Herr Lehmann:Für die Fahrt zu T.s kleinem Treffen vertraut mir Achim seinen Herrn Lehmann an. Welch eine Ehre! Respektvoll nähere ich mich der Guzzi, sie ist schwer, im patinierten Originaltrimm und nicht meine. Nachdem ich mich draufgefaltet habe, stelle ich fest: So unbequem sitzt man garnicht! Nur die Endurostiefel passen nicht so ganz, das Betätigen der Integralbremse ist etwas schwierig, aber wird schon gehen, irgendwie. Der montierte Elefantenboy bietet nicht nur viel Stauraum, sondern auch eine Ablagemöglichkeit für die eigene Plautze, so kann man die Hände etwas entlasten. Wobei das bei etwas höherer Geschwindigkeit garnicht nötig ist.
Der Lenkeinschlag ist kaum verhanden, hier muss man echt aufpassen, wenn man von anderen Motorrädern kommt. Sonst liegt man beim Rangieren schnell auf der Mappe.
Achim startet mir die Guzzi, und wir wollen losfahren. Während er sich bereitmacht, würge ich die Maschine leider ab, na macht ja nix. Allerdings suche ich daraufhin verzweifelt den Startknopf, rechts am Lenker ist nichts, auch links nicht. Weder unten am Seitendeckel noch sonstwo finde ich ihn. Gibt es eine App, wie bei Achims ehemaliger Elspeth? Achim bemerkt meine Verweiflung und hilft mir aus. Der Startknopf findet sich neben dem Zündschloß, versteckt durch den Tankruck. Na, da kann ich ja lange suchen!
Einmal in Bewegung, fährt sich die Guzzi herrlich unaufgeregt! Das Fahrwerk ist ein einziger Traum! Die Bremsen packen ordentlich zu, an die Integralbremse kann man sich echt gewöhnen. Nur der Vorderradbremshebel hat quasi Null Betätigungsweg und fühlt sich an, als ob man an einem Stock rumdrückt. Nur mit wirklich viel Kraft bekommt man eine nennenswerte Bremswirkung zusammen. Viel Bremsen muss man allerdings ohnehin nicht, nach einer Weile stellt sich ein runder Fahrstil ein, das Fahrwerk lenkt ein, sobald man mit einem Druck auf die kurveninnere Raste und einer leichten Arschbewegung die Richtung vorgibt. Nie habe ich auch nur den Ansatz von Unruhe beim Durchfahren einer Kurve verspürt. Richtung einstellen, am Gas bleiben, durchfahren. Fertig. Leider geil!
Der Motor passt da eigentlich garnicht dazu: Während das Fahrwerk eine italiensche Schönheit ist, ist der Motor ein lauter Rabauke, der eher zu einem Engländer passen würde.
Der Ventiltrieb klappert laut und deutlich, und der Startvorgang im kalten Zustand ist ganz klar von der Sorte "Du musst wissen, was du tust!" Sonst steht man vollbepackt auf der Dorfstraße mit kaputten Zündkerzen, nur, weil man 30s den Choke dringelassen hat.
Auch der unrunde Lauf passt weniger zu bella Italia, sondern eher zu einem Betonmischer auf einer deutschen Baustelle.
Aber irgendwie macht diese nicht zusammenpassende Kombination echt Spaß, besonders wenn der Motor ab 5500 Umdrehungen ordentlich zu ziehen anfängt. Herrlich! Dazu passt der Drehzahlmesser, der groß und in der Mitte der Instrumente sitzt. Der kleine, verschämte Tacho zeigt einem nur ungern an, dass man gerade seinen Führerschein gefährdet.
Die Elektrik ist, ähem, spannend. Ab und zu geht die Ladekontrollleuchte nicht aus, und unterwegs fiel mal die komplette Beleuchtung aus. Dass es gerade in der Dämmerung war, hat ein wenig für Anspannung gesorgt. Zum Glück war es nur ein abgefallener Stecker im Cockpit. Wieder draufgesteckt, konnte ich entspannt weiterfahren. Der Hauptscheinwerfer wackelt ziemlich, aber das mus bestimmt so. Guzzifahrer fahren sicher nicht im Dunkeln.
Das Voltmeter zeigt immer an, dass die Batteriespannung nicht zu gering ist. Das beruhigt ungemein!
Damit sich der geneigte Guzzifahrer in der Kneipe nix anhören muss, wenn er mal saubere Finger hat ("Na, mit der Straßenbahn gekommen?"), findet sich im Tank vor dem Tankdeckel eine Fettecke, mit der man seine Finger schön schmutzig machen kann. So gerät das Weltbild der Anderen nicht ins Wanken! Schlau!
Insgesamt ein saugeiles Ding, so eine Le Mans. Jetzt will ich auch eine!
Punktzahl: 10 von 10 klappernden Ventiltrieben!
Fortsetzung folgt...