Blutungen führen können. Das bedeutet, dass ich fürderhin Stress meiden muss, wenn ich weitere neurologische Ausfälle verhindern möchte. Während des russischen Krieges auf dem Boden der Ukraine habe ich mehrere Touren mit medizinischem Hilfsmaterial Richtung Ukraine und flüchtenden Menschen zurück Richtung Deutschland organisiert und gefahren. Dabei habe ich mich wohl nicht immer an das Gebot gehalten, Stress zu vermeiden. Ein Urlaub mit starkem Erholungscharakter ist für Tina dringend überfällig, aber auch für mich selbst angezeigt. Tina darf nur im August Urlaub nehmen. Wir planen, zwischen dem 5. und dem 28. August auf Tour zu gehen. Die erste Idee ist Sardinien. Ich habe eh einen 9-Sitzer für die Ukrainereisen angeschafft. An den wollen wir unser Wohnwägelchen hängen, statt der beiden hinteren Sitzreihen zwei Motorräder einladen und damit nach Sardinien. Den Wohnwagen als Basisstation, die Motorräder um die Insel zu erkunden und den Lieferwagen, um schneller anreisen und länger verweilen zu können. Mit dem Motorrad fahre ich unter den gegebenen medizinischen Umständen nicht mehr länger, als maximal acht Stunden täglich. Da dauert eine Reise über Landstraßen bis Sardinien gerne Mal drei oder gar vier Tage hin und genauso lange zurück, da ich mich auf zwei Rädern Autobahnen strikt verweigere. Mit dem Lieferwagen geht es mit dem ungefähr halben Spritpreis (8,5 Liter Diesel statt 2 X 7 bis 8 Liter Super je 100 km) binnen 11 Stunden je Weg, das ist zu zweit gut an einem Reisetag machbar.
Ich bereite also den, für die Ukrainehilfe angeschafften Opel Movano für die Urlaubsreise vor. Vom Campingmaterial, der Außenmarkise, dem Spannungswandler auf 230 Volt über die Gasflaschenhalterung bis hin zur Rückfahrkamera wird alles mögliche eingebaut, was ich für sinnvoll halte. Die Lackierung wird dem Wohnwagen angepasst. Ich hab es gerne schön. Anfang Juli bremst mich eine Covid-19 Erkrankung aus. Ich bin zweimal geimpft und zweimal geboostert, als es mich im Freien mit Abstand größer als 2 Meter erwischt. Der Verlauf ist heftig und ich bin bis heute nicht vollständig genesen. Trostpflaster ist: vierfach geimpft und bis zur Abfahrt frisch genesen brauche ich mir um eine SARS-CoV-2-Infektion auf der Reise wenig Kopfzerbrechen machen. Noch mehr Schutz geht nicht. Ich muss nur wieder rechtzeitig fit werden ...
Tina erwischt es ebenfalls heftig, aber sie erholt sich schneller. Das ist schön.
Während dessen bekomme ich von den schöneren Campingplätzen Sardiniens Angebote zugesendet. Zum Beispiel für 10 Tage mit Stellplatz am Meer für unseren Wohni, Parkplatz für den Zugwagen und die Motorräder außerhalb des eigentlichen Campingareals, zwei Personen und Stromanschluss 1090 Euro. Dazu kommen die Fährgebühren von 650 Euro und die Spritkosten. Essen und Trinken ist in Italien auch nicht eben preisgünstig. Wir beschliessen eine radikale Änderung unseres Reisezieles: Tina kennt die kroatische Küste nur bis Rijeka und danach erst wieder ein paar griechische Inseln. Ich möchte schon seit langem die kroatische Küstenstraße und zahlreiche postjugoslawische Orte wieder sehen, die ich zuletzt während der Bruderkriege des Zefalls Jugoslawiens gesehen hatte. Albanien ist für uns beide Neuland. Für die oben genannten 1700 Euro alleine können wir uns reichlich Diesel kaufen. Let's go for it!
Etwa eine Woche vor der geplanten Abfahrt stirbt der Turbolader des Movano auf der Autobahn und reisst eine Einspritzdüse mit in den Tod. Das hat zur Folge, dass der Movano raucht wie ein flüchtender Tintenfisch, aber keine Leistung mehr hat, da er nur noch auf drei Zylindern und ohne Ladedruck arbeitet. Die Ersatzteile können drei Tage nach geplanter Abreise da sein, ohne hundertprozentige Sicherheit, dass es die richtigen sein werden, weil es drei mögliche Varianten gibt. Tina und ich halten Rat. Der Urlaub ist uns beiden wichtig und lässt sich aus der Sicht von Tinas Arbeitgeberin nicht verschieben. Wenn es halt nicht sein soll, beschliessen wir, dass die Motorräder zu Hause bleiben müssen und wir irgendein ein Zugfahrzeug für den Wohnwagen beschaffen. Es gäbe zwar den 2CV und den MG, beide mit Anhängerkupplung, aber wir haben uns für gebirgige Anfahrt in unbekanntes Terrain, jedoch mit 690 kg Wohnwagen am Haken entschieden. Da fehlt dem 2CV bergauf Leistung und bergab Eigengewicht, während es dem MG an Bodenfreiheit mangelt.
Aus der garnicht Mal so reichhaltigen Liste des mobile.de-Angebotes für Fahrzeuge mit TÜV und Anhängerkupplung im sofort einsetzbaren Zustand entscheiden wir uns für eine Rentnermercedes mit sehr wenig Rost und verhältnismäßig wenigen Kilometern: ein 2001er W210 200 CDI Automatik mit frisch TÜV und 125 000 km Laufleistung in Smaragdschwarzmetallic ist es geworden. Ich mache einen Ölwechsel, prüfe die Belagstärke der Bremsklötze, den Siedepunkt der Bremsflüssigkeit, fülle Scheibenwaschwasser auf und beschließe, dass die Reifen für diese Reise noch taugen, danach vermutlich eh ersetzt werden müssen.
So kann eine Reise über kleine Motorradsträßchen statt mit zwei BMW Zweiventilern mit einem Rentnermercedes und Wohnwagen starten. Drei Tage vor der Abreise findet ein MRT meines Kopfes statt, wegen des Schlaganfalls. Zwei Tage vor der Abreise erhalte ich eine Krankenhauseinweisung: zur Beobachtung. Ich bespreche das mit Tina und ziehe meinen engsten Freund ins Vertrauen. Beobachten kann ich mich am Strand und im Urlaub ebensogut. Würde es sich um zuwachsene Arterien handeln, dann wäre ein Krankenhausaufenthalt gerechtfertigt. Das Risiko für kleine Blutungen aus platzenden Kavernomen ist im Krankenhaus so hoch, wie am Strand, während der Erholungswert im Urlaub höher sein dürfte und die Ärzte im Balkan ihr Handwerk im Notfall ebenso verstehen.
Wir reisen am Nachmittag des 5. August in Glattbach ab. Ziel ist die Durchquerung Österreichs und Sloveniens auf der Autobahn und das Erreichen des istrischen Meeres in einer Nachtfahrt. 950 km über Autobahnen. Glattbach - Würzburg - Nürnberg - München - Salzburg - Tauerntunnel - Katschbergtunnel - Villach - Karawankentunnel - Ljubliana - Mittelmeer.