Gestern kamen Julia und Sven, zwei der Organisatoren der jährlichen
Tour de Pfalz von der Lebenshilfe in Ludwigshafen zu Besuch. Sven ist Mitglied bei den
"Edelweisspiraten", einem antifaschistischen Motorradclub aus dem Mannheimer Raum, und fährt eine auf 48 PS gedrosselte Kawasaki Zephyr. Julia hat gerade den Führerschein gemacht, und hatte sich bei der Tour de Pfalz erkundigt, zu welchem Motorrad ich ihr als Frau raten würde. Genannt wurden die üblichen Lastenhefteinträge einer Fahranfängerin:
"Die darf nicht so schwer sein, weil ich sie sonst nicht aufheben kann."
"Die darf nicht so hoch sein, weil ich mit den Füßen runter kommen will."
"Das darf kein Softchopper sein, ich will Motorrad fahren."
Sehr sympatisch so weit!
Das Gewicht finde ich persönlich ja auch wichtig, weil es beim Rangieren im Stand einfach saumäßig hilfreich ist, nicht gegen unnötige Zentner anzuschieben, besonders, wenn man so einen engen Hof zur Verfügung hat wie wir. Das Argument mit dem Aufheben ist vielleicht bei Cross-Pilotinnen entscheidend, im normalen Straßenverkehr aber meiner Meinung nach überschätzt, denn in der Regel wird sich, besonders bei einer attraktiven Fahrerin wie in diesem Fall, immer jemand finden, der galanter Weise zur Hilfe eilt, wenn das Mopped mal umgefallen ist, und nach einem ernsten Unfall kümmert man sich eh gescheiter erst Mal um die eigenen Gebeine, als um das rumliegende Motorrad.
Die Sitzhöhe, so wie auch die Sitzbreite und natürlich die Sitzposition während der Fahrt, sind dagegen ganz entscheidende Kriterien für ein nachhaltiges Wohlgefühl. Ebenso wie der Schwerpunkt, die Haltung des Oberkörpers und die fahrwerksbedingte Kurvenfreudigkeit. All diese genannten Punkte lassen sich aber nicht aus Prospekten herauslesen, und die wenigen Datenbezogenen Hinweise führen gerne Mal in die Irre. Die 10 kg Gewichtsunterschied zwischen einer Ducati Monster und einer Suzuki SV 650 S beispielsweise sind subjektiv nicht erlebbar. Die Sitzhöhe der Monster (790 mm) und einer Aprilia Moto 6.5 (830 mm) fühlen sich identisch an, weil die Aprilia mehr "Vespentaille" hat. Die Suzuki SV 650S (Serie 800 mm Sitzhöhe) habe ich auf 760 mm Sitzhöhe verändert, durch Einbau von längeren "Umlenkknochen" der unteren Federbeingeometrie. Dennoch fühlt sie sich durch die breitere Sitzbank exakt genauso hoch an, wie die objektiv 30 mm höhere Ducati ...
Aus den oben genannten Gründen habe ich Juliua geraten, einen Tag zu mir zu kommen, um intensiv Probe zu fahren und einfach Mal mehrere Konzepte auszuprobieren. Gestern war es dann so weit.
Julia, Sven und ich haben eine kleine Tour durch den Spessart anberaumt, Tina wollte später dazu stoßen. Sven war mit seiner Zephyr dabei, Julia und ich wählten die Ducati Monster 900 genannt "Zona Grigia" und die Suzuki SV 650S namens "Knubbel" aus dem Fuhrpark. Tina kam später bei einer vereinbarten Pause mit Ihrer wilden Suzuki LS 650 dazu, und es wurde zu einem wunderbaren Tag bei Kaiserwetter und mit vielen Eindrücken.
Julia fuhr zuerst etwa 80 km mit der Ducati und resumierte:
"Ich hatte ja Bammel, ob ich so ein dickes Ding fahren kann, aber die macht es einem ja wirklich einfach!"
Danach stieg sie für etwa 60 km auf die SV650 und fand die noch viel einfacher zu fahren, als die Ducati. Dann probierte sie die LS650, fühlte sich aber wegen der ungewohnten Sitzposition mit den Füßen voraus in Kurven unsicher.
Zum Abschluss des Tages drehte Julia dann noch eine Runde auf der Suzuki GN 250, die sie schon beim ersten Anblick ins Herz geschlossen hatte und fand sie super nett zu fahren. "Gibt's die auch mit mehr Leistung?"


Zitate des Tages:
"Ich hab ja schon Bammel vor dem riesigen Ding!" Julia vor dem Beginn der Probefahrt mit der Ducati
"Die macht es einem ja so einfach!" Julia nach der Probefahrt mit der Ducati
"Boah, die kann ich nie fahren!" Julia beim ersten Platznehmen auf der SV 650
"Die geht ja so spielerisch leicht!" Julia nach ihrem Ritt auf der SV 650
"Ist die Süß, die nehm ich!" Julia beim Betrachten der GN250
"Gibt's die auch mit mehr Leistung?" Julia nach der Probefahrt mit der GN 250
"Die brauchst Du ja nicht mehr, oder?" Julia und Sven beim Betrachten der "Deviant Dancer" XT 500
"Was für ein geiles Motorrad" Tina nach ihren ersten 20 km auf der SV 650
Das Resumee des Tages:
Der Knubbel wird für Tina mit einem Superbikelenker ausgerüstet, was eine andere obere Gabelbrücke erfordert, um eine aufrechte, leicht nach vorne geneigte Sitzposition zu erzielen, dann hat Tina endlich "ihr" Motorrad gefunden. Die LS 650 ist wieder auf dem Markt und Julia wird nochmal kommen. Dann werde ich sie auf eine Aprilia Moto 6.5 setzen, damit sie eine aufrechte Sitzposition verbunden mit drehmomentlastigem Motor kennen lernt, und auf eine SR 500, um zu sehen, ob sie mit dem Kicken anfreundbar ist. Wenn nicht muss ich ihr halt auch so eine SV bauen, wie für Tina
