Wir stehen am Ende einer Sackgasse mit vielleicht 5 Metern Breite vor dem Zufahrtstor zum exclusiven
Soleil-Ressort, einem abgeschotteten, top-modernen Ichweissnichtwievielsterne-Schicke-Leute-Ferienbunker, der Rund um die Uhr bewacht wird. Rechts und links der Zufahrt ist alles dicht-an-dicht zugeparkt. Der einzige verbliebene Weg führt ungefähr einen halben Kilometer rückwärts um mehrere Kurven herum, zwischen parkenden Autos durch. Ich bin müde wegen der schlaflosen Nacht, bemerke ein leichtes Überlastungszittern im gehandicapten Arm und denke mir grade: "Ich bin zu alt für den Scheiss!", als der bullige Securitymann an meine Scheibe klopft. Ich öffne sie in der Erwartung einer schmucklos vorgetragenen Standpauke, dass ich unverzüglich das Tor zu seinem Ressort freizugeben und darüber hinaus hier nichts verloren hätte.
"Good Morning Sir!"
"Good Morning! Please excuse me for blocking your entrance, I think, I took the wrong way. I will turn back."
"Where do you want to go?" fragt der Wachmann mit einem warmen Lächeln in der Stimme.
"My destiny is "Camping Kranea". My Sat-Nav guided me here."
"There are many Campings if you turn round and turn right on the first crossing."
"Do you know Camping Kranea?"
"No, I'm sorry Sir, but there you will find many Campings."
Ich bin komplett überwältigt von der freundlichsten Kommunikation die ich jemals in meinem Leben mit einem fremden Securitymann geführt habe. Jetzt steige ich aus und beginne, den Wohnwagen abzukuppeln, in der Absicht, ihn von Hand zu drehen, irgendwie mit dem Zugfahrzeug dran vorbei zu zirkeln, um wieder zurück zu kommen. Der Securitymann lacht, schüttelt den Kopf, öffnet das Tor und bedeutet mir, ich solle doch auf seinem Gelände drehen. Ich fahre hinein und wende mit meinem 21 Jahre alten Rentner-Mercedes und dem 43 Jahre alten blümchenverzierten Hippiewohnwagen zwischen Maseratis, Ferraris, einem Bentley und zahllosen ladenneuen Porsche Cayenne. Es ist zwar eng, aber weitaus weniger eng, als vor dem Tor. Dennoch bin ich irgendwie heilfroh, keine Tuchfühlung zu einer der Luxuskarossen aufgenommen zu haben, und dankbar, dass in Albanien Security-Guards irgendwie ganz normale, freundliche und mitfühlende Menschen sind.

Ich fahre zurück zur ersten Kreuzung und biege rechts ab. Bald endet der ohnehin brüchige Asphaltbelag und es geht über Schotter weiter. Ich hatte mir zwar während der Reisevorbereitungen zu Hause Bilder der Zufahrt im Internet angesehen, und hätte daher auf die Idee kommen können, dass ich nicht auf dem einzig richtigen Weg bin, aber ich bin unausgeschlafen, müde und mein Navi behauptet, es sei jetzt nur noch etwas mehr als ein Kilometer bis zum Ziel und weist mich an, die eingeschlagene Route beizubehalten.
Der Weg wird immer enger. Wir können mit dem zwei Meter breiten Wohnwägelchen so eben zwischen den Büschen durch und am Abgrund vorbei. Ich bin froh, dass er nicht breiter ist. Das eine oder andere Mal setzt der Auspuff auf. Der Untergrund wird immer steiniger und rauher, das Gestein immer scharfkantiger, die Löcher im Weg tiefer. Ich komme dennoch langsam weiter, vorbei an zahllosen Traumstränden und hier und dort zum freien Campen abgestellten Allradvehikeln aller Art. Leider habe ich kein Foto von der "Straße" gemacht. Wen es interessiert: bei google findet man diese Bild. Da sieht der Weg jedoch zahmer aus, als er in Wahrheit ist:
Link Die Landschaft rechts des Weges entschuldigt dafür für jeden Fahrbahnzustand, auch wenn ich ahne, dass die Grenzen der Möglichkeiten des Rentnermercedes genau hier sind.

Irgendwann bremse ich vor einer Senke, die in eine der zahllosen Buchten hinabführt. Ich ahne: Das ist zu steil für das Auto, falls wir zurück müssten. Von meinem Standpunkt aus knickt der Weg etwa 30 Grad nach links ab und hat ein Gefälle von vielleicht 20% über etwa 30 Meter Länge. Dummerweise fehlt inmitten des Gefällestückes die rechte Hälfte der Fahrbahn und irgendwer hat versucht, das mit großen Felsbrocken notdürftig aufzufüllen. Ich würde vielleicht in die Senke hinabkommen und mir dabei Dellen und Schrammen am Fahrzeugboden einhandeln. Für den Fall, dass ich drehen müsste hätte ich jedoch Zweifel, mit einem Automatikauto da schmerzfrei wieder hoch zu kommen.
Es ist immer noch kurz nach sieben am Morgen und ich bin immer noch müde. Irgendwann dämmert mir, dass ich auf einem Bild des Campingplatzes ein größeres Wohnmobil mit deutlichem Überhang am Heck gesehen hatte. Das kann nicht die einzige Zufahrt sein! Ich setze etwa 200 Meter zurück, bis eine breitere Stelle kommt, an der ich den Wohnwagen abkuppeln kann, um ihn gemeinsam mit Tina von Hand zu drehen, den Zugwagen daran vorbei zu schummeln, in gefühlten 27 Zügen zu wenden und dann den Wohni wieder anzukuppeln. Auf dem Weg zurück begegnen wir ersten Badegästen zu Fuß. Wenn mir jetzt ein Auto entgegenkommt, dessen Fahrer den Weg nicht kennt, denke ich mir, dann könnte der in die Bredouille geraten: "Was soll schon sein, mir ist eben ein alter Mercedes mit Wohnwagen entgegen gekommen!"
Wir fahren die Serpentinen wieder hoch zur Hauptstraße und biegen sechs Kilometer weiter zum Strand ab. Um kurz vor acht stehen wir vor der Einfahrt zum
Camping Kranea, wo um acht der Besitzer die Café-Bar öffnet, um uns mit einem Espresso und einem Milchkaffee zu begrüßen.