Samstag
Da wird man wach und es fehlt der "Morgen". Es ist noch genau so hell und sonnig wie beim Einschlafen.
Kaffee gekocht, ein paar Kekse eingeworfen, die Sachen zusammenrupfen auf den Dieseligen Diesel werfen und los gehts. Bei einem solchen Wetter und in so einer Landschaft werd ich immer ziemlich schnell aus dem Morgentran gerissen und unternehmungslustig.
Ich biege von der Hauptstraße ab, um mal einen ganz normalen Ort ohne touristischen Aufruf anzuschauen. Mach ich in Touristengegenden meist, um zu sehen, was Fassade für den Fremdenverkehr und was "echt" ist. Hier ist wohl alles echt. O. K., nicht so ordentlich wie in Nussfjord, aber sonst...
Ersatzmotor ?
Noch mal nach Süden, in Reine noch ein Kaffee gekauft und hinsetzen und Leute glotzen.
Samstag ist wohl ein wichtiger Tag. Denn schon um 9.00 Uhr sitzt die Dorfjugend mit einer Palette Bier am Hafen und ist halbstark. Dann legt eine Familie mit 3 Seekajaks ab, ein deutscher Womolist putzt seine Karre. Scheint wichtig zu sein, die Dinger ununterbrochen zu putzen, die Scheiben zu polieren, den Chrom zu wienern usw... Mir sind die Dinger damit eindeutig zu lästig.
Dann kommen 2 Reisebusse um die Ecke. Jetzt wird es spannend
50% des Inhalts springt raus, hält die Digitalknipse in alle 4 Himmelsrichtungen und verschwindet dann in Sekunden im Kiosk und wird bis zur Abfahrt in einer halben Stunde nicht mehr gesehen.
10% zünden eine Zigarette an und beenden diese Anzünderei bis zur Abfahrt nicht mehr.
40% sind weiblich und stellen sich am Klohaus an.
Der rechnerisch nicht mehr gegebene Rest ist cool und gelangweilt.
Warum sich die Leute stundenlang in einen Bus einsperren lassen und beim Freigang alles machen nur das nicht, warum sie hierher gekommen sind (mir dynkt, das könnte die Landschaft sein) erschließt sich mir nicht. Übersättigung von den Eindrücken?
Ich fahr weiter um nach wenigen Kilometern an den Hafen zu kommen, von dem die Fähre vom Südende der Lofoten rüber aufs Festland nach Bodö ablegt.
Der Plan: Diese Fähre nehmen, in etwas über 3 Stunden in Bodö aufschlagen und weiter nach Süden dieseln. Die Fähre soll in 3 Stunden ablegen.
Es stehen schon reichlich Fahrzeuge am Anleger und laut Reiseführer sind die Fähren nicht besonders groß. Also -obwohl man mit dem Motorrad ja eigentlich immer mitkommt. lieber mal fragen, bevor ich mich in die Schlange stelle. Und damit ist der Plan zur Umplanung gezwungen worden. Die Fähre ist ausgebucht und auch mit dem Motorrad keine Chance mehr, mitgenommen zu werden. Mist!
Die nächste Fähre geht erst um 19.30 Uhr. Für diese könnte ich mich in die Schlange anstellen, würde auch mitkommen, kann aber nicht reservieren und später wieder kommen.
Jetzt den ganzen Tag da im Hafen abhängen habe ich auch keinen Bock. Es soll ja noch andere Fähren von den Lofoten aufs Festland geben.
Also erst noch ein Stück nach Süden nach "A mit Kringel drauf", dem Ort mit dem kürzesten Ortsnamen (in dem Ort mit dem längsten Ortsnamen irgendwo in Wales war ich auch schon
.
Von "A mit Kringel drauf" sehe ich aber nur den Parkplatz mit massig Reisebussen und Womos. Hab ich jetzt keinen Bock drauf. Also wieder gen Norden auf den Lofoten zurück.
Auf Vestvagöy, einer der mittleren Lofoteninseln, gibt es bei Ballstad eine Anlegestelle der Hurtigruten mit einer Verbindung zum Festland.
Das Wetter wird schlechter und es bewölkt. Die Änderung des Lichtes ändert sofort den Charakter der Inseln. Was erst lieblich, freundlich und postkartenähnlich ausschaute, wirkt jetzt wilder, karger.
Ich erreiche den Anleger der Hurtigruten. Nächste Fahrt aufs Festland um 22.00 Uhr, also auch nix.
Jetzt bleibt noch die Überfahrt von Svolvaer, der "Hauptstadt" der Lofoten. Dahin jetzt aber nicht mehr über die von der Hinfahrt bekannte E10, sondern über eine kleine Straße entlang der Küste. Ein Traum!
Am Hafen in Svolvaer steht ein Schild. Das Schild hat eine Bedeutung, die rd. 400km lang ist. 400km ist die geschätzte Distanz, die mich an dem ewig langen Narvik-Fjord zurück nach Narvik führt und an dessen Südseite ich dann wieder in die Gegenrichtung fahren kann, um Richtung Bodö zu kommen. Auf dem Schild sehen nämlich die Fährzeiten und die sagen, dass Samstags seit Bau des "Festlandanschlusses" der Lofoten die letzte Fähre um 15.00 Uhr geht und jetzt ist es 15.30 Uhr.
Obermist!
Jetzt sinkt die Laune. Alles von gestern wieder zurückrollern ist ja so schlimm nicht. Schlimm wird es erst dadurch, dass der Plan anders war. So wird man mit einem Plan und dessen Scheitern zum Schlechtgelaunten. Hilft aber nix, also weiter.
Da es nicht regnet, die aufziehenden Wolken nicht tief hängen, erlebe ich die gestern im Regen ersaufende Landschaft nun noch mal neu.
"Irgendwann" am Beginn des Narvik-Fjords kommt wieder ein Schild. Dieses Schild hat eine Bedeutung von so geschätzten 300km. Das ist die Strecke, die ich nun doch nicht um das Fjord rum muss, denn auf dem Schild steht was von einer Fähre.
Also hin. Die Schlange des stehenden Autos ist kurz. Vor mir so eine "Zuhälterschüssel" mit Tieferlegung, Breitreifen, Campingtisch, vulgo Spoiler. An der Tür lehnt ein Typ mit Sonnebrille, reichlich bepinselter Haut, vulgo Tatoo und Lederkutte "MC Dicke Backe" oder so. Wir kommen ins Gespräch. Er ist irgendwas wichtiges bei seinem MC und kommt (mit der Dose!) von einem Motorradtreffen seiner Jungs. Seine Hoarli kann er nicht nehmen, denn die wird seit Monaten tieferverchromtgechopptbreitreift und er jammert drüber, dass da nix voran geht.
Ich gehe rüber an die Tankstelle, kauf mir einen Kaffee, zahle die Fähre und diese kommt dann auch. Auf der Fähre komme ich mit einem norddeutschen Motorradfahrer ins Gespräch, den ich heute schon am Morgen in Reine auf seiner SV650 gesehen hatte. Wir plaudern.
Nach dem Anlegen beginnt die übliche Raserei. Jeder will der erste sein, wenn die Straße enger wird und man nicht mehr so gut überholen kann. Im Vergleich zu Schweden ist Norwegen die Hektik pur, im Vergleich zum deutschen Straßenverkehr aber immer noch eine Veranstaltung der Baldrianjunkies.
Das wird mir zu bunt. Erst mal rechts ran und warten, bis der Schwung vorbei ist.
Die Gegend ist klasse. Hügelig, immer mal wieder ein Ausblick auf das Meer und auf die Lofoten am Horizont und das Wetter hat sich auch wieder gebessert. Es ist sonnig.
Zeit mal was zum Beißen am Abend zu besorgen. Ich finde einen Supermarkt. Etwas mit Vitaminen, etwas mit mehr oder weniger Geschmack, etwas Brot und ein oder zwei Bierchen wären auch nicht schlecht. Bei dem Bier habe ich schlechte Karten. Je nach Region werden am Samstag zwischen 15 und 18.00 Uhr die Regale mit dem alkoholhaltigen Zeug zugehängt.
Welches Schwachhirn kommt eigentlich auf die Idee, dass man die Sauferei eindämmen kann, wenn man "den Stoff" Samstag nur bis Mittag kaufen kann? Wenn die Dorfjugend schon am Morgen eine Palette beerdigt, kaufen die doch den Vorrat fürs Wochenende früh genug.
Aber das ist typisch für Norwegen und Schweden. Es gibt ein Problem, die Regierung nimmt sich dem an und regelt. Ob die Regelung sinnvoll ist oder nicht, wird erst mal nicht hinterfragt. Hauptsache geregelt.
Ich treffe unterwegs noch einmal den Motorradfahrer mit seiner SV650 um dann 2 Stunden später auf einem Campingplatz anzukommen und neben ihm mein Zelt aufzubauen. Als ich ankomme, zerrt er gerade seinen Zeltsack vom Krad. Soviel zum Thema man wäre mit 11 PS im Vergleich zu fast 10x mehr PS BEIM REISEN (!) schneller.
Wir plaudern noch etwas, kochen und ich gehe noch so um Mitternacht über eine Stunde an einem See spazieren. Ist ja hell
OllY