Albanien und Balkan Sommer 22

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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Mo 05 Sep, 2022 11:34

Farma Sotira

Die Farma Sotira ist ursprünglich eine Forellenzucht, die in mehreren Natursteinbecken das schnell hindurchfließende und eiskalte Wasser eines Gebirgsbaches dazu verwendet, um Fische zu züchten. Mit der Zeit kamen allerlei ander Nutztiere, wie Ziegen, Kühe, Hühner, Schafe, Enten, Gänse, Schweine, Esel und Pferde hinzu, die alle ohne Gehege im Freien herumlaufen. Nur die Hühner und Enten schlafen nachts in einem Stall, vermutlich als Schutz vor wild lebenden Räubern. Über die Jahre wurde ein Restaurant gebaut, das mehrere auf dem großzügigen Gelände verteilte überdachte Essplätze im Freien anbietet, ein Swimmingpool in einer Nische angelegt, ein Toiletten- und Duschhäuschen errichtet, zahlreiche kleine Bungalows, die zum Mieten angeboten werden und eine mit Strom versorgte, schattige Campingwiese, die etwa 30 Zelten, Wohnwagen oder Wohnmobilen Platz bietet. Man bezahlt am Camping 5 Euro je Person und Nacht, das (reichhaltige) Frühstück ist im Preis inbegriffen, samt selbstproduzierter Butter, Eiern und frisch gemolkener Milch. Haustrunk ist ein Maulbeerensaft, der als Spritzer unvergleichlich intensiv schmeckt und erfrischt.

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Wir essen im Restaurant hervorragend zu Abend und treffen Kim und Christian wieder, mit deren beiden Söhnen Konrad und Oskar, denen wir schon in Himare begegnet waren. Eine Familie aus Wiesbaden, die in einem Volvo 245 mit Tabbert Comtesse-70er-Jahre-Wohnwagen in Albanien unterwegs ist und das Land seit vielen Jahren bereist. Morgen geht es weiter zum Ochridsee nach Nordmazedonien.
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Mo 05 Sep, 2022 13:10

Hornissen und Wasserschlangen

Am kommenden Morgen brechen wir einigermassen zeitig auf. Es ist Freitag, und am Wochenende steht das größte Fest Albaniens bevor: das Korca Beer Festival. In Korca steht die bedeutendste Brauerei Albaniens und dort findet jedes Jahr an einem Auguswochenende ein Bierfest statt, zu dem 100.000 Gäste in der 50.000-Einwohner-Stadt erwartet werden. Wir rechnen daher mit ewigem und unvermeidbarem Staustehen, da wir diese Stadt zwingend durchqueren müssen. Unsere heutige Tagesetappe hat grade Mal 150 km, aber wir fürchten den Stau und es ist zudem ein Grenzübertritt einzuplanen, der auch stets Zeit kostet.

Auf den knapp 70 km bis Korca fahren wir durch spektakuläre Gebirgslandschaften auf abenteuerlichen Straßen, die teilweise gerade komplett neu gebaut werden. Zu unserem Erstaunen fährt ein zur Hälfte beladener Kipper mitten während des Beladungsvorganges, bei dem er die gesamte Straße blockiert aus der Engstelle heraus, lässt uns passieren und setzt wieder zur weiteren Beladung zurück. Die Gastfreundschaft der Albaner kennt scheinbar keine Grenzen.

Zu unserem weiteren Erstaunen ist in Korca so gut wie gar kein Verkehr und wir sind in weniger als 10 Minuten durch die Stadt hindurch. Ab Pogradec am Süd-Westlichen Seeufer des Ochridsees beginnt eine teilweise sogar vierspurige, breite Schnellstraße am Seeufer entlang. Hin und wieder eine Strandbar rechts, oder ein Hotel links der Straße, mehr gibt es nicht. Unspektakulär.
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon Uwe Steinbrecher » Mo 05 Sep, 2022 15:37

Herrlich
Ich hab die Bergstrecken an den warmen Quellen vorbei, an der Forellenzucht (die schmecken lecker!) und die anschließende Löcherpiste mehrfach befahren. Teilweise mit dem Moped (eine helle Freude!) und auch mit einem Rechtslenker-Sprinter nebst bleischwerem Riesenanhänger....
Fahrspaß hängt doch sehr vom Fahrzeug ab :smt004
Danke für die Erinnerung :smt049
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Mo 05 Sep, 2022 16:24

Wir überqueren wenig später ohne große Formalitäten die Grenze nach Nordmazedonien. Dort tanke ich erstmal das Auto kragenvoll, denn hier gibt es das billigste Diesel dieser Reise für 1,50 Euro pro Liter. Da ich keine Lust habe, wegen des einen Abends Aufenthalt Dinare einzutauschen, die ich vermutlich so schnell nicht mehr brauchen werde, bezahle ich in Nordmazedonien alles mit Karte und frage natürlich vorab, ob die akzeptiert wird, was auch im Supermarkt keine Hürde darstellt. Der Euro ist in vielen Teilen Nordmazedoniens nicht mehr gerne gesehen, seit Griechenland die Regierung zu einem Namenswechsel des Landes quasi erpresst hat: Griechenland hat ein Veto gegen die Kandidatur Nordmazedoniens als EU-Beitrittskandidat erst zurückgezogen, nachdem die Mazedonische Regierung zugestimmt hat, den Namen der jungen Republik von "Mazedonien" in "Nordmazedonien" zu ändern, da die nordgriechische Region Rund um Thessaloniki ebenfalls Mazedonien genannt wird.

Ich folge Mal wieder der Zieleingabe meines Garmin-Navis, das vortäuscht, den Weg zum anvisierten "Rino 2 Camping" in Kalista bei Struga zu kennen. Irgendwo in einer der winzigen Gässchen Kalistas behauptet das Navi, ich sei da, was in einer verwegenen und allseits mit amüsiertem Kopfschütteln komentierten Wohnwagengespann-in 87-Zügen-in-einer fremden-Hofeinfahrt-wenden-Aktion mündet, weil da weit und breit nur Häuser stehen. Wären wir einfach urdoof immer weiter auf der Hauptstraße geblieben... Hätte, hätte, Fahrradkette.

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Am sehr empfehlenswerten Rino 2 Camping in Kalista bei Struga werden wir mit einem Ouzo und einem Espresso in deutscher Sprache empfangen. Wir stellen den Wohnwagen ab und springen zur Erfrischung in den See. Dort begegnet mir nach wenigen Augenblicken eine neugierige Wasserschlange. Das ich sowas Schönes nochmal sehen darf!

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Wenig später entdecke ich am Stellplatz neben meinem gerade noch rechtzeitig einen Erdwespenbau, bevor ich barfuss hineingetreten wäre. Unmittelbar danach schwirren mir zwei Hornissen um den Kopf. Keines der Tiere nehme ich als aggressiv war. Selbst als die Wespen am folgenden Morgen zum Frühstück zu Besuch kommen und ihren Teil Marmelade erbitten, verhalten sie sich angenehm entspannt und unaufgeregt.

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Am Abend besuchen wir Struga, wo der See durch ein Nadelwehr reguliert in den Schwarzen Drin abläuft und eine kurz dahinter liegende Brücke von der Dorfjugend zu Geländerspring-Parties genutzt wird.

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Anschliessend fahren wir noch ins Nahe Ohrid. Sowohl Struga, als auch Ohrid haben sich in den vergangenen drei Jahrzehten nicht mehr wiedererkennbar durch den Tourismus verändert. Schön, dass unser Campingplatz an dem ruhigen Ufer des Sees liegt.
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon Dreckbratze » Mo 05 Sep, 2022 16:34

ich wurde noch nie von einem deutsch sprechenden Espresso begrüßt! :shock:
:smt005 mal im Ernst, sehr schöner Bericht über eine offenbar sehr schöne Reise. Danke dafür! :smt023
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Mo 05 Sep, 2022 17:03

Flutregen

Wir frühstücken, duschen nochmal und fahren Richtung Norden. Ich möchte bei Maqellara wieder nach Albanien einreisen, um über das Gebirge nördlich von Tirana in das Mat-Tal zu gelangen. In die Großstadt Tirana zieht mich im Augenblick wenig. Das mache ich vielleicht Mal im März, wenn es beginnt wieder warm zu werden, aber sicher nicht freiwillig in der sengenden Augusthitze.

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In Albanien eingereist trinken wir erst Mal einen Espresso und einen Milchkaffee in einem modernen Kaffeetempelneubau mit Designerbad, dezenter Musik zum pieseln und ganzkörpertätowiertem Kellner mit testosteronstrotzenden Oberarmen und Topflappenfrisur. Einrichtung, Gartenanlage und Accesoires sind vom Feinsten, der Parkplatz steht voll mit SUVs aus deutscher Produktion. Ein Espresso und ein Cappuccino kosten zusammen Einsfünfzig (in Euro umgerechnet). Ich habe keine Ahnung, wie sich das rechnet.

Kurz hinter Maqellara biegen wir nach links ab in Richtung des ebenso schmucklos tristen, wie berüchtigten Bulqiza. Dieser Ort hat für ältere Albaner einen Klang, vergleichbar mit Bautzen in den neuen Bundesländern Deutschlands: hier hatte die Geheimpolizei ihr Foltergefängnis für alle, die weshalb auch immer als Staatsfeinde angesehen wurden. Es beginnt schlagartig, so stark zu regnen, dass die Straßen überspült werden und der Scheibenwischer auf Stufe 2 nicht mehr hinterherkommt. Die Kanalisation in den Städten ebenfalls nicht und die Zufahrten zu mehreren Brücken sind um 20 Zentimeter oder mehr abgesackt. Wenn die Fluten abgeflossen sind, bleibt zuweilen ein Bild der Verwüstung zurück. Dennoch kommen wir ganz ordentlich voran.

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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon Dreckbratze » Mo 05 Sep, 2022 17:28

Was um Himmels Willen ist ne Topflappenfrisur? :smt005
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Mo 05 Sep, 2022 20:37

Dreckbratze hat geschrieben:Was um Himmels Willen ist ne Topflappenfrisur? :smt005


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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon Maybach » Mo 05 Sep, 2022 22:05

Was um Himmels Willen ist ne Topflappenfrisur?


Hae ich mich auch gefragt - und das Foto war für mich keine Erklärung ...

Also: was ist das ?
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Di 06 Sep, 2022 00:07

Eine Frisur, bei der die Haare aussehen, als läge ein Topflappen auf dem Kopf. So besser?
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Do 08 Sep, 2022 10:50

Der sintflutartige Regen zwingt uns mehrmals, trotz Scheibenwischerstufe Zwei, das Tempo deutlich zurückzunehmen, weil die Sicht erheblich eingeschränkt ist. Bei jeder Überflutung fahre ich sehr langsam weiter, da ich jetzt eines der erheblichen Schlaglöcher nicht mehr sehen oder vorausahnen könnte. Der schwere Wagen schwimmt dennoch zuweilen für Sekundenbruchteile auf. Nach etwa 40 Kilometern, kurz vor Klos, wo wir in das Mat-Tal hineinfahren lässt der Regen nach und wir halten am Restaurant "Fresku", dessen Terrasse über den Fluß gebaut ist und alte Uferbäume als statisches Element nutzt.

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Man hält hier für den Touristen eine Speisekarte vor, die auf's Liebenswürdigste übersetzt ist. Wir bestellen "Common Salads", "Breakthrough" und "Chicken with juicy", dazu zwei "Zhveps" und sind sehr gespannt, was da kommen mag. Wir haben Glück:
Man serviert einen großen, gemischten Salat, Lamm und eine Blätterteigtasche mit Gemüse und Hunhn gefüllt, dazu zwei Tonic-Water.

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Danach geht es überwiegend trocken weiter durch das landschaftlich abwechslungsreiche Mat-Tal über eine Straße, die voller tiefer Absackungen, Randabbrüche und Auswaschungen ist. Im letzten Drittel erinnert sie mich mit einem geschlagenen Tunnel ohne Innenschale und Felsüberhängen sehr an französische Gorges.

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Unser Etappenziel für heute ist der Camping Mali Kruja, der auf seiner Website damit wirbt, er sei "inmitten der historischen Stadt Kruja". Die Bilder sind die einer sattgrünen Campingwiese. Wir finden dagegen nach einem Aufstieg über eine enge Serpentinenstraße in die Stadt, hinter einer Tankstelle etwa einen Kilometer extrem anspruchsvolle Schotterpiste ohne Ausweichstellen auf der Zugfahrzeug und Wohnwagen mehrfach unschön aufsetzen. Es ist mal wieder die Grenze des Machbaren für dieses Auto. Besonders eine kurze Steilpassage bereitet mir Kopfzerbrechen: der Staub hier ist extrem Feinkörnig und tiefschwarz. Noch ist er nur stellenweise feucht und an diesen Stellen extrem schmierig, aber die gesamten Serpentinen zur Stadt hinauf sind wir genau dem Unwetter entgegen gefahren, dem wir gerade entkommen waren. Wenn ich mir vorstelle, morgen früh diese Zufahrt nach einem sintflutartigen Regen im schwarzen, glitschigen Schlamm mit dem Automatikdaimler befahren zu müssen, dann ist mir bei dem Gedanken nicht wohl.

Der Stellplatz selbst ist eine scharfkantige Grobschotterterrasse mit schwarzen Schlammstellen. Etwa 200 m weiter unten liegt eine feiner geschotterte Fläche und das Waschhaus. Dort stehen ein paar Olivenbäume. Von einer Campingwiese, wie sie auf den Bildern zu sehen war ist nirgendwo etwas zu sehen. Kaum vorstellbar, dass diese Bilder hier entstanden sein sollen. Wenn doch, dann vor langer Zeit, bevor umfangreiche Erdarbeiten zur Vergrößerung der Campingfläche ausgeführt wurden. Mit einem Motorrad hätte ich hier die steile Rampe hinab fahren können und ein erträgliches Plätzchen unter einem Olivenbaum gefunden. Mit dem Wohnwagen rät mir die Platzbetreiberin ab, hinab zu fahren. Mittlerweile gibt es einen Warnhinweis für Wohnwagengespanne auf der Website. Im Sommer gab es den noch nicht und bei der Vorab-Kommunikation wegen des Platzes hatte ich geschrieben, dass ich mit einem handelsüblichen PKW und 5 Meter langem Wohnwagen anreisen möchte. Der schmucklose und schattenfreie Stellplatz im schwarzen Schlamm, 200 m von der Toilette über einen steilen Hang entfernt, motiviert mich nicht zu bleiben. Nachdem ich fertig aufgebaut habe und dann festgestellt, dass auch Strom entgegen der Absprachen ein Problem ist, verliere ich die Lust. Wir rufen im 80 km entfernten Shkodra an und vereinbaren mit dem Camping Legjenda vom Beginn der Albanientour, dass wir noch heute anreisen.

Zum Anbruch der Dämmerung sind wir zurück in Shkodra.

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Hier bleiben wir statt dessen zwei Nächte und gönnen uns einen Einkaufsbummel am bevorstehenden Sonntag.
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Do 08 Sep, 2022 11:17

Einkaufsbummel und Wagenwäsche

Am kommenden Tag fahren wir nach einem ausgiebigen Frühstück und einem Sprung ins Pool nach Shkodra um ein paar Sachen einzukaufen. Ich kaufe vier Kartoffeln mit zusammen 5 Kilogramm Gewicht, 6 Kilogramm rote, frische Zwiebeln, 10 Tomaten, die noch sehr fest und stellenweise grün sind, 2 kg Kornellkirschen, eingelegtes Gemüse, getrocknete Kräuter, Frischkäse, 5 Liter kaltgepresstes Bio-Olivenöl aus Himare, ein Brot und stocke den Getränkevorrat auf. Danach beschliessen wir, unser vor Dreck strotzendes Auto zu einem "Lavazh" zu bringen, um es gründlich innen und außen reinigen zu lassen. Der "Chef" des "Lavazh" wird für uns Touristen per Mobiltelefon herbeizitiert und wir vereingaren mit ihm eine Komplettreinigung, Innen und Außen für 500 Leke (~ 4,50 Euro). Das ist der Touristenpreis. Einheimische bezahlen 300. Wir willigen mehr als gerne ein und gehen gegenüber Kaffee trinken. Der "Chef" bedeutet mir, das Auto an einem anderen Platz zu parken, wo er besser an alles drankommt. Ich reiche ihm den Schlüssel und frage ihn, ob er das selbst machen möchte. Er strahlt über das ganze Gesicht.

Nach etwa gut 20 Minuten überqueren wir die Straße und unser Auto ist nicht wiederzuerkennen. Kein Krümel Bremsbelagabrieb auf den Felgen, kein Stäubchen Schmutz mehr im Innenraum. Zum ersten Mal sehe ich, weshalb der Farbton "Smaragdschwarzmetallic" heißt.

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Der Chef des Lavazh macht mich auf einen oberflächlichen Kratzer im Klarlack aufmerksam, der sich auf der rechten Seite vom vorderen Kotflügel über beide Türen bis zum hinteren Seitenteil zieht. Den hatte ich mir auf dem Weg durch den Sturzregen an einem tiefhängenden Ast eingehandelt, dem ich wegen Gegenverkehrs nicht ausweichen konnte. Er bietet mir an, den Kratzer für zusätzliche 1500 Leke (~ knapp 14 Euro) mit einer Maschine herauszupolieren, er habe das in Schweden gelernt und besäße eine entsprechende Maschine. Eine gute Maschine, aus Europäischer Produktion, betont er. Ich willige ein. Für umgerechnet 18 Euro ungrad bekomme ich eine Handwäsche innen und außen und den Kratzer herauspoliert. Das kostet zu Hause eine Komplettwäsche in der Waschanlage, nach der noch nicht einmal die Felgen vollständig sauber sind. Ich bin kein Waschfetischist, aber das hier macht mir grade Spaß.
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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Do 08 Sep, 2022 12:24

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Am kommenden Tag brechen wir auf, um nach Montenegro zur Tarr-Schlucht zu fahren, wo wir einen schönen Campingplatz ausfindig gemacht haben. Wir fahren von Shkodra aus einem dramatischen Himmel entgegen.

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Die Route führt ungefähr 100 Kilometer Richtung Norden in die Region Vermosh durch das steile, spektakuläre Gebirge, um am nördlichsten Zipfel Albaniens zwischen Vermosh und Gusinje nach Montenegro zu wechseln. Ich möchte Podgorica umgehen. An die Stadt habe ich keine angenehmen Erinnerungen, besonders was die rabiate Fahrweise mancher Einwohner angeht. Zur montenegrinischen Ehrenrettung möchte ich erwähnen, dass die Fahrer, die uns in Montenegro nach dem Leben trachteten, in 9 von 10 Fällen Serbische Kennzeichen hatten.

Die Fahrt führt auf der albanischen Seite zunächst am Ostufer des Lake Shkodra entlang und dann bei Hot steil über freudvollste Kurven und Kehren in das Thet-Gebirge hinein. Wir genießen erneut spektakuläre Aussichten und halten in Tamarë für einen Kaffee am Rande des Flüsschens Cemi.

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Unmittelbar vor der Grenze nach Montenegro holt uns der Regen von gestern wieder ein. Besonders die Holzbrücke war ziemlich rutschig und die Straßen waren schnell wieder überflutet.

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Die Zöllner wurden auf dem Weg, zwei Meter über die Straße waschelnass aber liessen es sich nicht nehmen, selbst zum Auto zu kommen, um die Dokumente abzuholen. Das nötigte mir Respekt ab. Also wurde ich im Gegenzug waschelnass, um sie freiwillig selbst zurückzuholen. Geteiltes Nass ist halbes Nass oder so.

In Montenegro fuhren wir über Plav entlang des Flüßchens Lim durch Berane, um dann bei Kusevo das Lim-Tal zu verlassen und über Bajista zur wild-malerischen Tara-Schlucht zu wechseln. Dort wollen wir auf der "Eko-Oaza Tear of Europe" übernachten, einem hervorragenden und empfehlenswerten Campingplatz auf einer Wiese mit Restaurant und zahlreichen kleinen Mietbungalowas am Ufer der Tara, Als wir ankommen holt uns der jedoch der Regen ein, und wir beschließen, weiter zu ziehen, da uns der Sinn nicht nach Campen im Regen steht und es auch noch früh am Tag ist.

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Wir fahren über Zabljak und Niksic über hervorragend ausgebaute Gebirgsstaßen nach Bosnien und beginnen, ab der Grenze bei Bileca nach einem Campingplatz ausschau zu halten. Ich wähle eine kleine Straße, da wir später bei Ploce nach Kroatien einreisen wollen. Unser Weg führt über die R427 an Berkovici vorbei über eine schmale, wenig befahrene Straße und schon wieder ist es wunderschön um uns herum. Schließlich finden wir am Wegrand, am Ufer des Flüßchens Bregava den "River Camp heaven in nature", wo wir einen kostengünstigen Stellplatz mit Stromversorgung am Flussufer finden. So etwas malerisches hatten wir garnicht erwartet und wir bekommen gegrillte Forelle und Weisswein zur Nacht. Ein Traum!

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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon fleisspelz » Do 08 Sep, 2022 12:41

Küstenstraße

Die geneigte Leserschaft erinnert sich, dass der ursprüngliche Plan war, Tina einmal die malerische Küstenstraße entlang der kroatischen Adria zu zeigen, die ich in längst vergangenen Tagen zahllose Male bereist habe. Wir erreichen bei Ploce die Küstenstraße zum ersten Mal, ganz in der Nähe des Campingplatzes, der für heute Abend ursprünglich unser Etappenziel gewesen wäre: Camping Bacinska Jezera, einem zauberhaft gelegenen Naturcamping am Ufer eines der Lagunenseen bei Ploce.

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Die Küstenstraße hat viel von ihrem Schrecken verloren, ohne dabei freudlos zu werden. Heute ist es eine gut ausgebaute, breite Straße mit teilweise gar doppelten Leitplanken, entschärften Kurven, neuen Brücken und wenig Verkehr dank der Entlastung vom Fernverkehr durch die parallell im Landesinneren führende Autobahn. Es gibt nicht mehr sehr viele Ortsdurchfahrten, Dank der neu gebauten Umgehungsstraßen, dafür zahlreiche kleine Haltebuchten, die zumeist Fragmente der alten Straße sind. Zum Rasten sind das gern gewählte Anlaufpunkte, manche dienen als Marktplatz für regionale Erzeugnisse.

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Re: Albanien und Balkan Sommer 22

Beitragvon bastardo » Do 08 Sep, 2022 15:30

Oh, ist das alles schön!!! Ich hatte ja echte keinen Schimmer. Jetzt will ich auch mal dort hin! :smt049
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