... Fortsetzung
Wieder war große Hitze angekündigt. daher wieder ein frühestmöglicher Aufbruch, der aber durch die Bereitstellung des Frühstücks limitiert war. Also ging es erst gegen 0800 Uhr wieder los aus Slupca. Wie einige Hotels, die ich in Polen kennenlernen durfte, war es groß angelegt, mit großem Parkplatz, aber nicht wirklich gebucht. Ich vermute, dass in Polen vor allem Familienfeiern in großem Rahmen und in solchen Einrichtungen gefeiert werden.
Fahrtrichtung war wieder ostwärts, Ziel war Lodz.
Nach rund 45 Kilometern überragte etwas die Baumwipfel, das aussah wie der Petersdom.
- Basilika der Mutter Gottes Lichen Stary
Das musste man sich ansehen. Und es war wirklich eine erstaunliche Einrichtung: Lichen Stary mit seiner Basilika der Muttergottes von Lichen (
https://de.wikipedia.org/wiki/Basilika_ ... _von_Licheń) ist (wenn ich das recht verstanden habe) zum einen ein hoch frequentierter Wallfahrtsort und zum anderen der Ort, an dem die innige Verbindung zwischen der polnischen Kirche und der Armia Krajova (der polnischen Heimatarmee im 2. Weltkrieg) gefeiert wird. Auf dem Weg durch die Anlage zur Basilika kommt man an zahlreichen Denkmälern vorbei, die diese Verbindung zur AK belegen. Und schließlich steht man vor dem beeindruckenden (nicht schönen!) Basilika-Ensemble an einer großen Rasenfläche, um die herum geschätzte 90 Fahnenmasten mit Fahnen aufgestellt sind: Eine Fahne ist auf Halbmast gesetzt. Es ist die Fahne der russischen Föderation. Ich gestehe offen, das ich diesen feinen, aber wirksamen Hinweis auf das Ausscheren einer Nation aus dem comme il faut europäischer Mächte sehr gelungen finde.
- Russlands Fahne auf Halbmast. Warum die Fahnen daneben diejenigen von Deutschland und Albanien sind, konnte ich nicht eruieren.
Das Innere der Kirche ist prächtig, beeindruckend aber ist vor allem die Orgel.
- Die Orgel in der Basilika. Nicht auf dem Bild sind die zwei Orgeln in den Querschiffen und die zwei jeweils rechts und links vom Hauptaltar ...
Ich hatte das Glück, dass da ein Organist, der sein Fach verstand, einige Etüden spielte. Ich habe mich zunächst in der hintersten Reihe gesetzt, aber dort kam eigentlich nur verschwommene Musiktextur an. Als ich dann im Vierungsbereich stand - da hat es mich schier weggeblasen! Das hat in größtem Maße dazu beigetragen, dass sich dieser Platz sehr in meine Erinnerung eingegraben hat. Und dass die Orgel wirklich die Königin der Instrumente ist.
Nach einem ausgiebigen Besuch ging es dann weiter Richtung Lodz, vorbei auch an einer Gedenkstätte, die mich aufhorchen ließ: Chelmno. Aber der Himmel verfinsterte sich zunehmend und es war irgendwie keine Zeit, das anzusehen, zumal es schwere Kost ist. Aber wie das so ist beim Motorradfahren: Man glaubt ja immer, das man das irgendwie auskurven kann. Konnte ich nicht ...
Ein Blitz, der unweit einschlug bei nahezu gleichzeitigem Donnerschlag und ein Wasserschwall der Sonderklasse weichte mich augenblicklich von Kopf bis Fuß ein. Ich hatte wegen der Hitze natürlich nicht die Goretex-Kombi an, sondern die Aramid-Jeans...
Beim ersten Abschwellen des Regens bin ich weiter, immer spähend um eine Möglichkeit, kurz unterzuziehen. Und in Pudlowek, nur wenige Kilometer später fand sich ein etwas grindiges Wartehäuschen, das genau die Möglichkeit bot. Also rein und die ganz nassen Sachen mal abgelegt und ausgewrungen. Später dann auch die Honda da rein gezerrt (und dabei gleich wieder naß geworden).
- Noch steht die CB500 nicht im Wartehäuschen ...
Gegenüber war ein einsames Storchennest, wo sich das Storchenpaar plus zwei Junge zusammendrängten gegen die torrentischen Fluten und die Windböen. Wieviele Störche wohl im Jahr an Blitzschlägen verenden?
Aber von dort war es nicht mehr allzu weit zu meinem Ziel in der Innenstadt von Lodz. Nur noch grob 50 km. Und so wartete ich ab, bis der mittlerweile wieder angeschwollene Regen wieder weniger wurde und fuhr dann auf der Magistrale von Westen in die Stadt ein. Unterwegs noch eine kleine Pause bei einer Tankstelle, um das Handy wieder trocken zu machen und dann den letzten Sprung bis ins Hotel: Vor dem Hotel, in der Einfahrt, gab das Handy wasserbedingt auf.
Es folgte das Einchecken in dem Boutique-Hotel und eine verwundert blickende junge Dame blickte auf den größer werdenden Wasserfleck, der sich um mich bildete. Mir war das wurscht, ich verrollte mich baldmöglichst auf mein Zimmer und breitete mein nasses Zeug zum Trocknen aus. Klappte prächtig. Auch die Dusche war angenehm. Nur klapperte es während des Duschens an der Tür und ein Pärchen stand mit runden Augen um sich blickend in der Mahallah aus nassem Motorrad-Zeug. Und teilte mir mit, dass sie dieses Zimmer hätten. Und sie hatten recht. Nur: Der mit überrreichte Schlüssel hatte im Nebenzimmer (welches meines sein sollte) nicht geschlossen, wohl aber in dem nunmehr besetzten. Ich bat um ein wenig Geduld, aber die waren sehr zuvorkommend und machten sich anerbietig, das mit der Rezeption zu lösen. Was sie auch taten. Leider habe ich das Pärchen nicht mehr gesehen, ich hätte ihnen gerne ein Abendessen bezahlt.
Nachdem ich wieder "landfein" war, bin ich dann zur Rezeption, denn zwischenzeitlich schloß der elektronische Schlüssel mein Zimmer nicht mehr. Die Dame am Empfang wirkte leicht genervt und übergab mir kommentarlos den Generalschlüssel (!), auf den ich aber bitte aufpassen solle. Um es vorwegzunehmen: Er hat geschlossen und ich habe ihn (sehr zur Verwunderung der am nächsten Morgen Dienst tuenden Rezeptionistin) auch wieder abgegeben.
Und so bin ich dann losgezogen, denn mir waren aus berufenem Munde Tipps für die Besichtigung des Zentrums gegeben worden. Und um es gleich zu sagen: Lodz ist eine tolle Stadt mit einer großartigen Vergangenheit (und mit einer, die gar nicht großartig war und an der die Deutschen Schuld sind).
Die zentrale Prachtstraße (die längste in Europa, über 4 km ) Pjotrkowska könnte genauso gut in Paris, London oder Berlin sein. Natürlich hat es auch da kriegsbedingte Lücken, die man dann mit sozialistischem Charme zubetoniert hat, aber heute ist da wieder großstädtisches Leben.
- Blick vom Beginn der Piotrkowska nach Süden
- Beispiel für die Prachtarchitektur in der Piotrkoswska. Ein Mietshaus ...
Das 78ha umfassende Industrieareal (Textil), das der Familie von Israel Poznanski gehört hatte, wurde in wirklich beeindruckender Weise revitalisiert - und zwar von einer Stadtverwaltung in weiser Selbstbeschränkung als Projekt öffentlich ausgeschrieben. Daraus wurde dann das größe Kulturzentrum mit Gastronomie, Theater und Hotel, zugleich eines der größten Einkaufszentren, Beachvolleyballplatz, Museum und was weiß ich nicht alles. Wer nach Lodz kommt: ANSCHAUEN!
- Blick auf denHaupteingang mit der Uhr (damit die Arbeiter wußten, was es geschlagen hatte). Rechts das Kontor für die Verwaltung. rechts davon wieder schließt sich das Fabrikanten"wohnhaus" an.
- Im Inneren des Geländes: Heute Gastronomie, Beachvolleyball und einfach Platz zum Chillen (wie das wohl heute heißt)
Neben dem Industriereal ist ein Gebäudekomplex der einen an die Loireschlösser erinnert. Das war die bescheidene Wohnung des genanntenn Poznanski. Heute ist dort das Stadtmuseum, das aber leider zu war.
- Die Fabrikanten-Villa, eher ein Schloss, das dem internationalen Rang des Fabrikbesitzers Ausdruck verleihen sollte.
Und dann war der Regen auch wieder weg.
to be continued ...