von motorang » Mi 03 Jul, 2013 08:52
Sonntag, 30.6.
Es ist wieder bedeckt, wir verzichten auf die Attraktionen des Städtchens (Walbeobachtung per Boot und das berühmte Penismuseum) und machen uns auf den Weg nach Westen um von dort aus das Hochland zu durchqueren. Auf der F35 (Kjölur) soll das derzeit möglich sein, aber dafür müssen wir runter zur Ringstraße nach Akueyri und auf ihr etwa 100 km nach Westen.
Auf dem Weg bleiben wir gut zwei Stunden beim Automuseum in Ystafel hängen. Um es zu verstehen muss man ein paar Bilder ansehen ... Dann einkaufen in Akueyri (viele Geschäfte haben auch sonntags offen) und was essen. Die Fastfoodkette Subway hat warme Sandwiches für uns.
Nach vielen eisig kalten Kilometern kommen wir etwas steif in Varmahlid an, tanken und trinken etwas Warmes. Kaffee gibt es hier übrigens aus großen Pumpthermosflaschen, man bezahlt für den Becher und kann sich immer wieder nachnehmen - um umgerechnet 2€ eine feine Sache. Die Karte verzeichnet eine Viertelstunde südlich bei Reykir zwei Zeltplätze und ein Schwimmbad, und tatsächlich ist beides nur 100m voneinander entfernt und der Zeltplatz hat auch noch einen kleinen Aufenthaltsraum mit Küchenzeile. Das Schwimmbad ist inklusive und hat bis nach 22 Uhr offen, so dass sich die entspannende Sitzung im Hot Pot noch ausgeht. Wir braten Fleisch und kochen Kohlsprossen, die Verpflegung ist ausgezeichnet. Zum Schluss schläft der Wind ein und es wird fast noch warm. Morgen wird wieder ein Pistentag!
Montag 1.7.
Wie auch schon gestern müffelt die Tenere nach Sprit - bei geschlossenen Benzinhähnen. Da schließt wohl das Schwimmerventil nicht ganz und einer der Hähne auch nicht. Nach Abziehen der Benzinschläuche scheint der rechte Hahn inkontinent zu sein. Leider ist das nicht reparierbar so dass durch einlegen von Plastikfolie und draufstecken des Benzinschlauches provisorisch diese Seite stillgelegt wird. Wir basteln und räumen noch länger herum, großes Frühstück im Gemeinschaftsraum, plaudern mit anderen Campinggästen (Kanada, Schweden, Deutschland) und kommen so erst gegen Mittag los. Keine drei km später rinnt es beim Vergaser, aber ordentlich. Technischer Halt am Pistenrand: der Benzinschlauch ist der Bösewicht! Auch eln Gewebegummischlauch hält nicht ewig. Das ist schnell provisorisch behoben, ich entferne das defekte Stück und verbinde pen linken Benzinhahn direkt mit dem Vergaser. Wir lassen noch den Reifendruck auf 1,5 bar ab und es geht über die kleine Piste F756 weiter, bei leichtem Nieseln und 5 Grad. Schön zu fahren, anscheinend frisch gegradert mit ein paar weichen Stellen. Weideland mit vielen Schafen, klelnen Bächen und Kurven. Etwa wie oben am Sölkpass vor 25 Jahren. Beim Stauseekomplex Blöndulon ist dann schon Vollwüste, hier treffen wir auf die 35, der wir nach Süden bis Hveravellir folgen. Halbwegs zwischen zwei großen Gletschern ist in einer dampfenden Senke die bewirtschaftete Hütte mit Zeltplatz. Die Piste verläuft meist schnurgerade mit 80er-Wellblech: wenn man mit 80 drüberbrettert sind die Vibrationen fast weg. Es regnet immer wieder, Temperaur 3-4 Grad, Wind trägt unsere Staubfahnen weit über die flache Landschaft, Gegenverkehr ist schon Kilometer vorher an einer Staubwolke zu erkennen.
Bei der Hütte erstmal drei Kaffee - für jeden. Dann nach dem Zelten fragen: Fahrzeuge müssen am Grobschotterparkplatz stehen, Zelte sollen in die Wiese. Wir finden hinter der Hütte bei den Reiseautos ein Platzerl wo beides so nah beisammenliegt dass das 5m-Stromkabel bis ins Zelt reicht. Für die nächtllche Ladung von Smartphones, Navigation und Martins GoPro Helmkamera. In der Hütte ginge das auch, zwei Stunden für 2 Euro pro Gerät ...
Der Camping kostet die üblichen 1200 Kronen (8 €) - so viel wie eine große Dose GULL Bier. Leider wird dann der Regen stärker und eine sehr gute Stunde lang schüttet es durchgehend. Wir hocken mit den Moppedklamotten auf unserer Holzgarnitur unter dem Tentwing, das den Großteil des Windes und Regens abhält. Keiner hat Lust zur vollen Hütte zu rennen oder auch nur den Kocher vom Mopped zu holen. Immerhin ist der Rucksack mit dem Essen am Tisch, und wir können jausnen. Es ist etwa 16 Uhr, heute passiert nicht mehr viel. Wir vertilgen Cheddar cheese, Baguette, Güleröder (Karotten), Smjör (Butter), Hartwurst, Schokoriegel. Endlich weniger Regen. Spaziergang zum nahegelegenen "Dampfgebiet". Hier kommt leicht schwefeliges Heißwasser und Dampf aus dem Boden, und mit dem Wasser wird ein Hotpot neben dem Bachbett gespeist. Zwei armdicke Kaltwasserschläuche und einer mit 80-100 Grad können je nach Bedarf in den Pool gehängt werden. Die Leute da drin sehen glücklich aus, die Mischung passt wohl. Etwas gestresst sind die Menschen die sich gerade bei Windstärke 5 im Freien umziehen, das Badehäuschen ist klein, wie alle Häuser ohne Dachvorsprung, und nur für Zimmergäste. Und es hat inzwischen nur noch 1 Grad. Die Kollegen gehen früh schlafen, aber ich muss ins warme Wasser, ziehe mich beim Zelt um: Badehose, Flipflops, Mütze, Windjacke, Hose. Ortliebtasche mit Handtuch untern Arm und los. Einen Viertelkilometer später raus aus dem Übergewand, dieses regendicht in die Ortliebtasche gepackt, und ab in den Hot Pot. Zwei Verbesserungen fürs nächste Mal: Getränk mitnehmen und Haube aufsetzen. Man wird ganz schön durstig wenn man da knapp zwei Stunden im heißen Wasser einweicht, und vom Regen wird der Kopf nass und kalt. Zwischendrin ein leichter Graupelschauer, aber gegen 21 Uhr kommt die Sonne raus und es hört auf zu schneeregnen. Zeit um sich schnell abzutrocknen und mit Windjacke und Haube zum Zelt zu gehen. Der Wind kühlt einen zwar aus, aber er trocknet auch. Beim Zelt in die lange Unterwäsche gewechselt, Socken an und ab in den Schlafsack - göttlich! Bis jetzt kommen wir mit dem Zelten gut klar, es gibt überall preiswerte Plätze, und fürs Trocknen von Handtuch und gewaschener Unterwäsche und Socken findet sich irgendwo ein Heizkörper, ein trockener Raum, oder halt der Zelthimmel. Die Motorräder laufen zuverlässig. Bis auf das derzeit nicht so tolle Wetter (auch für Island) alles paletti.
Dienstag 2.7.
Regen am Zelt und Lärm von flatterndem Zeltstoff = umdrehen und weiterschlafen. Erst spät finden wir uns mit dem gleichbleibend grauslichen Wetter ab und trinken ein paar Kaffee und Kakao bei der Hütte. Zeltabbau bei Starkwind und Nieselregen, zuletzt die Plane unter der wir die Motorradklamotten angezogen haben. Ich hab heute alles an außer der Regenkombi, 4 Schichten. Jacke und Hose sind halbwegs dicht, der Wind trocknet den Regen gleich weg. Die Griffheizung ist auf Zündung geschalten und bleibt heute an. Wenn der Motor läuft werden die Pfoten warm, in Verbindung mit den Lenkerstulpen echt fein!
Es geht auf schnell zu fahrender Piste weiter, aber man muss aufmerksam bleiben weil manchmal doch eine Rinne oder ein Loch kommt. Ein etwa 8 km langer Nebenweg führt uns direkt zum Gletscher, er ist deutlich gröber zu fahren mit tiefen Löchern und Fahrspuren, was den meisten anderen Straßenbenutzern egal ist. Die Isländer karren hier mit ihren Superjeeps (ballonbereifte US-Kutschen zumeist) Touristen auf den Gletscher. Vor einem Loch verbremse ich mich und lege die Tenere hin. Wieder mal freu ich mich dass das Eisen voll beladen weniger wiegt als eine komplett leere und trockene Africa Twin. Die Alukoffer stecken so einen Ausrutscher auch auf Lavagestein weg, und auch am Lenker bleibt dank umlaufenber Griffbügel alles ganz. Aufstellen, ankicken und weiter.
Eine Stunde später sind wir beim Wasserfall Gullfoss angelangt, die Wüste hat sich zu saftig grünem Farmland gewandelt. Manchmal scheint die Sonne, die Temperatur wird langsam zweistellig. Nach Spaziergang, Suppe und Kaffee ist mir schon zu warm, und eine Schicht Unterkleidung muss weg. Im unweit gelegenen Geysir (das mit der gleichnamigen Springquelle und dem Dampfschlot Stokkur) ersetze ich die undichte Benzinleitung und stelle den Originalzustand wieder her, damit sind beide Tankhälften während der Fahrt verwendbar, wenn auch der Ersatzschlauch in der Kälte bockig ist und nur unwillig dichtet.
Nachdem die letzten beiden Tage kulinarisch eher trist waren, wollen wir heute etwas früher Schluss machen und grillen, auch die Zelte müssen noch trocknen. Nach Karte finden wir gegen 19 Uhr einen passenden kleinen Platz an der 32 nahe Storinpur, mit Rasen und Sonne und viel Wind. Grillen geht im Windschatten der kleinen Duschanlage, es gibt Lamm und Wokgemüse, Toast mit Butter und Knoblauch, Cheddar cheese. Dazu Bier, und ein Schluck Scotch rundet die Sache ab. Der Platz liegt an einem kleinen Fluss und ist (selten!) baumbestanden, so dass wir Brennholz für ein wärmendes Feuerchen klauben können. Abends geht das Thermometer auf 5 Grad, die Sonne geht zwar kaum unter, aber lange Schatten wärmen halt nicht. Zeltschlupf gegen 23 Uhr.
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Gerade als die Raupe dachte, die Welt würde untergehen, verwandelte sie sich in einen Schmetterling.