Eine Betrachtung des Warum: Was ist dran am weißen, kalten Norden im Winter ? Wieso nicht allein ? Geht nicht andauernd was kaputt ? Erfriert man nicht ?
Der Beginn
Im Sommer 2004 sagt Kumpel Frank, er hätte sich eine Ural gekauft und wolle zur Krystallrally nach Norwegen. Ob das nichts für mich wäre ? Oh ja, mit das älteste Wintertreffen im schnee- und frostsicheren Skandinavien, und ein paar Wochen später hatte ich auch eine Ural 650. Mit den beiden Moppeds, mit der brutalen Russenstolle in 4.20-19 versehen, verbrämt mit Kniedecke und Stulpen und bekleidet im Zwiebelprinzip ging es im Februar 2005 das erste Mal gen Norden.
Wie auch später mit der luxuriösen Colorline, wir hatten das Vergnügen der Jungfernfahrt, ging es von Kiel nach Oslo, ab da mit dem einen oder anderen Zwischenstopp zum Hotel wo die Krystallrally stattfand. Wir hatten Schnee ohne Ende, laufend kam Nachschub von oben, und die Urals waren willig und ohne Panne (heute wissen wir das dies reines Glück war – bis dahin kannten wir diese russischen Bauernmotorräder nicht). Das Fahren war die ersten Tage ungewohnt, sehr schnell folgte aber ‚jede Kurve im Drift‘, einfach herrlich. Was uns nicht so gefallen hat war der Veranstaltungsort in einem teuren Hotel, und das die meisten Teilnehmer vor allem laute Geselligkeit und teures Bier konsumierten.
Jeden Tag auf Achse
Also haben wir 2008 die erste selbstorganisierte Reise unternommen: Die über das Russenforum gefundene Gruppe der 6 Zwerge mit Eisprinzessin war ein Glücksfall. Wir haben prima harmoniert, alles Russengespanne, insofern auch die Reisegeschwindigkeit passend. Wir haben eine Rundreise über die Fjells unternommen und immer eine warme Hütte zum Übernachten gefunden.
Das hat sich bis zum Höhepunkt 2016 mit 16 Teilnehmern so fortgesetzt, da waren wir bis Rovaniemi am Polarkreis in Gruppen unterwegs, abends zusammengehockt und Heldengeschichten ausgetauscht.
Feste Hütte und Tagestouren
Ab 2017, mit zunehmendem Alter und den ersten weiblichen Teilnehmern, wurden feste Hütten angesteuert und von da aus Tagestouren unternommen. Schnell wurden es immer mehr Eisärsche, mit 58 Pax und 56 Gespannen in 2023 auf dem Hardanger der sicher nicht mehr zu brechende Rekord.
Nicht zu vergessen 2019 wo wir zu viert im Februar die große Ostseerunde über Land, ohne Fähre, durch Russland bis nach Murmansk gefahren sind.
https://www.jialing-gespann.de/Bilder/Murmansk/MurmanskTrailer.mp4
Dieses Jahr, zum 20-jährigen Jubiläum, geht es zunächst mit 14 Pax in mehreren Gruppen zum Nordkapp, dann zum Eisarsch-Treffen an den Femundsee mit 32 Treibern.
Aber warum ?
Tja, warum im Winter nach Norwegen ? Na, weil da keine Mücken sind !
Nein, es ist einfach schwer zu beschreiben welche Faszination gut spurende kleine Wege durch den tiefverschneiten Wald in Skandinavien ausüben. In der Regel ist es im Februar umd die -15°C und somit absolut nicht kalt, meist scheint die Sonne bei blauem Himmel, der Schnee glitzert, es ist nicht gestreut – einfach herrlich. Nach ein paar Tagen sind auch die Anfänger flott unterwegs, auf den Wegen und kleineren Strassen ist kaum Verkehr und mit ein Umsicht lassen sich enge oder langgezogene Kurven wunderbar im Drift abzirkeln. Gespannfahren ist nun einmal etwas spezielles, und ich behaupte sie wurden für den Winter entwickelt !
Da nicht gestreut wird, die Straßen häufig nur planiert, ist man nach kurzer Zeit zwar weiß gepudert, aber eben nicht verdreckt. Die Landschaft ist wunderschön, es hat Berge, Täler, Flüsse, Seen, Ren- und Elchtiere – und vereinzelt ein paar Norweger. Die hinreichen vorhandenen Tankstellen haben fast immer einen Imbiss angeschlossen, so das der Unterwurstung entgegen getreten werden kann. Ja, Norwegen ist kein billiges Reiseland, und die Anreise per Fähre heftig teuer – aber vom ersten Tag an hat man nicht nur Urlaub, sondern vergisst umgehend Datum und Sorgen. Die Anreise per Fähre spart viele hundert Kilometer, man sitzt in der Gruppe im Irish Pub und freut sich auf den kommenden Morgen wenn Oslo erreicht wird.

Kaum aus Oslo raus hat es herrlich verschneite Wege und Straßen, man muss nur von den E-Straßen runter. Mit gleichgesinnten (Bekloppten) Gespannfahrern in kleinen Gruppen Stabkirchen, Wasserfälle, pittoreske Dörfer, Seen, Fjellübergänge kleinste Bergsträßchen mit Serpentinen und Steigungen die die Alpen verblassen lassen besuchen, das im Schnee und ab und an auch im Schneesturm zu fahren ist einfach mit nichts zu vergleichen.

Abends nach getaner Fahrarbeit gemeinsam in der großen Hütte vor dem Kamin zu sitzen, den Tag im Gespräch ausklingen zu lassen, ja, auch gemeinsam für 40 Leute und mehr zu kochen, ist dann das Salz in der Suppe.
Der Hauptgrund: Die Menschen

Ich habe in all den Jahren nicht einen einzigen Eisarsch kennengelernt der ein Arschloch war. Wer so eine Reise im Winter unternimmt kann kein Idiot sein. Merkwürdig, eigen, mundfaul oder mitteilsam ja, aber eben nicht asozial. Wir Winterfahrer haben halt alle einen an der Waffel ! Noch anzumerken das ich niemals so viele wirklich tolle Menschen kennengelernt hätte wenn der Eisarsch nicht wäre. Und das setzt sich auch nach der jährlichen Tour fort: Es haben sich etliche dauerhafte und enge Freundschaften entwickelt. In der wie immer vor der Reise hyperaktiven Whatsapp-Gruppe haben sich zudem Menschen mit enormem technischen Know-How gefunden, und nicht nur Wissen, auch Ersatzteile werden geteilt. Es ist mittlerweile eine Gemeinschaft geworden wie man es selten findet.
All das zusammen macht den Reiz des Eisarsch aus, den nicht nur ich nicht mehr missen möchte. Zwischenzeitlich haben sich Gruppen gebildet die aus familiären Gründen mit Kind und Kegel bereits zum Jahreswechsel losjuckeln, oder auch eine Woche nach dem Eisarsch länger bleiben. Allen gemein ist das sie den unglaublichen Reiz des winterlichen Nordens teilen.
https://www.jialing-gespann.de/20Jahre/IMG_8169.MOV
Dies abschließende Video zeigt was passiert wenn man bei -40°C kochendes Wasser in die Luft wirft

In zwei Wochen geht es zum Kapp, in vier Wochen zum Eisarsch - ich freu mich narrisch !
Georg